Standortanalyse Viersen Wie gut ist der Wirtschaftsstandort Viersen?

Viersen · In einer repräsentativen Umfrage der IHK geben Viersens Unternehmen den harten Standortfaktoren gute Noten. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Wirtschaftsstandort in vielen Bereichen verschlechtert.

IHK-Umfrage zeigt Viersens Plus- und Minuspunkte auf
Foto: Martin Röse

Bei den harten Standortfaktoren ist der Wirtschaftsstandort Viersen besser als sein Ruf – dennoch hat die Kreisstadt im Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe und Struktur häufig das Nachsehen. Auch im Vergleich mit anderen Städten und Gemeinden am Mittleren Niederrhein schneidet die Kreisstadt Viersen schlechter ab. Das ist das Ergebnis einer Standortanalyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, für die gut 150 Viersener Betriebe mit rund 4000 Beschäftigten befragt wurden. „Die Befragungsergebnisse sind repräsentativ“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz bei der Vorstellung der Ergebnisse vor rund 100 Zuhörern aus Politik und Wirtschaft in der Villa Marx. Zuletzt gab es eine solche Analyse der IHK vor acht Jahren.

Harte Standortfaktoren: Wo schneidet Viersen gut ab?

Bei zwölf der 16 harten Standortfaktoren geben die Unternehmer Viersen überdurchschnittlich gute Noten: Den besten Wert erzielt die Verkehrsanbindung ans Straßen- und Autobahnnetz. Gefolgt vom „Zustand der überörtlichen Straßeninfrastruktur“ und der Flughafenanbindung. Auch die Nähe zu Kunden und Zulieferern, die ÖPNV-Verkehrsanbindung, die Grundstücks-, Miet- und Pachtpreise sowie das Wohnungsangebot werden positiv bewertet.

Welche Standortfaktoren sehen die Unternehmer negativ?

Den schlechtesten Wert vergeben die Firmen für die Anbindung ans schnelle Internet. Der Breitbandanschluss ist für die Unternehmen in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Mittlerweile ist es für die Firmen der wichtigste harte Standortfaktor überhaupt –  noch vor der Verkehrsanbindung. Immerhin: Das Gewerbegebiet Mackenstein soll noch in diesem Jahr Glasfaseranschluss erhalten; zwei weitere Gewerbegebiete folgen im Jahr 2019. Auch die Gewerbeimmobilien werden als weniger befriedigend eingestuft – ebenso das Image des Standorts Viersen.

Ist Fachkräftemangel in Viersen ein Thema?

Und ob! Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften vor Ort ist für die Firmen beim Thema Arbeitskräfte der wichtigste Faktor – und er erhält in der Standortanalyse zugleich die schlechteste Note. Auch die Arbeitskräftequalifikation wird als „weniger befriedigend“ eingestuft, ebenso die Lernqualität in den Berufsschulen. Ebenfalls ein Problem: Trotz des massiven Ausbaus in den vergangenen Jahren fehlen Kita-Plätze in Viersen – das spielt nach Ansicht der IHK im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel eine bedeutende Rolle. „Wir treiben den Ausbau weiter voran“, kündigte Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) an. Große Hoffnungen setzen die Firmen auf einen Ausbau der Regiobahn-Linie S28 von Düsseldorf über Kaarst hinaus nach Viersen. 50 Prozent sehen eine hohe oder sehr hohe Bedeutung in dem Projekt, da so externe Fachkräfte einen besseren Zugang zum Viersener Arbeitsmarkt bekommen könnten.

Wie beurteilen die Unternehmen die kommunalen Kosten und Leistungen?

15 Faktoren wurden abgefragt, gerade mal drei bewerten die Firmen gut: allem voran den Service der Wirtschaftsförderung, aber auch die Öffnungszeiten der Behörden sowie die Aktivitäten von Stadt- und Citymarketing. Die anderen zwölf Faktoren, die von den Unternehmen nahezu alle als wichtiger eingeschätzt werden, erhielten hingegen deutlich schlechtere Bewertungen: die Höhe von Gewerbe- und Grundsteuer, aber auch die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren. Ein Viersener Unternehmer berichtete von einem Genehmigungsverfahren, an dem drei Ämter beteiligt seien und das sich mittlerweile über 20 Monate erstrecke. Er betonte allerdings, dass es sich dabei nicht allein um Ämter der Stadt Viersen handele. Bürgermeisterin Sabine Anemüller räumte ein, dass auch innerhalb der Stadt die Genehmigungsverfahren wegen Personalmangels länger dauerten. „Wir haben eigentlich das Ziel von drei Monaten. Das haben wir nicht immer eingehalten.“

Wie steht’s mit der Gewerbesteuer?

Lediglich Tönisvorst und Grefrath erheben im Kreis Viersen höhere Gewerbesteuersätze als die Stadt Viersen – und die Verwaltung schlägt vor, den Hebesatz im kommenden Jahr um zehn auf 460 Punkte anzuheben. „Das ist ein schleichendes Gift“, kritisierte IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz. „Dadurch werden zwar keine Firmen abwandern, aber es erschwert die Neuansiedlung von Betrieben.“ Bürgermeisterin Anemüller verteidigte die geplante Steuererhöhung: „Es ist nach 16 Jahren das erste Mal, dass wir die Gewerbesteuer leicht erhöhen.“ Sonst könne die Stadt Leistungen nicht mehr bezahlen, von denen alle Bürger profitierten. Mit ein Problem: Zwar stieg die Steuereinnahmekraft der Stadt Viersen in den vergangenen fünf Jahren um knapp 15 Prozent an. Doch das ist gerade einmal halb so viel wie im NRW-Schnitt (28,6 Prozent). Und beim Blick auf die zehn Vergleichskommunen, die Viersen von Größe und Struktur ähneln, fällt auf: Sieben der zehn konnten ihre Steuereinnahmekraft zum Teil deutlich stärker steigern – allen voran Ratingen (plus 64 Prozent), Wesel (plus 48 Prozent) und Minden (plus 43 Prozent).

Wo hat sich Viersen in den vergangenen Jahren aus Sicht der Unternehmen verbessert?

Bessere Noten als bei der IHK-Standortanalyse 2010 bekam die Stadt bei der Verkehrsanbindung, bei den Energie- und Abfallkosten, bei der Höhe öffentlicher Gebühren und bei der Bestandspflege ortsansässiger Betriebe.

In welchen Bereichen hat sich die Kreisstadt verschlechtert?

Schlechtere Noten als vor acht Jahren gab’s bei der Höhe der Gewerbe- und Grundsteuer, der Internet-Anbindung, der Verfügbarkeit von Arbeitskräften vor Ort. Ebenfalls verschlechtert: die Qualifikation der Arbeitskräfte vor Ort, die Kooperation öffentlicher Ämter, die behördlichen Reaktionszeiten, die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren, das Parkplatzangebot und die Lohnhöhe.

Was empfiehlt die Industrie- und Handelskammer?

In fünf Punkten gibt die Industrie- und Handelskammer Handlungsempfehlungen: Die Stadt solle die Standortkosten im Blick behalten und alle Prozesse, in denen Unternehmen eine Rolle spielen, auf Effizienz prüfen. Zweitens: Der Breitbandausbau solle weiter vorangetrieben werden. Drittens: Die technische und personelle Ausstattung der Schulen, insbesondere der Berufsschulen, müsse verbessert werden. Auch eine Kooperation von IHK und Stadt Viersen zum Thema Ausbildung sei denkbar. Viertens: Bei der Verkehrsinfrastruktur sei eine Verlängerung der S28 ebenso wünschenswert wie eine IC-Verbindung Düsseldorf–Eindhoven über Viersen. Und fünftens: Die IHK ruft die Stadt Viersen aus, eine zukunftsweisende Flächenpolitik zu betreiben. Die Unternehmen sind laut Umfrage der Auffassung, dass Flächen und Immobilien zu teuer und zu wenig vorhanden sind.

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