Vor Bund-Länder-Runde Teil-Lockdowns und „notbremsende Maßnahmen“ denkbar

Berlin · Vor den Beratungen von Angela Merkel, Olaf Scholz und den Länderchefs fordern viele Politiker rasches Schritte und weniger Kontakte. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans hält als „letzten Schritt“ auch einen Lockdown für denkbar.

 Vorweihnachtszeit in Solingen-Ohligs - Kanzleramtschef Helge Braun drängt auf eine „Notbremse“, um der Infektionslage Herr zu werden.

Vorweihnachtszeit in Solingen-Ohligs - Kanzleramtschef Helge Braun drängt auf eine „Notbremse“, um der Infektionslage Herr zu werden.

Foto: Peter Meuter

Politiker mehrerer Parteien sprechen vor dem Treffen der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen mit der Kanzlerin von drastischeren Maßnahme. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat vor den Beratungen über die Corona-Lage eine bundesweite Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen gefordert. „Wir haben eine nationale pandemische Notlage, und ich bin der Auffassung, wir müssen deswegen jetzt auch national handeln und zusammenkommen“, sagte Hans im TV-Sender „Bild Live“. „Ich habe schon die Erwartung, dass wir die ganz grundlegenden Fragen nochmal miteinander besprechen. Es muss doch jetzt wirklich gehandelt werden angesichts der hohen Zahlen.“

Es seien nun „bundeseinheitliche, notbremsende Maßnahmen“ nötig, sagte Hans. „Das kann auch als ultima ratio, als letzter Schritt, auch ein Lockdown sein.“ Die Ampel-Koalition müsse die dafür nötigen rechtlichen Vorgaben schaffen.

Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) beraten heute mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder über das weitere Vorgehen in der Pandemie. Die Rufe nach einer Verschärfung der Schutzmaßnahmen und Beschränkungen waren angesichts steigender Infektionszahlen und der Omikron-Variante in den vergangenen Tagen nochmals lauter geworden.
Zuvor wird das wichtige Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet: Die Karlsruher Richter werden am Morgen erstmals in der Hauptsache eine Entscheidung über die „Corona-Bundesnotbremse“ veröffentlichen, mit der im Frühjahr Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie verhängt wurden. Das Gericht will klären, ob und inwieweit der Gesetzgeber die Bevölkerung zu Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen verpflichten sowie Schulschließungen veranlassen darf.

Der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sprach sich für eine Corona-Notbremse aus. „Wir sind in Deutschland in die Lage gekommen, die wir immer vermeiden wollten: Unser Gesundheitssystem ist regional überlastet“, sagte der CDU-Vorsitzkandidat den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir brauchen jetzt eine Notbremse, dabei zählt nun jeder Tag.“ Ziel müsse es sein, in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen die Kontakte schnell um 60 bis 70 Prozent zu reduzieren.

Dazu müssten jetzt sämtliche Großveranstaltungen wie die Spiele der Fußball-Bundesliga wieder ohne Besucher stattfinden, sagte Braun. In Schulen müsse es wieder eine Maskenpflicht in allen Jahrgangsstufen geben. Dort, wo das Infektionsgeschehen besonders kritisch sei, müsse über Schließungen von Einrichtungen im Freizeitbereich nachgedacht werden. „Das gilt auch für die Gastronomie in den Abendstunden“, sagte Braun.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen forderte vor dem Treffen ein stärkeres Herunterfahren vieler Bereiche des öffentlichen Lebens. „Wir brauchen einen einheitlichen Teil-Lockdown in vielen Regionen des Landes, um die vierte Welle zu brechen“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Dies bedeute keine allgemeinen, sondern gezielte Schließungen dort, wo die Lage außer Kontrolle sei. „Schulen und Kitas sollten mit Masken und täglichen Tests aber möglichst offen bleiben.“ Für Ungeimpfte sollte es Kontaktbeschränkungen im Privaten wie im ersten Lockdown geben.Neben Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) und für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) in Geschäften, Beruf und Verkehr seien Schließungen von Gastronomie, Bars, Diskotheken sowie das Untersagen größerer Veranstaltungen nötig, sagte Dahmen und mahnte Verbesserungen beim Krisenmanagement an. „Wir sind beim Impfen zu langsam, bei den Schutzmaßnahmen zu zögerlich und bei der Patientenverlegung aus überlasteten Klinken zu umständlich.“ Deswegen brauche es jetzt einen Krisenstab, der sich insbesondere sofort um die Impfkampagne kümmere. Angesichts der neuen Omikron-Variante des Coronavirus sollten 1,5 Millionen Menschen am Tag geimpft werden. „Das gelingt uns derzeit nicht, weil wir zu wenig Impfstoff haben und die vorhandenen Dosen ineffizient verteilen.“ In die Impfkampagne eingebunden werden sollten endlich auch Apotheken.Mit Blick auf überlastete Intensivstationen forderte Dahmen: „Wir brauchen eine Rettungsluftbrücke quer durch das Land.“ Nötig sei, viel mehr, viel frühzeitiger und viel systematischer Patienten in weniger stark betroffene Gebiete zu verlegen. Das sei ein Kraftakt, den zentral der Bund organisieren müsse. Zuletzt habe es bis zu fünf Tage gedauert, bis eine kleinere Patientenzahl verlegt werden konnte.

(juju/AFP/dpa)
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