Neues Buch über Kamp-Lintfort Kriegskinder erzählen ihre Geschichte

Kamp-Lintfort · Im Buch „Kamp-Lintforter Kriegskinder“ berichten Zeitzeugen von ihrem Leben vor, in und nach dem Zweiten Weltkrieg. Stadtarchivar Martin Klüners hat ihre Berichte aufgeschrieben. Wo das Buch ab sofort erhältlich ist.

 Gefangene deutsche Soldaten und Fremdarbeiter werden unter Aufsicht der Besatzungsmacht abtransportiert.

Gefangene deutsche Soldaten und Fremdarbeiter werden unter Aufsicht der Besatzungsmacht abtransportiert.

Foto: Verein Niederrhein

Als der britische Premierminister Winston Churchill im März 1945 auf den Weg ins Casino im Park war, da sah Heinz Paeßens den Wagen am elterlichen Hof vorbeifahren. Es war Paeßens siebter Geburtstag. Am selben Tag konnte die damals 20-jährige Else Faßbender von der Zechenbrücke aus einen Blick auf den prominenten Besuch erhaschen. Es sind Erinnerungen Kamp-Lintforter Kriegskinder. Stadtarchivar Martin Klüners hat viele solcher Zeitzeugenberichte in den vergangenen zwei Jahren gesammelt und aufgeschrieben. Viele Gespräche und Interviews, die er mit Kamp-Lintfortern über die Zeit des Zweiten Weltkrieges geführt hat, waren hoch emotional und sehr berührend. „Es ging um Verfolgung, Gewaltherrschaft und traumatische Erfahrungen“, berichtet Klüners.

 Bürgermeister Christoph Landscheidt und Stadtarchivar Martin Klüners stellen mit den Zeitzeugen Egon Reinert und Anneliese Raber das Buch vor.

Bürgermeister Christoph Landscheidt und Stadtarchivar Martin Klüners stellen mit den Zeitzeugen Egon Reinert und Anneliese Raber das Buch vor.

Foto: Norbert Prümen

Die persönlichen Berichte und privaten Fotos der Frauen und Männer hat er im Buch „Kamp-Lintforter Kriegskinder – Zeitzeugen erzählen von ihrer Kinderheit und Jugend vor, in und nach dem Zweiten Weltkrieg“ zusammengetragen, um sie durch Text- und Bildelemente ergänzt für die Nachwelt zu erhalten. Denn heute gibt es immer weniger Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg mit der jüngeren Generation teilen können.

Egon Reinert, Jahrgang 1935, wohnte 1945 an der Kattenstraße und erinnert sich gut an den Einmarsch der Amerikaner, die mit ihren „dicken“ Panzern durch die Altsiedlung zum Marktplatz fuhren. „Ich holte meine Mundharmonika aus der Tasche und spielte Lili Marleen. Ich schrak zusammen, denn alle Soldaten, die in meiner Nähe waren, klatschten“, erzählte der Kamp-Lintforter bei der Buchvorstellung am Donnerstag im Kamp-Lintforter Rathaus. Martin Klüners konnte insgesamt 18 Zeitzeugen gewinnen, die bereit waren ihre Erinnerungen zu teilen und subjektiv Zeugnis abzugeben.

„Es sind ganz unterschiedliche Berichte, die in einzelnen Episoden erzählt werden“, sagt Kulturdezernent Christoph Müllmann und kann sich ganz gut vorstellen, dass das Buch auch für den schulischen Einsatz geeignet ist, um Welt- und Lokalgeschichte nicht nur miteinander zu verknüpfen, sondern auch jungen Menschen zu vermitteln. Die Idee, Zeitzeugenberichte zu sammeln, entstand vor zwei Jahren, als sich das Kriegsende zum 75. Mal jährte. „Ich habe damals eine Pressemitteilung mit Dokumenten aus unserem Archiv zusammen mit einem Aufruf veröffentlicht“, erinnert sich der Stadtarchivar. Die individuellen Schicksale spiegelten wider, auf welch unterschiedliche Weise der Krieg von den Augenzeugen erlebt wurde – an der Front, in der Heimat, auf Bauernhöfen oder in von Bombardements betroffenen Siedlungen. „Die heute noch lebenden Zeitzeugen haben den Zweiten Weltkrieg als sehr junge Menschen, meist Kinder, erlebt“, schreibt er im Vorwort seines Buches. „Sie gehören damit zu jenen Jahrgängen, die man im weiteren Sinne gemeinhin als Kriegskinder bezeichnet.“

Kamp-Lintfort sei zu jener Zeit politisch betrachtet drei geteilt gewesen. Im katholischen Kamp habe man die „Zentrumspartei“ gewählt, in Hoerstgen Deutsch-National, und Lintfort sei „rot“ gewesen. „Von Lintfort ging der Widerstand aus“, fasst Klüners zusammen. Zeitzeugin Anneliese Raber, Jahrgang 1931, stimmte ihm zu: „Lintfort war immer rot“, erklärte sie. Bürgermeister Christoph Landscheidt freut sich über die Buchveröffentlichung. „Es ist schön, dass unsere Stadtarchivare immer auch wissenschaftlich engagierte Menschen sind, die nicht nur die Archivierung unserer Unterlagen sicherstellen, sondern erkunden, untersuchen und beleuchten. Das Buch-Ergebnis beeindruckt. Es erzählt lebendige Geschichte“, so der Bürgermeister.

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