Theater der Klänge Das vergessene Ballett aus der Lackfabrik
Das „Theater der Klänge“ bringt eine faszinierende Farb-Form-Performance auf die Bühne des FFT-Juta.
Oskar Schlemmer war ein höchst vielseitiger Künstler. Er malte nicht nur, sondern war auch als Bildhauer, Grafiker, Bühnenbildner und Choreograf aktiv. Sein „Triadisches Ballett“ wurde 1922 in Stuttgart uraufgeführt, später folgten Einladungen nach New York und Paris, die den Bauhaus-Künstler schlagartig international bekannt machten. Nur wenige kennen allerdings sein „Lackballett“, denn es wurde nur einmal aufgeführt: 1941 beim Betriebsjubiläum der Lackfabriken Herberts in Wuppertal. Dort hatte Schlemmer, von den Nazis ab 1933 von allen Ämtern ausgeschlossen, seine Kunst als „entartet“ abgeurteilt, eine Zuflucht gefunden und als „Professor für maltechnische Forschungsvorhaben“ gearbeitet.
Schlemmer forschte zur Anwendung moderner Lacktechniken, malte einige Bilder mit dem Material und zeichnete viel in den Wuppertaler Lackfabriken. Dabei entwickelte er neue Figurinen für ein „Lackballett“. „Ich habe mich in ein Abenteuer eingelassen. Ich kann‘s nicht lassen“, schrieb er 1941 an seine Frau Tut. „Ich mache zu dem Jubiläumsfest ein Lackballett. . . . Man kann mit einfachen Mitteln etwas sehr Reizvolles machen. Nur aus farbig lackierten Pappen, Bällchen, Stäben und so weiter.“
Beim Firmenjubiläum schlüpften dann sechs Damen der firmeneigenen Gymnastikgruppe in die von Schlemmer entworfenen Kostüme „aus Glaskugeln, Bierdeckeln, Pappformen etc.“, wie Schlemmer schrieb. „Sie machten es recht und schlecht“, urteilte der Künstler. Das Tänzchen „Reigen in Lack“ dauerte etwas mehr als drei Minuten. Erhalten sind davon nur Schlemmers gezeichnete Entwürfe sowie einige Fotos der Aufführung.
Auf mehr Material konnte das Düsseldorfer „Theater der Klänge“ und sein Regisseur Jörg Udo Lensing nicht zurückgreifen, als er nun eine „Original-Aneignung-Weiterführung“ des „Lackballetts“ wagte. Der Abend hatte nun Premiere im ausverkauften FFT-Juta. Er verbindet Schlemmers tanzende Figurinen mit elektronischem Sound (ebenfalls von J.U. Lensing) und computergenerierter Kunst, die auf eine große Leinwand (die auf einer Staffelei steht) live übertragen wird zu einem audiovisuellen Farbrausch, der vor allem in der zweiten Hälfte überzeugt.
Das „Theater der Klänge“ hat bereits Erfahrung gesammelt mit Oskar Schlemmers choreografischen Entwürfen. Bereits 1987 rekonstruierte das Ensemble Figurinen zu einem „Mechanischen Ballett“, das 1923 am Bauhaus entwickelt wurde. Es folgten weitere Auseinandersetzungen mit der Bauhaus-Bühnenidee bis hin zu Schlemmers „Triadischem Ballett“, das das „Theater der Klänge“ 2014 adaptierte.
Etwas zu anthroposophisch wirkt der Anfang der neuen, knapp einstündigen „Farb- und Formperformance“. Sechs Tänzer in schwarzen Kostümen wickeln, rollen und falten bunte Stofftüchern, wedeln mit ihnen durch die Luft als seien es bunte Farbpinsel. Langsam entstehen erste Farbreflexe auf der Leinwand, wie zarte Nordlichter oder geisterhafte Schemen auf dunklem Hintergrund. Die elektronisch sensorierte Bühne macht‘s möglich – sie setzt die Bewegungen der Tänzer in bewegte Farbflächen um, wie ein digitaler Pinsel, und zaubert so ein zunehmend faszinierendes Spektakel auf die Leinwand.
Die Kostüme der Figuren (Caterina Di Fiore) werden zunehmend farbenfroher: bunte Punkte oder Flächen wie Farbfächer dominieren die Röcke, Brustschilder und Kopfbedeckungen. Krönung ist eine vollends bestückte Figur, die aussieht wie ein bunter Drache und sich fließend animalisch um sich selbst dreht, während die anderen Figuren eher statisch geometrisch inspirierte Bewegungsfolgen liefern (Choreografie: Jacqueline Fischer). Die Weiterentwicklung dieser Idee führt in die zunehmende Abstraktion, weg von der Farbe. Nun entstehen Kostümteile aus silbernen Kugeln, die das Licht reflektieren und die Figur dahinter fast verschwinden lassen.
Als Abschluss tanzt eine Frau über die dunkle Bühne, die Rock- und Kopfbedeckung aus vielen kleinen LED-Lämpchen trägt. Mit Taschenlampen malt sie Licht an die Wände, während der Computer weißes Zick-Zack auf der nun dunklen Leinwand hinterlässt, wie Sternenglanz und Lichtermeer. Zero lässt grüßen. Händels Sarabande, die zur Uraufführung des „Lackballetts“ lief, erklingt hier nun in elektronisch verfremdeter Form, die Figuren tanzen dazu ein gespenstisches Menuett. Schlemmers Thema war die menschliche Figur im Raum. In diesem neuen „Lackballett“ findet es eine reizvolle Variante.