Abgeholzte Bäume in Mehrhoog Rentner kämpft gegen die Stadtverwaltung

Mehrhoog · Die überraschende Abholzung eines Wäldchens in Mehrhoog hat einen juristischen Streit zum Hintergrund. Anwohner Helmut Loock (82) gehört ein Zehntel der Waldfläche. Er wollte die Bäume stehen lassen – zum Klimaschutz.

 Helmut Loock aus Mehrhoog vor dem abgeholzten Wäldchen, das seine Familie gemeinsam mit der Stadt besitzt. „Wo besteht hier Gefahr?“

Helmut Loock aus Mehrhoog vor dem abgeholzten Wäldchen, das seine Familie gemeinsam mit der Stadt besitzt. „Wo besteht hier Gefahr?“

Foto: Sebastian Peters

Es ist mehr als nur ein Nebenaspekt dieser verwunderlichen Entwicklung in Mehrhoog, wo die Stadtverwaltung innerhalb nur weniger Tage ein ganzes Wäldchen verschwinden ließ. Der Rentner Helmut Look, wohnhaft an der Straße Im Kuckuck direkt neben dem ein Hektar großen Wäldchen, überlegt jetzt, juristisch gegen die Fällung vorzugehen, will auch das NRW-Umweltministerium und die Bezirksregierung einschalten. Aus seiner Sicht ist das, was die Stadt Hamminkeln getan hat, eine Art der Enteignung.

„Ich bin Miteigentümer dieses Wäldchens, folglich habe ich auch ein Mitbestimmungsrecht, ob der Wald verschwinden darf“, sagt Loock. Er befürchtet, dass die Stadt dort langfristig ein kleines Neubaugebiet plant. „Ich fordere, dass dieser Wald wieder aufgeforstet wird.“ Die Stadt Hamminkeln hat andere Pläne: Sie werde den Miteigentümer des Waldes sogar zur Beteiligung an den „Pflegekosten“, also der Fällung, beteiligen, wie Stadtchef Bernd Romanski (SPD) betont.

Die Grünen in Hamminkeln hatten den Fall Anfang der vergangenen Woche öffentlich gemacht: Auf Betreiben der Stadtverwaltung hin war ein kleines Wäldchen abgeholzt worden, das sich am Rand eines Wohngebietes nahe der Bahnhofsstraße befindet. Der Wald grenzt an einen Spielplatz und Kindergarten.

Die Stadt führte als Grund für die Fällung an, dass illegaler Grünschnitt im Wald abgeladen würde. Das Waldstück sei nicht eingezäunt und frei zugänglich. Folglich stelle es eine Gefahr für Kinder dar. Die Kosten für eine Absicherung wären zu hoch gewesen. Helmut Loock ist anderer Meinung. Die einzige Zuwegung in den Wald habe die Stadt selbst geschaffen, als sie einen Spielplatz in der Nähe anlegte. Eigentlich dürfe man diese Zuwegung als Autofahrer nicht nutzen. Zudem gebe es vom Spielplatz zum Wald in Teilen einen Zaun. „Der Wald war vorher nirgendwo frei zugänglich.“

Dass der 82-jährige Helmut Loock Mitbesitzer des Waldes geworden, ist einem kuriosen Rechtsstreit vor Jahrzehnten zu verdanken. Der Wald war in Privatbesitz, im Juni 1987 wollte der damalige Grundstückseigentümer die Fläche verkaufen. Damals wollten mehrere Anlieger das Wäldchen gemeinsam erwerben, um ein Naturareal direkt vor ihrer Haustür zu haben. Helmut Loock war einer von ihnen. Zehn Käufer habe es damals gegeben, berichtet der 82-Jährige. Die Stadtverwaltung habe aber dann ein Vorkaufsrecht geltend gemacht – „als wir schon im Grundbruch drin waren“. Einige der damaligen Kaufvertragsparteien haben dann vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben, die im September 1989 abgewiesen wurde. Als einziger Käufer legte Helmut Loock vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klage ein. In diesem Verfahren hat die damalige Gemeinde Hamminkeln ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ausgeübt. Übrig blieb nur Helmut Loock. 5000 D-Mark habe er damals bezahlt. Allerdings wurde nicht definiert, dass ein bestimmter Teil der Fläche ihm gehört. „Jedem gehört alles“, sagt der Renter. Helmut Loock hat den Wald seit 2004 im Grundbuch auf seinen Sohn übertragen. Er sagt aber immer noch „mein Wald“. Stadt und Familie sind durch das Wäldchen verbunden. Nur mit dem Unterschied, dass die Stadt diesen Wald anders bewertet als Loock selbst.

„Die von der Stadt behauptete Gefahr für Kinder ist lächerlich. Mit diesem Argument müsste man jeden Wald abholzen. Es hätte gereicht, die kranken Bäume herauszuholen, sagt der 82-Jährige. „Der Bürgermeister reißt ja auch nicht sein Haus ab, nur weil das Dach kaputt ist.“

Helmut Loock ist ein Mann, der sich nicht scheut, die Justiz zu kontaktieren, wenn er sich im Unrecht fühlt. Früher hat er beruflich bei Klöckner in Duisburg als Controller gearbeitet, wohnte lange in Duisburg im Stadtteil Neudorf, zog aber mit wachsender Familie nach Mehrhoog. Erst kürzlich hat er Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, wegen der geplanten Neuordnung der Grundsteuer kontaktiert, in gleicher Sache auch Kontakt zu Bundesfinanzminister Olaf Scholz aufgenommen.

Die kleine Episode zeigt: Loock ist ein durchaus streitbarer Mensch, ohne dabei aber den Rechtsstaat zu verteufeln. Er schrieb im Waldstreit auch an Bürgermeister Bernd Romanski. Von der Stadt Hamminkeln aber fühlt er sich verschaukelt, sagt Loock. Er habe den Wald behalten wollen, weil er ihn als seinen Anteil zum Klimaschutz betrachtete. Die Stadt habe ihm immer wieder einen Kauf angeboten, in den 90er Jahren mehrfach, zuletzt bei einem Ortstermin vor der Fällung Ende Oktober noch einmal.

Loock sagt: „Mir ging es nicht um das Geld, ich wollte den Wald behalten.“ Vor wenigen Tagen dann aber erhielt er die Nachricht, dass der Wald gefällt werden solle und dass er an den Kosten beteiligt werde. Loock kontaktierte an einem Samstagnachmittag sogar noch Bürgermeister Bernd Romanski privat am Telefon, um eine Rettung nicht unversucht zu lassen.

Hamminkelns Bürgermeister will nicht verhehlen, dass auch ihn die Fällung zunächst schockiert habe. „Als mir Johannes Flaswinkel von den Grünen ein Foto von der Fällung zeigte, da war auch ich geschockt“, sagt Romanski. Letztlich komme die Stadt dort aber ihrer Sicherungspflicht nach. Die betreffenden Mitarbeiter hätten ihm versichert, dass diese Maßnahme nötig gewesen sei.

Auch Romanski dachte zunächst, dass eine Aufforstung Sinn ergeben würde. „Die Fachleute bei uns haben mir aber erklärt, dass es ökologisch sinnvoller ist, die Fläche so zu belassen.“ Viele Tiere würden dort so ein Zuhause finden.“ Seine Fachleute will Romanski im entsprechenden Ausschuss berichten lassen, um politischen Unmut abzufedern. Und Romanski betont: „Häuser sind dort nicht geplant.“

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