Viele Wirkstoffe werden in wenigen Werken in China und Indien produziert Lieferengpässe bei Medikamenten

Wermelskirchen · Die Apotheken schlagen Alarm: Immer mehr Medikamente sind nicht mehr erhältlich. Die Ursachen seien vielfältig, heißt es beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

 Verschiedene Pillen und Tabletten liegen auf einem Teller.

Verschiedene Pillen und Tabletten liegen auf einem Teller.

Foto: Matthias Hiekel/dpa

Wenn ein Patient mit einem Rezept in die Bergische Apotheke zu Petra Peil kommt, dann genügt ein fachmännischer Blick. Ist das Medikament vorrätig? Ist es lieferbar? In den vergangenen anderthalb Jahren stößt die Apothekerin wie ihre Kollegen in ganz Deutschland dann immer öfter an ihre Grenzen. „Es gibt Lieferengpässe für viele verschiedene Medikamente“, sagt Petra Peil, „das geht durch die Bank.“ Ob blutdrucksenkende Mittel oder Arzneien, die Schmerzen lindern sollen, ob Mittel zur Behandlung der Schilddrüse oder von Depressionen: Fast alle Bereiche seien betroffen und es spitze sich weiter zu.

„Die Patienten trifft diese Entwicklung noch nicht so hart“, sagt die Apothekerin, „wir versuchen, Lösungen zu finden.“ Und das bedeutet: Die Mitarbeiter der Apotheken sind in ständiger Rücksprache mit den Ärzten. Welche Ersatzpräparate sind möglich? Welche alternativen Medikamente können helfen? „Damit ist der Arbeitsaufwand für uns und für die Ärzte in den vergangenen Monaten enorm gestiegen“, sagt Petra Peil. Und auch manch ein Patient ist verunsichert. Denn Medikamentenumstellungen bringen auch für den Verbraucher Fragen mit sich. „Nicht jedes Medikament bekommt jedem Patienten“, erklärt Petra Peil. Und wenn Patienten gut eingestellt sind, könne sie eine Medikamentenumstellung auch verunsichern.

Auf der Suche nach den Ursachen, laufen Apotheker bei Nachfragen bei der Industrie meistens schnell ins Leere. „Wenn während einer Grippewelle die Medikamente knapp werden, dann ist das nachvollziehbar“, sagt Petra Peil. Wenn allerdings Medikamente über Wochen und Monate nicht lieferbar seien und die Hersteller keine verlässlichen Informationen geben könnten, dann blieben Fragen offen. Die neuen Rabattverträge der Krankenkassen würden zu weiteren Einschränkungen auf der Suche nach Alternativen führen.

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) findet nur bedingt Antworten. „Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig“, sagt Pressesprecher Andreas Aumann. Wenn ein Zulieferer Wirkstoffe oder einen Grundstoff zu spät liefere, könne das zu Verzögerungen führen. Auch größere Maschinenstörungen könnten eine Ursache für Lieferengpässe sein. Und auch der Anstieg des Bedarfs habe Einfluss darauf, wie schnell ein Medikament lieferbar sei. Ein Hauptgrund für mögliche Lieferschwierigkeiten sei aber die weltweite Konzentration der Wirkstoffproduktion. Viele Wirkstoffe werden in wenigen Werken in China oder Indien produziert. Dies sei dem globalen Kostendruck im Gesundheitswesen geschuldet – während die weltweite Nachfrage gleichzeitig steige. Das gelte auch für Impfstoffe. Und der Aufbau einer neuen Produktionsstätte könne in diesem Bereich bis zu zehn Jahren dauern.

„Ein weiterer Grund sind die hohen Sicherheitsstandards: Bei dem kleinsten Verdacht etwa auf Verunreinigung wird aus Sicherheitsgründen die Produktion und Auslieferung angehalten“, erklärt Aumann. Dann seien Lieferengpässe der Preis für das hohe Sicherheitsniveau.

Beim Bundesverband klingt dann aber auch die Kritik mit, die Petra Peil auch in Wermelskirchen andeutet: „Lieferengpässe sind auch politisch hausgemacht“, sagt Aumann und meint vor allem Rabattverträge und den damit erzeugten Preisdruck. „Solange Krankenkassen die Preise von Medikamenten bis in den Cent-Bereich pro Tagesbehandlung drücken können, wird die Versorgung der Patienten gefährdet“, kritisiert der BPI.

Deswegen fordert der Verband: Es dürfe grundsätzlich erst Ausschreibungen für Arzneimittel geben, wenn mindestens vier Anbieter im Markt sind und die Krankenkassen an mindestens drei Anbieter Zuschläge erteilen müssten – von denen mindestens einer den Standort seiner Produktionsstätte in der EU nachweisen muss.

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