Nachruf Der Musiker Hans Doetsch ist tot

Anrath · Wenige Wochen vor seinem 92. Geburtstag starb der in Anrath lebende Pianist in einem Krefelder Krankenhaus. Am kommenden Montag gibt es eine Gedenkandacht in der Anrather Pfarrkirche.

 Vollblutmusiker Hans Doetsch kurz vor seinem 90. Geburtstag in seiner Wohnung im Alten Krankenhaus in Anrath.

Vollblutmusiker Hans Doetsch kurz vor seinem 90. Geburtstag in seiner Wohnung im Alten Krankenhaus in Anrath.

Foto: Heribert Brinkmann

Sein Gala-Konzert am 27. Januar 2017, drei Monate vor seinem 90. Geburtstag, im Neersener Wahlefeld-Saal war sein letztes öffentliches Konzert. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der Musiker Hans Doetsch bereits am 25. März in einem Krefelder Krankenhaus gestorben. Am Montag, 8. April, wird für ihn um 10 Uhr in der Anrather Pfarrkirche ein Gedenkgottesdienst abgehalten. Die Beisetzung der Urne erfolgt im engsten Kreis. Am 26. April wäre er 92 Jahre alt geworden.

Seine Lebensstationen waren Grevenbroich, Kaarst und Anrath. Dass er Musiker wird, war ihm nicht vorbestimmt. Seinem Vater Johann gehörte ein Feinkostgeschäft in Grevenbroich. Sohn Hans sollte es eines Tages übernehmen. Doch er war von klein auf eine rebellische Natur, das immer freundliche Bedienen der Kunden lag ihm nicht im Blut. Mit 16 Jahren haute er zur Wehrmacht ab, als jüngster Kriegsfreiwilliger im Gau Düsseldorf. Dabei war Vater Johann nie in der Partei. Drei, vier Monate vor Kriegsende erlebte er in Wien, wie sieben Italiener erschossen wurden. Danach desertierte er, wurde eingesperrt, von den Amerikanern befreit und den Russen übergeben. Die russische Gefangenschaft überlebte Hans Doetsch, weil er vier Monate lang „Leibpianist“ des russischen Kommandanten war. Mit Chopin und Mozart konnte er seine Haut retten.

Mit dem Klavierspiel begann der kleine Hans schon als Vierjähriger. „Onkel Eugen“, Untermieter der Eltern, unterrichtete ihn. Nach dem Krieg heiratete Hans Doetsch die Tochter eines Landwirtes, Freund und Lieferant der Familie. Auch das Leben auf dem Hof machte er mit Leidenschaft – wie alles in seinem Leben – mit. Jede freie Minute verbrachte er auf einem Pferd und ritt bis zum Kloster Knechtsteden. Auf dem Dachboden übte er Klavier, das er sich angeschafft hatte – auch wenn sich der Schwiegervater darüber aufregte: „Mit dem Geld hätte man eine schöne Kuh kaufen können.“

Dass Hans Doetsch nicht nur das Klavierspiel beherrscht, sondern auch kulinarisch bewandert ist, lässt sich einfach erklären: Sein Vater zwang ihn, etwas „Ordentliches“ zu lernen. So ging der Sohn in die Feinkostlehre und erhielt bei führenden Feinkostläden eine gute Ausbildung. In Neuwied ging er in die Berufsschule, doch der „Rebell“ mit viel Sinn für herbe Streiche wurde von der Schule verwiesen. Nur weil sein Vater über einen gewissen Einfluss bei der IHK verfügte, wurde Hans Doetsch doch wieder aufgenommen. „Wogegen habe ich nicht rebelliert“, sagte Hans Doetsch vor mehr als zwei Jahren bei unserem Gespräch in seiner kleinen Wohnung im Alten Anrather Krankenhaus an der Neersener Straße. Er sagte dies mit einer gewissen Wehmut, denn so sehr er im Kopf immer noch der alte Rebell war, ließen die körperlichen Kräfte sichtbar nach.

Das war kein Vergleich zu der Zeit in Kaarst, wo er an der Mittelstraße 4 neben Ringes – da, wo heute der Rewe-Markt steht – seine private Musikschule eröffnete – mit der dollen Telefonnumer 666636. Anfangs widmete er sich besonders der Früherziehung für Kinder ab vier Jahren. Im Buch Verlag Kempen erschien später, 2014, sein Lehrbuch „Einfach Noten lernen“, besonders geeignet für Xylofon, Glockenspiel und Co. Auf Nachfrage bestätigt der Verlag, dass noch Exemplare auf Lager sind. Im Laufe seiner Kaarster Jahre wurde die Musikschule immer mehr zum Treffpunkt für Kunst- und Musikfreunde mit Konzerten und Ausstellungen. Mark Koll, heute Leiter seiner eigenen Musikschule, fing dort einst als Musiklehrer an.

 Ihn selber hielt es nicht lange am Düsseldorfer Konservatorium. Er ging lieber mit drei Musikern als  Hans Doetsch Showband auf Tour. Als die Italo-Schlager in waren,  holte er einen italienischen Sänger in die Band. Seine Band sorgte immer für Aufsehen und volle Häuser. Sein letztes großes Projekt war 2013 die Vertonung von 13 Balladen von Francois Villon. Die Krefelder Pianistin Barbara Uhling hat mit ihm ein Konzertprogramm für Gesang, Klavier und Gitarre erarbeitet. Es wurde am 17. September 2013 in Anrath uraufgeführt. Im Rückblick sagt Doetsch: „Das ganze Leben war unterhaltsam.“ Möge er jetzt in Frieden ruhen.

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