Ansichtssache Nie mehr nach Wuppertal fahren

Remscheid · Die Freude über das neue Kino am Hauptbahnhof ist bei den Remscheidern groß. Doch die Stadt ist kein leichtes Pflaster für den Verkauf von Emotionen. Es wäre schade, wenn die alte Idee der Filminitiative nicht wiederbelebt wird.

Florian David Fitz bei der Kino-Eröffnung in Remscheid
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Kino-Eröffnung in Remscheid

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Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Eine ganze Generation an Schülern ist in Remscheid aufgewachsen, die in ihrer Stadt nicht ins Kino gehen konnte, weil es kein Kino gab. Nach Wuppertal zu fahren, oder gar nach Radevormwald – das hatte für Schüler wenig Charme. Wenn man es hart ausdrücken will, diese Generation ist betrogen worden um eine entspannte Teilhabe an einem wichtigen Teil des kulturellen Lebens.

Niemanden trifft Schuld. Aber der Rückblick auf die kinolose Zeit stimmt bedenklich und zeigt, wie schnell das kulturelle Leben Schlagseite bekommen kann, wenn etwas wegbricht, was über Jahre als selbstverständlich galt. Gut, dass die Schlagseite nach sieben Jahren wieder behoben ist. Die Investition von 15 Millionen Euro in den Standort Remscheid ist eine mutige Entscheidung. Denn die Gruppe der klassischen Kinogänger ist in der Werkzeugstadt überschaubar. Die Investoren haben genau geprüft, wie hoch die Kaufkraft der Bürger ist. Mal eben 50 Euro für einen Besuch mit der ganzen Familie auszugeben, mit allem, was für viele dazugehört – Popcorn, Cola, Nachos – dafür muss manche Familie Rücklagen bilden. Den Eintritt kann sie nicht aus der Haushaltskasse bezahlen. Für die 10.000 Menschen, die Transferleistungen beziehen, bleibt ein Kinobesuch wohl nur ein Wunschtraum. Und ob die Live-Übertragungen aus der Metropolitan-Opera in New York für einen Preis von 29,50 Euro sein Publikum finden wird, bleibt ebenfalls eine spannende Frage. Kino in Remscheid – das war nie leicht, und wird es auch nicht werden.

Metropol, Union, Capitol – Kinonamen, die bei vielen Remscheidern Erinnerungen an große Filmerlebnisse wecken. Kino war immer bigger than life. Kino verkauft Emotionen. Damals wie heute. Die Kino-Landschaft hat sich dramatisch verändert. Programmkinos sterben, Multiplex-Kinos beherrschen den Markt und hängen am Tropf der Verleiher. Mit CineStar tritt ein Betreiber an, der über eine große Marktmacht verfügt. Remscheid stand in den vergangenen 20 Jahren meist nicht in der ersten Reihe, wenn Hollywood seine Blockbuster herumschickte. Die Kinos waren einfach zu klein. Und Verleiher wollen Geld sehen. Sie bestimmen, wie lange ein Film in welchem Saal um welche Urzeit zu sehen ist.

Quote, Quote, Quote. Nicht anders denkt CineStar. Der Verkauf von inszenierten Erlebnissen ist ein knallhartes Geschäft. Einem kulturellen Auftrag fühlt sich das Unternehmen nicht sonderlich verpflichtet. Peter Pickl, der unrühmlichste Filmvorführer der Remscheider Kinogeschichte, strich zum Beispiel die Filminitiative aus dem Programm, die einmal in der Woche besondere Filme zeigte. Für 20 Leute lohne es sich nicht, einen Film zu starten. Sein Vorgänger Georg Dawo gehörte zu den Kinobetreibern, die selber am liebsten Filme mit künstlerischem Anspruch sahen und sich mit reinem Fast-Food-Kino nicht zufrieden gaben. Auch wenn nur 20 Leute in den neuen Wim-Wenders-Film kamen, er spielte ihn trotzdem. Beide scheiterten. Am mangelnden Zuspruch des Publikums. An den Investitionslasten für die sich ständig verändernde Ton- und Filmtechnik. Und an sich selbst.

Der Weg aus der Innenstadt zum neuen Kino am Hauptbahnhof.

Der Weg aus der Innenstadt zum neuen Kino am Hauptbahnhof.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Technisch befindet sich das CineStar auf einem Top-Niveau. Mit Technik und Service will das Kino punkten gegenüber dem hochgerüsteten Heimkino mit Flachbildschirm und einer unendlichen Zahl an verfügbaren Filmen und Serien. Das ist sein Geschäftsmodell. Eine schöne Ergänzung wäre es, wenn sich auch kleine Filmreihen entwickeln jenseits des Mainstreams. Vielleicht bieten sich Kooperationen mit der VHS und Schulen an. Es wäre schade, wenn der Geist der Filminitiative vom Kommerz endgültig weggedrückt wird und man doch wieder ins Rex oder Cinema nach Wuppertal fahren müsste. Sehr schade.

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