Debatte wegen Rechtsextremen Bürgermeister halten nichts von Bewaffnung

Hamminkeln/Schermbeck/Wesel · In Hamminkeln beklagt Bürgermeister Romanski wachsendes Bedrohungspotential, persönliche Angriffe und verbale Aufrüstung. Ebenso wie Ulrike Westkamp und Mike Rexforth hält er aber nichts davon, sich zu bewaffnen

 Bernd Romanski, Bürgermeister von Hamminkeln.

Bernd Romanski, Bürgermeister von Hamminkeln.

Foto: Sebastian Peters

(thh/sep) Die gegenwärtige Debatte darum, inwieweit sich ein Bürgermeister bewaffnen darf, um sich gegen eine wachsende Bedrohung wehren zu können, wird auch in den Rathäusern von Wesel, Hamminkeln und Schermbeck registriert. Auch dort erleben die Bürgermeister, dass es bisweilen zu Eskalationen verbaler Art kommt.

Zum Hintergrund: Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt, Stadtoberhaupt in Kamp-Lintfort, hatte einen Großen Waffenschein beantragt, weil er sich von Rechtsextremen bedroht fühle. Wie Landscheid erläuterte, habe es in der Vergangenheit mehrfach im privaten wie beruflichen Umfeld Gefährdungssituationen gegeben, in denen die Polizei nicht schnell genug da gewesen wäre. Die Waffe wolle er für „außergewöhnliche Notwehrsituationen“ bereithalten. „Ich habe größtes Vertrauen in die Polizei und respektiere selbstverständlich das Gewaltmonopol des Staates“, betonte Landscheid.

Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (SPD), Schermbecks Gemeindechef Mike Rexforth (CDU) und Hamminkelns Bürgermeister Bernd Romanski (SPD) wollen alle keine Waffe zur Selbstverteidigung. Sie haben aber auch unliebsame Erfahrungen gemacht. Wie reagieren sie darauf?

Hamminkelns Bürgermeister Bernd Romanski hat in jüngster Vergangenheit schon Erfahrungen mit steigender Gewalt gemacht.

Rückblende eins: Im kleinen Dorf Brünen herrscht im letzten Jahr Angst vor einem jungen Mann serbischer Abstammung. Er wohnt mit seinem älteren Bruder seit Sommer 2018 nahe der Dorfkirche in einem alten Haus. Der Mann ist polizeibekannt, von Diebstahl, Betrug, Körperverletzung ist die Rede. Die Einwohner fürchten Randale, bei einem Einsatz kommt es zur Prügelei mit der Polizei. Wenig später wird der nach Voerde gezogene Mann dort auf grausame Weise auffällig. Er sitzt aktuell im Gerichtssaal, gegen ihn wird verhandelt, weil er eine Frau vom Bahnsteig vor einen einfahrenden Zug gestoßen haben soll.

Rückblende zwei: Der Prozess wird als Sicherungsverfahren geführt, trotz der Auffälligkeiten in Brünen blieb der Angeklagte in Freiheit, wurde nicht eingewiesen. Auch Bürgermeister Bernd Romanski, selbst Brüner, war mit ihm zusammengestoßen. Er fuhr auf langsamer Fahrt durch die dorfinneren Kurven, der Mann schlug auf die Motorhaube des BMW ein, Romanski stoppte am Dorfplatz, wollte die Polizei holen, die war schon benachrichtigt worden. Für den Bürgermeister hatte der Vorfall noch eine andere Seite, neben der Frage, warum der Randalierer nicht beispielsweise in eine Psychiatrie kam: die Bedrohung und die Respektlosigkeit, die er als Verwaltungschef seit 2015 im Amt in immer stärkerem Maß zu spüren bekomme.

Das Thema beschäftigt Romanski aktuell wegen der Aktion seines Kamp-Lintforter Amtskollegen Christoph Landscheidt, wegen rechtsradikaler Bedrohung einen Waffenschein zu beantragen. „Das käme für mich nie in Frage, so lassen sich die Probleme wachsender Bedrohungsszenarien und Respektlosigkeit nicht lösen“, sagt der Hamminkelner, gibt aber zu, dass nach der Brüner Attacke ein mulmiges Gefühl zurückgeblieben ist. Die Polizei habe er damals gebeten, häufiger und unauffällig Streife zu fahren in seinem Wohngebiet. Für die Präsenz dankt er, überhaupt sei die Arbeit mit Ortsteilbeamten bestückte Wache Hamminkeln sehr gut. Zuvor hatte Romanski  „Besuch“ zu Hause bekommen von jemandem, der eine strittige Frage dringend und persönlich lösen wollte. „Die Hemmschwelle sinkt“, sagt der Verwaltungschef. Er spricht von verbalen Attacken im Rathaus etwa auf Mitarbeiter der Bauordnung, wenn sich Pläne nicht durchsetzen lassen. Er erzählt von Gesetzesmissachtung, wenn die Stadt eine Betriebsleiterwohnung in einem Gewerbebau untersagt und der Antragsteller trotzdem einzieht. Die gesellschaftliche Entwicklung, lautstark und mit falschen Angaben Interessen durchzudrücken, macht aus seiner Sicht auch nicht vor Hamminkeln halt. Fatal sei das Urteil gewesen, als Renate Künast (Grüne) auf Facebook („Stück Scheiße“ oder „Geisteskranke“) übel beleidigt worden war und dies gerichtlich als freie Meinungsäußerung eingestuft wurde. Die Entwicklung habe auch mit „Emotionalisierung durch die lokale Politik zu tun.“

Niemand weiß, wie kurz die Zündschnur ist, bis es zu ernsthaften Drohungen gegen Amtsträger oder mehr kommt.  „Was ich nach vierjähriger Erfahrung feststelle ist. Es gibt wesentlich mehr persönliche Angriffe, es gibt geradezu unterirdisches Verhalten, der Respekt geht verloren“, sagt Bürgermeister Bernd Romanski. Da müsse man sich nicht wundern, wenn das Interesse für Spitzenämter abnimmt.

Auch Ulrike Westkamp, Bürgermeisterin in Wesel, bemerkt, dass die Hemmschwelle sinkt. „Die Wortwahl wird rauer und respektloser. Dies gilt vor allem für Äußerungen in den sozialen Medien und per E-Mails. In der Regel handelt es sich dabei um Leute, die nicht aus Wesel kommen und die ich auch nicht kenne.“ Sie betont aber auch, dass der Kontakt zu den „allermeisten Menschen“, die ihr begegneten, freundlich und offen sei. Kritik gehöre außerdem zu einer Arbeit der Bürgermeisterin dazu. „Jedoch ziehen wir alle Konsequenzen, die im Rahmen des Rechtsstaats möglich sind, sobald Mitarbeiter der Stadtverwaltung oder ich persönlich beleidigt bzw. bedroht werden: Wir informieren umgehend die Polizei und erstatten Anzeige.“ Sich selbst mit einer Waffe zu rüsten gegen Gefahren, sei für sie undenkbar: „Eine Waffe trage ich nicht und werde sie auch in Zukunft nicht tragen. Das wäre für mich das falsche Signal. Die breite Mehrheit unserer Gesellschaft ist friedlich.“

 Mike Rexforth. Gemeindechef in Schermbeck.

Mike Rexforth. Gemeindechef in Schermbeck.

Foto: Helmut Scheffler
 Ulrike Westkamp, Bürgermeisterin in Wesel.

Ulrike Westkamp, Bürgermeisterin in Wesel.

Foto: Jana Bauch (jaba)

Eine Bewaffnung komme für ihn nicht infrage, sagt auch Schermbecks Gemeindechef, der Christdemokrat Mike Rexforth klar. Er sehe keine gestiegene Gefahr für sich, habe auch keine kritischen Situationen erlebt. Eine Waffe zur Selbstverteidigung? „Gott sei Dank sind wir nicht in den USA und ich bin Vater von fünf Kindern, denen ich ein Vorbild sein will.“

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