Buchtipp der Stadtbücherei Tönisvorst Wie es ein Zehnjähriger ins „Pink Floyd“-Konzert schaffte

Tönisvorst · Carmen Alonso, Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt unseren Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Die Kinder hören Pink Floyd“ von Alexander Gorkow.

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Neben meinem Bett findet sich stets ein Bücherberg, aus dem ich je nach Zeit und Lesestimmung etwas herausfische: Den neuesten Bestseller, den „Muss ich endlich einmal lesen!“-Band oder spontan etwas zu einem besonderen Anlass. Wie nun dieses Buch.

Autor Alexander Gorkow beschreibt in seinem autobiographisch geprägten Roman eine Kindheit und Jugend in den 70er-Jahren. Die Hauptfigur ist zehn Jahre alt, überaus naiv und voll überbordender Phantasie (bei einem Schulklassenbesuch der Städtischen Kläranlage sorgt er sich heimlich: Sind die Bakterien da auch satt?!). Dank seiner älteren Schwester hat er eine Vorliebe für Musik entwickelt, und sein Musikgeschmack ist eindeutig: Pink Floyd! So verbringt er seine Schultage aus dem Fenster starrend, denn bei gründlicher Konzentration müsste es doch möglich sein, Kontakt zu den Rock-Musikern von Pink Floyd aufzunehmen und eine Botschaft zu empfangen. Bei den Lehrern kommt das nicht gut an, und täglich folgen Bestrafungen und Backpfeifen, das damalige Schulsystem pflegte offenbar noch andere pädagogische Werte. Dies berührt den Jungen aber nur am Rande: Für ihn zählen nur die Band und seine Schwester; die 16-Jährige wurde mit einem Herzklappenfehler geboren, ihre Mutter hatte während der Schwangerschaft ein gewisses Beruhigungsmittel der Firma Grünenthal eingenommen. Die Ärzte, auch sie noch vom alten Schlag, sagen ihr kaltschnäuzig keine lange Lebensdauer voraus, aber die junge Frau ist lebenshungrig und frech und erklärt dem kleinen, stotternden Bruder auf ihre direkte Art das Leben: Themen wie Aufklärung, Vietnamkrieg, die deutsche verkrustete Nachkriegsgesellschaft, das üble Establishment – die Deutungen dazu übernimmt sie. Am Ende schaffen es die Geschwister in das legendäre „The Wall“-Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle (15. Februar 1981), für die Hauptfigur ein prägendes Erlebnis.

Dieser Roman ist mit viel trockenem Humor erzählt, ungemein kurzweilig und zugleich tief berührend. Es ist eine Hommage an eine Kindheit in der versunkenen Zeit von „ZDF Hitparade“, Grilltellern im Balkan-Grill, von Krisen, Umbrüchen und Veränderungen. Wer sich in Düsseldorf ein wenig auskennt, wird zudem den ein oder anderen Ort wiedererkennen (Feinkost Münstermann oder Funkhaus Evertz, damals Düsseldorfs größtes HiFi- und Plattengeschäft). Alle Personen sind wunderbar beschrieben, wie der Vater, der sich in „seinem“ Wohnzimmer saftige politische Diskussionen mit seiner pubertierenden Tochter liefert; oder Nachbarin Frau Schwertfeger, die gerne der Nachbarschaft auflauert und die Mutter beim Verlassen des Drogeriemarktes über die Straße anblökt: „Ach, die schöne Frau Grokow, wieder Parfüm am Kaufen. ,La Dolce Vita‘, was?“

Und es ist eine Ode an die Magie der Musik. Nicht umsonst widmet der Autor sein Werk dem legendären Konzertveranstalter Marek Lieberberg. Das Buch-Cover ist farblich „Dark Side of the Moon“ nachempfunden, einem der weltweit meistverkauften Musikalben der Geschichte.

Alexander Gorkow (Jahrgang 1966) ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist und bekannt durch seine zahlreichen, preisgekrönten Künstler-Interviews. In dem Epilog schildert er, wie er beruflich mehrmals auf Pink Floyd traf und die Entwicklung der einzelnen Musikerpersönlichkeiten verfolgte. Mehr Pink Floyd geht nicht!

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