Ausstellung in Wuppertal Die Erkundung des Raums

Wuppertal · Das Von der Heydt-Museum zeigt eine Ausstellung mit Werken von Oskar Schlemmer. Der Wuppertaler Fabrikant Dr. Kurt Herberts richtete dem verfemten Künstler ein Atelier ein, in dem er mit Lack experimentierte.

 „Innenraum mit fünf Figuren“ nannte Oskar Schlemmer dieses Bild aus dem Jahr 1928.

„Innenraum mit fünf Figuren“ nannte Oskar Schlemmer dieses Bild aus dem Jahr 1928.

Foto: Kunstmuseum Winterthur

Am besten beginnt der Besuch der Ausstellung „Oskar Schlemmer — Komposition und Experiment“ in einem der hinteren Räume des Von der Heydt-Museums. Dort bekommt der Besucher eine Ahnung davon, wie sich Schlemmer mit Fragen des Raums beschäftigt hat. Und wie sich kompositorische Wirkungen durch Kombinationen aus Kreis, Linie und Dreieck erzielen lassen.

Die Kuratoren haben ein Guckkasten-Bühnenmodell aufgebaut mit drei kleinen Räumen. In ihnen stehen Figuren aus Holz. Die Rückwand ist jeweils mit einer Figurenzeichnung beklebt. Jedem ist es überlassen, die Holzfiguren mit drehbaren Armen und Beinen und Oberkörpern im Raum wohin er will zu verschieben. Wie wirken sich die neuen Positionen aus? Welche Veränderungen rufen sie hervor?

Solche Fragen hat sich auch Oskar Schlemmer gestellt, wenn er seine Figurenbilder entwarf. Die Korrespondenz von Raum und Figur zählte zu seinen zentralen Themen. Da ist es naheliegend, dass sich der Tanz und die Bewegung als Interessensfelder anschlossen. Würde Schlemmer heute leben, er wäre vielleicht ein Experimentator in virtuellen Räumen. Auch das legt die Ausstellung nahe.

Dort steht die Arbeit „Oasis“ von Florian Froger. Eine Virtual Reality-Installation anlässlich des Bauhaus-Jahres 2019. Schlemmer gehörte zeitweilig zu den Lehrkräften am Bauhaus. Mit Hilfe eines Kopfhörers und zwei Stäben in den Händen kann der Besucher den digitalen Raum mitgestalten. Wenn die Technik funktioniert, erweitern sich die Figurinen des „Triadischen Balletts“ von Schlemmer zum eigenen Körper. „Ich möchte mit einem hauchdünnen Strich eine monumentale Form umreißen ...“ Das schrieb Schlemmer 1913, zu Beginn seiner Künstlerkarriere. Zu den Vorzügen der Ausstellung gehört: Sie zeigt, von welchen Künstlerkollegen und Vorbildern Schlemmer gelernt hat, bis er seine eigene Sprache fand. Von Willi Baumeister genauso wie von Paul Cézanne und Pablo Picasso. Von den Kubisten genauso wie vom Malerpoeten Paul Klee.

Zunächst in Weimar und später in Dessau leitete Schlemmer von 1925 bis 1929 als Formmeister die Werkstätten für Wand-, Metall- und Holzarbeiten. Die Drahtplastik „Homo“ zeigt Schlemmers Weg in die Abstraktion, ohne das Figürliche zu verlassen. Die Nationalsozialisten stempelten seine Werke als entartet ab. Er verlor alle seine Ämter. Die Wuppertaler Lackfabrik von Dr. Kurt Herberts war seine Rettung. Herberts sah Lack als Material der Zukunft. Er richtete ein „Mal- und Lacktechnikum“ in seiner Fabrik ein. So wollte er Chemiker und zeitgenössische Künstler zusammenzubringen.

Am Döppersberg, sicher vor den Nazis, arbeiteten Künstlerpersönlichkeiten wie Baumeister und Schlemmer zusammen. Wie akribisch Schlemmer Studien zu Arbeiten mit Lack entwarf, hebt die Ausstellung hervor. Höhepunkt ist das nicht realisierte „Lackballett“. Die meisten seiner Entwürfe und Arbeiten zerstörten die Bomben auf Wuppertal. „Die Industrie schafft die Gebrauchsgegenstände des Leibes, die Kunst die Gebrauchsgegenstände der Seele“, schrieb Schlemmer in sein Tagebuch. 1943, im Alter von 55 Jahren, stirbt er in Baden-Baden an Herzlähmung. In Stuttgart, seiner Heimatstadt, liegt er begraben. In der dortigen Staatsgalerie hängt sein berühmtestes Werk: das „Triadische Ballett“, das nur virtuell vorhanden ist.

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