Bis zu 20.000 Tests Corona-Test an allen NRW-Schlachthöfen - Minister Laumann fordert Hygienekonzept

Coesfeld/Hamm · Nach einem Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb in Coesfeld ist die ganze Fleischbranche in den Fokus gerückt. Nun sollen landesweit alle rund 20.000 Mitarbeiter getestet werden.

 Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband (Symbolbild).

Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband (Symbolbild).

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Nach dem Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb im Coesfeld sind in Nordrhein-Westfalen landesweit Virus-Tests in der Fleischbranche angelaufen. Es ist nach Angaben von NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) die größte Reihenuntersuchung in der Corona-Krise in Deutschland. Bis zu 20 000 Mitarbeiter der NRW-Fleischfabriken müssen untersucht werden. Er hoffe, dass in drei bis vier Tagen abzusehen sei, wie die Infektionssituation an den anderen großen Schlachthöfen ist, sagte Laumann am Montag in Düsseldorf.

In der Coesfelder Fleischfabrik, die am vergangenen Freitag wegen der hohen Infektionszahlen vorübergehend geschlossen worden ist, gibt es nach Angaben des Kreises bislang 252 bestätigte Fälle, 476 Tests seien negativ ausgefallen. Das Land hatte wegen der hohen Infektionszahlen die am Montag in ganz NRW in Kraft getretenen Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen in dem Kreis im Münsterland ausgesetzt.

Laumann hält es aber für möglich, dass auch dort die Schutzvorkehrungen zum kommenden Wochenende gelockert werden können. Das hänge aber davon ab, ob sich das Infektionsgeschehen auf den Schlachtbetrieb beschränke. Im Kreis Coesfeld müssen etwa Gaststätten oder Fitnessstudios noch geschlossen bleiben. Für Schulen und Kindergärten gelten dagegen dieselben schrittweisen Lockerungen wie im Rest des Landes.

In allen anderen Kreisen in NRW seien die Zahlen „weit weg“ von der kritischen Obergrenze, sagte Laumann. Er sehe derzeit nicht, dass auch in anderen Städten oder Kreisen Corona-Lockerungen wegen zu hoher Infektionszahlen wieder rückgängig gemacht werden müssten.

Laumann erhöhte den Druck auf den Betreiber der Fleischfabrik. Er müsse ein umfassendes Hygienekonzept vorlegen, statt die Schließung vor Gericht anzugreifen. Westfleisch war vor dem Verwaltungsgericht Münster mit einem solchen Antrag gescheitert. Bei dem Hygienekonzept dürfe es nicht allein um den Betrieb gehen, sondern auch um die Wohnsituation der Arbeiter und um den Transport von der Wohnung zum Schlachthof, forderte Laumann. Das Verschieben von Verantwortung auf Subunternehmer sei inakzeptabel. In den Schlachthöfen sind viele Mitarbeiter bei Subunternehmern beschäftigt. Sie kommen häufig aus Ost- und Südosteuropa.

Bei einigen Unterkünften von Arbeitern der Coesfelder Fleischfabrik seien „erhebliche Mängel“ beim Infektionsschutz festgestellt worden, berichtete der Minister. Der staatliche Arbeitsschutz habe aber nur begrenzte Einsicht in die Unterkünfte, da es sich nicht um Werkswohnungen handele. Die meisten Wohnungen seien privat angemietet, da könnten nur die kommunalen Ordnungs- und Gesundheitsämter kontrollieren.

Die Kommunen müssen sich einen Überblick über die Unterkünfte der Arbeiter aus den Schlachthöfen verschaffen. Allein der Coesfelder Nachbarkreis Steinfurt geht davon aus, dass es bei ihm mehr als 100 solcher Wohnungen gibt, wie eine Sprecherin sagte. In diesen Unterkünften unterschiedlicher Größe lebten aber nicht nur Beschäftigte aus Schlachthöfen, sondern auch aus anderen Betrieben. Insgesamt müssten im Kreis nach jetzigem Stand 2500 bis 3000 Menschen getestet werden.

Die SPD will von Laumann wissen, seit wann die Behörden von den Infektionen unter den Arbeitern in dem Coesfelder Schlachthof gewusst und was sie zur Eindämmung unternommen haben. Die Partei hat das Thema deshalb auf die Tagesordnung der Sitzung des Arbeits- und Gesundheitsausschusses im Landtag an diesem Mittwoch setzen lassen. „Seit Mitte März sollen die Behörden über erste Infektionsfälle informiert gewesen sein“, erklärte der arbeitsmarkt- und gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Josef Neumann. Laumann müsse sich fragen lassen, welche Verantwortung er für diese Zustände habe. Der Minister verwies darauf, dass der Arbeitsschutz schon am 24. April angewiesen worden sei, die Corona-Vorkehrungen in den Schlachthöfen genauer unter die Lupe zu nehmen.

NRW-Schweinemäster befürchten durch die Schließung des Schlachthofes in Coesfeld Absatzprobleme und einen Preisverfall beim Schweinefleisch. Er erwarte von „allen Marktbeteiligten, die Preise nicht weiter zu drücken“, sagte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, Hubertus Beringmeier am Montag in einer Videobotschaft. Die Schlachtbranche müsse die fehlende Kapazität aus Coesfeld ausgleichen. Der betroffene Schlachthof wird von rund 1000 Schweinemästern aus der Region beliefert.

(mba/dpa)
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