Korschenbroich Zu wenig Psychotherapeuten

Korschenbroich · Immer mehr Menschen leiden an psychischen Erkrankungen. Die Zahl der Fachärzte allerdings ist nicht nur in Korschenbroich seit dem Jahr 1999 unverändert. Insbesondere Kassenpatienten warten Monate auf einen Termin.

Burnout, Angststörung, Depression – seit Jahren nehmen die psychischen Erkrankungen zu. Wer allerdings einen Therapieplatz sucht, braucht Geduld, Geld oder gute Kontakte. "Für Kassenpatienten ist es derzeit nahezu unmöglich, einen Termin zu bekommen. Auch nicht bei akuten Beschwerden", sagt Stefanie Simon (44), die als Heilpraktikerin für Psychotherapie in Korschenbroich arbeitet. Neun bis zwölf Monate müsste ein Kassenpatient auf einen Termin warten.

Bei Dr. Monika Besta, Fachärztin für Allgemeinmedizin, leiden inzwischen "70 Prozent der Patienten an psychosomatischen Krankheiten". Weshalb die Ärztin ihre Sprechstunden in den Abend hinein verlängert hat. "Man kommt vormittags nicht dazu, die notwendigen Gespräche zu führen." Schlimmstenfalls gelte es, die Betroffenen mit Medikamenten stabil zu halten, bis sie einen Therapieplatz ergatterten.

Zwei Ärzte mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung und ein Psychotherapeut sind in Korschenbroich zugelassen. Seit 1999 ist die Zahl trotz massivem Anstieg der Krankheitsfälle unverändert. "Zurzeit arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss an einer neuen Bedarfsermittlung", informiert Karin Hamacher, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Wann allerdings mehr Fachkräfte zugelassen werden, kann auch sie nicht beantworten. Fehlen würden insbesondere Psychotherapeuten, die auf Kinder und Jugendliche spezialisiert sind. "Bei jungen Menschen haben die psychischen Erkrankungen ebenso stark zugenommen wie bei den Erwachsenen", weiß Karin Hamacher.

Während Ärzte anderer Fachrichtungen an manchen Tagen 50 Patienten behandeln, nimmt das Heilen der Seele mehr Zeit in Anspruch. "Psychotherapie ist kein Fließbandverfahren", betont Hamacher. "Viele Therapeuten verkraften nur eine bestimmte Anzahl von Patienten in der Woche." Hinzukäme: Mehr Menschen seien bereit, Hilfe zu suchen. "Vor 30 oder 40 Jahren existierte noch eine Hemmschwelle, sich psychologisch behandeln zu lassen. Sie ist weggefallen", sagt Karin Hamacher.

"Die Auflösung der Familienstruktur, die ständige Erreichbarkeit und digitale Vernetzung, der Leistungsdruck: Es gibt viele Gründe für diesen negativen Trend", sagt Dr. Monika Besta. "Die Menschen sitzen sozusagen nicht mehr im Bimmelzug, sondern heute ständig im ICE." Auch Stefanie Simon betont: "Die Anforderungen an die Menschen sind gerade in der Arbeitswelt gestiegen."

(NGZ)
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