Corona-Krise in Neuss Gastronomen fordern Hilfsfonds der Stadt

Neuss · Restaurant- und Kneipenbesitzer haben sich in einem Brief an Reiner Breuer gewandt und um finanzielle Unterstützung wegen der Corona-Krise gebeten. Der Bürgermeister sieht eine städtische Finanzspritze kritisch.

Die Kurve des Gemütszustandes von Gastronomen lässt sich mittlerweile chronologisch in drei Schritte einteilen: Sorge, Angst, Wut! Die letzte Gefühlslage ist entstanden, weil sich die Verantwortlichen allein gelassen fühlen. Von der Bundesregierung, vom Land, von der Stadt. „Wir waren die ersten, die geschlossen haben und werden die letzten sein, die wieder öffnen – und noch immer wissen wir nicht, unter welchen Voraussetzungen das sein wird“, sagt Kerstin Rapp-Schwan, die das Restaurant „Schwan“ auf dem Neusser Markt und weitere Häuser in Düsseldorf leitet. Die finaziellen Unterstützungsmaßnahmen – Kurzarbeitergeld, Kredite und Co. – würden vorne und hinten nicht ausreichen, um die Zukunft der Betriebe zu sichern. Beispiel „Bohai Hafenbrasserie“: Dort bietet Chef Uwe Müller zwar bereits seit Wochen einen Lieferdienst an, „das machen wir aber eigentlich nur, um nicht von unseren Kunden vergessen zu werden“, sagt er. In der Regel mache er im Vergleich zum Normalbetrieb immer noch rund 80 Prozent weniger Umsatz. Auch dass der „Schwan“ seit Montag einen Abholdienst anbietet, bezeichnet Kerstin Rapp-Schwan als „großes finanzielles Risiko“.

In ihrer Verzweiflung haben sich Neusser Gastronomen jetzt mit einem Brief an Bürgermeister Reiner Breuer gewandt. Darin bitten die Betroffenen um die Schaffung eines „Neusser Fonds“, also eine Art städtische Betriebsschließungsversicherung, die genau wie eine private Versicherung funktionieren soll. Das Geld – unter anderem unter Berücksichtigung von Jahresumsatz und Wareneinsatz – soll demnach unbürokratisch ausgezahlt werden. „Die Arbeitnehmer bekommen normal ihren Lohn. Der Zulieferer sein Geld. Der Vermieter normal seine Miete“, heißt es in dem Schreiben. Und wenn sich die Bundesregierung später dafür entscheide, ein ähnliches Rettungspaket zu schnüren, bekomme die Stadt Neuss das gezahlte Geld zurück.

Ein Vorschlag, den Bürgermeister Reiner Breuer kritisch sieht, wie aus dem Antwortschreiben hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt. Die Idee scheitere schon am Gleichbehandlungsgrundsatz beziehungsweise Willkürverbot. Schließlich seien große Teile des (Einzel)-Handels ebenfalls von Schließungen betroffen (das Schreiben wurde vor den aktuellen Lockerungen für den Handel verfasst). Auch bestimmte Angebote in Dienstleistung und Handwerk dürften gar nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt erbracht werden. Gleiches gelte für die Veranstaltungs- und Hotelbranche. „Nicht weil die Stadt Neuss sich für diese Branchen, Betriebe und Akteure nicht verantwortlich fühlen würde, sondern weil anderweitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt vollständig überfordert würde, muss der hilfesuchende Blick nach Düsseldorf und Berlin schweifen“, schreibt Breuer. Die vielen neuen Angebote, die Gastronomen derzeit kreieren, beobachte die Verwaltung mit „großem Respekt“.

Doch auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat jetzt erneut Alarm geschlagen. Der Tenor: In der Branche mehren sich die Stimmen von Gastronomen und Hoteliers, die weiterhin auf die Auszahlung der NRW-Soforthilfen warten. „Wenn die Soforthilfen ihrem Namen gerecht werden sollen, dann sollten sie auch sofort überwiesen werden. Viele Mitglieder von uns warten händeringend auf die zugesagten Gelder, um Rechnungen bezahlen zu können“, schreibt der Verband. Liquidität sei eines der größten Probleme, betont Klaus Hübenthal, Hauptgeschäftsführer des Dehoga NRW. „Wir wissen, dass die Verwaltung gerade sehr schnell arbeitet, trotzdem ist bei uns in den Betrieben die Not sehr groß.“

Simon Janßen kommentiert hier: Unten in der Nahrungskette.

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