Serie 900 Jahre Wildenrath Vom Militärflugplatz zum Zugtestgelände
Wildenrath · Wind Nord/Ost, Startbahn null-drei — zur Geschichte von Wildenrath gehört der RAF-Flugplatz, auf dem heute Züge getestet werden.
„Und der nasse Asphalt bebt
Wie ein Schleier staubt der Regen
Bis sie abhebt und sie schwebt
Der Sonne entgegen“ (Reinhard Mey)
Die Motoren, die über die Stadtgebiete von Wegberg, Wassenberg, Hückelhoven und Erkelenz donnerten, gehörten den Bombern der Royal Air Force, der britischen Luftwaffe, die von 1952 bis 1992 auf dem Flugplatz stationiert waren, in wenigen Metern über die Wassenberger Oberstadt donnerten, mit dem Höllenlärm auch die pensionierten Bergleute in der 1953 gegründeten und 1963 erweiterten „Feierabendsiedlung“ nervten, Gläser und Geschirr in den Schränken zum Klirren brachten.
Canberra, Harrier und Phantom waren stationiert, manchmal ergänzte der riesige Deltaflügel-Bomber Vulcan die Höllenmaschinen. Der Flugbetrieb verhinderte den Kohleabbau und trug mit zum Ende der Zeche Sophia-Jacoba bei, wegen Bergschadensgefahr durften die 40 Millionen Tonnen bester Steinkohle unter der Rollbahn und dem weiteren Gelände nicht abgebaut werden. Der Schließungsbeschluss für Sophia-Jacoba kam etwa gleichzeitig mit der Schließung des Flugplatzes. Da waren die Pop- und Rockkonzerte nach dem Ende der Anlage angenehmerer Lärm, wenn auch lauter als Reinhard Mey. So konnte man am Samstag, 25. Juni 1994, gegen (eine laue) Mitternacht selbst in der Hückelhovener Innenstadt das wohl berühmteste Gitarrenriff aller Zeiten, „Smoke on the water“ von und mit „Deep Purple“ live hören. Man konnte also über Luftlinie circa sieben Kilometer die 88 D-Mark Eintritt sparen, und das beim Bier auf der eigenen Terrasse.
Neue Nutzungen für die Unterhaltungsindustrie lagen also im Bereich des Möglichen – riesige Rockkonzerte fanden bereits seit 1993 statt, Filme wurden bereits gedreht, 1993 hatte das Land NRW Filmstudios dort in Planung — doppelt so groß wie Hollywood, differenzierte Arbeitsplätze für bis zu 3500 Menschen auf sechs Millionen Quadratmetern Fläche. Den Film dirigierte NRW nach Bottrop — nach Wildenrath kam das Oval, das Testzentrum für Schienenfahrzeuge des Elektro-Multis Siemens mit seinem 6,1 Kilometer langen Rundgleis, wo am 6. März 1997 mit der Lok 152 das erste Testobjekt losfuhr, das mit etwa 140 Stundenkilometern halb so schnell war wie der Phantom-Bomber beim Start. In der Lärmentwicklung allerdings im Nano-Bereich des Militär-Jets lag. Auch leiser als die Jungs von „Deep Purple“, und damit auch unhörbar für die Hückelhovener Innenstadt.