Restaurierung in Rheinberg Jetzt spielt das Pianola wieder von allein

Rheinberg · Der Rheinberger Gerhard Weisel hat ein mehr als 100 Jahre altes selbstspielendes Klavier aufwendig restaurieren lassen. Es ist ein Familienerbstück.

 Gerhard Weisel an seinem Pianola. Der Chemiker kann selbst gar nicht Klavier spielen.

Gerhard Weisel an seinem Pianola. Der Chemiker kann selbst gar nicht Klavier spielen.

Foto: Fischer, Armin (arfi )/Fischer, Armin ( arfi )

RHEINBERG Von außen mutet es an wie ein gut erhaltenes altes Klavier; eines, wie es vielleicht noch in vielen Wohnzimmern zu finden ist. Der Holzkorpus, an dem zwei Kerzenleuchter angebracht sind, glänzt tiefschwarz. Die seltene Besonderheit offenbart sich erst beim Blick ins Innere des Musikinstruments: „Es ist eben nicht nur ein Klavier, sondern auch ein Pianola“, erzählt der Rheinberger Gerhard Weisel. Eines dieser selbstspielenden Klaviere, die in Mode waren, bevor Schallplatte und Radio ihren Siegeszug angetreten haben.

In der Tat: Im Korpus verbirgt sich ein wahres Wunderwerk der Mechanik. Hinter einer kleinen Schiebetür steckt eine etwa 30 Zentimeter breite und mehrere Meter lange Notenrolle. Eine Art Lochstreifen aus Papier, über den vorgefertigte Melodien wiedergegeben werden können. „Angetrieben“ wird das „Pianola“ mit Unterdruck, der durch das Treten von zwei Pedalen erzeugt wird. Jede der 84 Tasten verfügt über einen eigenen Tonbalg. Werden die Pedale getreten, so heben sich die schwarzen und weißen Tasten zur Musik wie von selbst, ohne dass ein Klavierspieler seine Finger darüber gleiten lässt.

 Ein Blick ins Innere des Instruments.

Ein Blick ins Innere des Instruments.

Foto: Fischer, Armin (arfi )/Fischer, Armin ( arfi )

Seit  über 40 Jahren steht das alte „selbstspielende Klavier“ im Wohnzimmer des pensionierten Doktor der Chemie in Rheinberg. „Es ist ein Erbstück meines Vaters“, erzählt der Wahl-Rheinberger. Und damit eine Erinnerung an die Kindheit in Braunschweig, als der heute 92-Jährige gemeinsam mit seiner Schwester das Instrument „bespielte“.  „Wir haben natürlich nur so getan und hatten viel Freude dabei“, schmunzelt der ehemalige Solvay-Angestellte. Sein Vater Prof. Dr. Heinrich Weisel hatte das Klavier in den 1930er Jahren für seine Frau erworben, die Klavier spielte. „Gemeinsam mit ihrer Schwester, die Sängerin war, hat meine Mutter regelmäßig musiziert“, erinnert sich Weisel.

Viele Jahrzehnte hat er den Klang des „Pianolas“ nicht mehr gehört, ebenso lange lagen die 22 Notenrollen mit den verschiedenen Melodien ungenutzt, aber wohlgeordnet im Schrank. Doch das mechanische Meisterstück zu verkaufen, daran hat Weisel in all’ den Jahren nie gedacht. „Das hätte ich nicht übers Herz gebracht“, gibt er zu. Eben dieses „Pianola“ sei neben einem Schrank das einzige Möbelstück gewesen, das die Kriegswirren überstanden habe, weil sein Vater es ausgelagert hatte. Während das Zuhause in Braunschweig den Bomben zum Opfer gefallen sei, habe das „Pianola“ in einer Dorfscheune die Jahre überdauert. Dennoch hatte vor allem Feuchtigkeit dem Tasteninstrument aus dem Jahr 1908 arg zugesetzt. „Die Pneumatik war defekt und auch das Papier der Notenrollen hat stark gelitten, nun wellt es sich in Teilen“, berichtet Weisel. Auch für dieses Problem muss noch eine praktikable Lösung her. Vor rund 20 Jahren packte ihn erstmals der Ehrgeiz, das mechanische Wunderwerk selbst zu restaurieren. Dazu hat er sich in Fachliteratur vertieft, einen Orgelbauer zu Rate gezogen, die Pneumatik sogar ausgebaut. Dann aber stieß der handwerklich geschickte Chemiker an seine Grenzen. „Allein die Frage der ganzen Ersatzteile war für mich nicht zu lösen“, gibt er zu. Also ruhte das Projekt „Pianola“ wieder. Bis jetzt. Nach langer Recherche im Internet und auf Empfehlung hat Weisel das seltene Schmuckstück in einem Atelier für mechanische Musikinstrumente in Neu-Isenburg fachgerecht und für nicht wenig Geld restaurieren lassen. Anderthalb Jahre hat das gedauert.

Warum macht man so etwas? „Ein bisschen Nostalgie gepaart mit einem kleinen Spleen“, sagt der Rheinberger mit einem Augenzwinkern. Das „Pianola“ sei sozusagen sein Oldtimer, sei aber umweltfreundlich. Übrigens: Selbst Klavier spielen kann Weisel nicht. Als Student hate er einige Musikstunden genommen, das Hobby aber sehr schnell wieder aufgegeben. Er habe nur mäßig Talent, sagt er selbstkritisch.

Anfänglich sind seine Pläne, das über 100 Jahre alte „Pianola“ zu restaurieren und damit zu neuen Ehren kommen zu lassen, übrigens nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Mittlerweile aber ist auch bei Ehefrau Heidi und Tochter Astrid die Freude über die wieder hergestellte Funktionsfähigkeit groß.

Was jetzt noch fehlt? „Der Klavierstimmer“, schmunzelt Weisel. Aber der sei schon bestellt. Und: eine Notenrolle von einem Werk von Beethoven. Das wäre für Gerhard Weisel – ausgerechnet im Beethoven-Jahr – ein ganz besonderer Abschluss der Restaurationsarbeiten.

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