Einsturzgefährdete Gänge Kasematten werden wieder hergerichtet

Brüggen · An der Burg Brüggen haben Fachleute damit begonnen, die teils einsturzgefährdeten Gänge zu sichern. Einst wurden sie zur Verteidigung der Burg genutzt. Bald sollen Touristen die Gänge besichtigen können

 Ein schmiedeeisernes Tor versperrt den Eingang zur westlichen Kasematte. Sie soll bald wieder begehbar sein.

Ein schmiedeeisernes Tor versperrt den Eingang zur westlichen Kasematte. Sie soll bald wieder begehbar sein.

Foto: Jana Bauch

Wer Brüggen besucht, kommt an der Burg nicht vorbei. Sie ist „das Herzstück der Gemeinde“, wie Bürgermeister Frank Gellen (CDU) es formuliert, und sie hat der Burggemeinde ihren Namen gegeben. Ein Teil der Burg war in den vergangenen Jahren für Besucher nicht zugänglich: die Kasematten, jene Gewölbegänge, die die Brüggener einst anlegten, um ihre Burg verteidigen zu können.

Nach Einschätzung von Experten wurden die Kasematten zwischen 1520 und 1550 angelegt. Damals gab es gute Gründe, feste Wehranlagen zu schaffen. In seiner „Geschichte des Amtes Brüggen“ berichtet Joseph Deilmann davon, wie immer wieder fremde Heere und Söldnergruppen durchs Land zogen, die der Bevölkerung, ihren Häusern und ihrem Vieh großen Schaden zufügten. Schon um 1500 war Brüggen Deilmann zufolge befestigt. Alte Rechnungen belegen, dass damals und in den Folgejahren Geld ausgegeben wurde, um Tore, Türme und Gänge instandzuhalten. Gräben und Erdwälle kamen hinzu, und das System funktionierte: Truppen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, die 1651 gegen Brüggen vorrückten, hatten mit ihrem Angriff keinen Erfolg.

Die Geschichte der Menschen auf der Burg soll nun bald wieder erlebbar werden: Fachleute haben damit begonnen, die Kasematten wieder herzurichten. Bald sollen Besucher bei Führungen die unterirdischen Gänge besichtigen können, ohne fürchten zu müssen, dass ihnen ein Teil der Decke auf den Kopf fällt oder gar das ganze Gewölbe über ihnen zusammenstürzt. Unwahrscheinlich ist das derzeit nicht: Ein Teil der Kasematten ist einsturzgefährdet.

Gestern stellten nun Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und Vertreter der an der Umgestaltung beteiligten Firmen das Vorhaben vor. Um die Sicherung der Kasematten kümmern sich die Tiefbaufirma Solbach aus Viersen und die Bauwerkstatt Reuter aus Brüggen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Kasematten „in den nächsten 50 Jahren nicht zusammenfallen“, wie es Architekt Benjamin Beltz formulierte. Denn die Liste der Schäden ist lang: Joachim Zeune vom Büro für Burgenforschung, der für die Kasematten ein Sanierungskonzept erstellte, entdeckte teils erhebliche Schäden, von denen durch den Menschen, andere ohne ihn entstanden.

Die Arbeiten begleiten Archäologen der Außenstelle Xanten des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), denn die Kasematten sind auch für Archäologen spannend, wie Martin Vollmer-König, Leiter des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege, erklärte: Bodendenkmäler seien für die Bevölkerung häufig nicht sichtbar und deshalb in den Köpfen nicht präsent. Dabei sei es gesetzlicher Auftrag, Bodendenkmäler zu erhalten, zu schützen und der Öffentlichkeit auch zugänglich zu machen, so Vollmer-König.

Umso erfreuter zeigte er sich, dass die Gemeinde Brüggen einen Weg gefunden hat, die Kasematten auf mehrere Arten künftig zugänglich zu machen. Sind die Gänge wieder sicher begehbar, werden Einheimische und Touristen sie besichtigen können. Sie werden mit Hilfe einer App, die man aufs Smartphone oder iPad laden kann, aber auch erfahren können, wie die Kasematten zu verschiedenen Zeiten aussahen und wie sie genutzt wurden: Menno Mennenga von der Firma Reunion Media kümmerte sich dafür um die virtuelle Rekonstruktion der Gewölbe. Auf Smartphone oder iPad sehen Besucher dann bei der Erkundung der östlichen Kasematte, wie man von dort zu Beginn des 16. Jahrhunderts Hakenbüchsen präparierte, um damit auf anrückende Feinde zu schießen. In der westlichen Kasematte zeigt die App, wie es dort im Zweiten Weltkrieg aussah, als Brüggener Bürger die Kasematten als Luftschutzbunker nutzten, sich bei Fliegerangriffen dort in Sicherheit brachten – ältere Einwohner erinnern sich heute noch daran. Manches Relikt der vergangenen Jahrzehnte, als die Kasematten von der Dorfjugend zum Knutschen genutzt wurden, ist übrigens auch noch erhalten. Die Schriftzüge sind Liebeserklärungen an Jessica und Katja. Und Sascha war da. Auch das erfahren Besucher durch den Schriftzug an der Gewölbe-Wand.

 Dieser Gang im östlichen Teil ist einsturzgefährdet.

Dieser Gang im östlichen Teil ist einsturzgefährdet.

Foto: Ronge, Birgitta (biro)
 In der Decke der östlichen Kasematte sind tiefe Risse zu sehen.

In der Decke der östlichen Kasematte sind tiefe Risse zu sehen.

Foto: Ronge, Birgitta (biro)
 Die Planung ist gemacht, jetzt sind Mitarbeiter der Firma Solbach und der Bauwerkstatt Reuter am Zuge.

Die Planung ist gemacht, jetzt sind Mitarbeiter der Firma Solbach und der Bauwerkstatt Reuter am Zuge.

Foto: Knappe, Jörg (jkn)
 Der Blick aufs Smartphone entführt ins 16. Jahrhundert.

Der Blick aufs Smartphone entführt ins 16. Jahrhundert.

Foto: Ronge, Birgitta (biro)
 Ein Relikt aus jüngerer Zeit ist die Liebeserklärung an Katja M., zu sehen in der westlichen Kasematte.

Ein Relikt aus jüngerer Zeit ist die Liebeserklärung an Katja M., zu sehen in der westlichen Kasematte.

Foto: Ronge, Birgitta (biro)

Ende Oktober sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Burggemeinde hat schon iPads angeschafft, damit Besucher sie dann bei der Tourist-Info in der Burg ausleihen können. Wie Bürgermeister Frank Gellen ist auch Bauamtsleiter Dieter Dresen stolz auf das Projekt, das nach knapp vier Jahren Planung nun endlich umgesetzt wird. „Wenn man so etwas hat wie die Kasematten, dann soll man das auch herzeigen“, sagt Dresen. „Das stärkt unsere touristische Basis.“

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