„Tatort“-Vorschau Falke und der Sohn des Diktators

Düsseldorf · Im Fall „Tyrannenmord“ muss der „Tatort“-Fahnder auf seine Partnerin verzichten. Im Zentrum steht der verschwundene Sohn eines Autokraten. Was Zuschauer erwarten können.

Falke (Wotan Wilke Möhring) muss auf seine Partnerin Grosz (Franziska Weisz) verzichten. Stattdessen versucht Dorfpolizist Wacker (Arash Marandi, im Hintergrund) zu helfen – hält aber lieber Abstand zu Carlos (José Barros, rechts).

Falke (Wotan Wilke Möhring) muss auf seine Partnerin Grosz (Franziska Weisz) verzichten. Stattdessen versucht Dorfpolizist Wacker (Arash Marandi, im Hintergrund) zu helfen – hält aber lieber Abstand zu Carlos (José Barros, rechts).

Foto: NDR/Marc Meyerbroeker

Das titelgebende Oberthema passt geradezu gruselig perfekt in die Zeit: Um Tyrannenmord als letztes Mittel dreht sich der neue „Tatort“ aus Norddeutschland, dem Einsatzgebiet von Falke und Grosz. Und mehr noch um das Gegenteil, nämlich das elegante Wegsehen bei systematischen Verbrechen und Verstößen gegen Grundrechte in Schurkenstaaten, sobald eigene Interessen betroffen sind. Zum Drehbuch wurde der Autor Jochen Bitzer von einem Pressebericht über die Schweizer Schulbildung des späteren nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un inspiriert.

Zum Fall: Juan Mendez (Riccardo Campione) ist verschwunden, der Sohn eines ganz hohen Tiers im fiktiven Unrechtsstaat Orinaca, gefühlt gelegen am Fluss Orinoco, also im Großraum Venezuela. Die Wahl dieses südamerikanischen Autokraten (mit eiskalter deutscher Gattin) ist eine gute. Ein arabischer Ölscheich oder afrikanischer Warlord wäre wirklich zu klischeebehaftet gewesen. Zudem kommen einem als Zuschauer in den diversen eingestreuten spanischen Sätzen zumindest die melodiösen Kraftausdrücke vage bekannt vor. Nett!

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Das Verschwinden des Teenagers wird schnell zum Problem für Ermittler Falke (Wotan Wilke Möhring), denn Carlos besucht das norddeutsche Elite-Internat Rosenhag – halb Hogwarts, halb Bullerbü; Einser-Zeugnisse für die gut betuchten „Kunden“ praktisch garantiert. Der Vorfall kommt zur Unzeit; es drohen ein diplomatischer Eklat mit politischen und wirtschaftlichen Folgen sowie selbstredend Negativschlagzeilen für die Schule. So sagt die Betreiberin ihrer guten Freundin Bescheid, ihres Zeichens Innenministerin. Und die schickt flugs ihren besten Mann – Falke eben. Schade für ihn und noch mehr für uns Zuschauer: Anstelle seiner ihm mittlerweile so ans Herz gewachsenen Partnerin Grosz (Franziska Weisz) muss sich der Kiezbulle auf ihm völlig fremden Terrain mit Dorfpolizist Felix Wacker (Arash Marandi) und dessen Klapprad begnügen.

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Falke will eigentlich bloß weg, noch mehr aber will er den Fall aufklären und bemüht sich deshalb um Contenance. Doch er steht vor einem Haufen Fragen: Wollte Juan nur mal kurz ausbüxen oder komplett aus seinem goldenen Käfig ausbrechen? Welche Rolle spielen seine Freundin Hannah (Valerie Stoll) und der verhuschte August (Anselm Ferdinand Bresgott)? Was weiß Juans massiger Bodyguard Carlos (stark: José Barros), den man allzu leicht unterschätzt und der sich, diplomatischer Immunität sei Dank, von Falke nichts sagen lässt? Liegt hier ein Dummerjungenstreich vor, ein Liebeskummer-Drama, oder eine politisch motivierte Entführung, womöglich gar samt Folter und Mord?

Und falls Letzteres: Waren es Oppositionelle – oder vielmehr Vertraute von Juans eigener Familie, um ihrem aufmüpfigen Sohnemann dessen demokratisch-liberale Träumereien auszutreiben?

Ein spannendes Drama über Werte, das wohltuend zumindest weitgehend auf Stereotype verzichtet. Sehr klassisch inszeniert, aber gut gespielt, inhaltlich prima und irre relevant.

„Tatort: Tyrannenmord“, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste

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