Theater in Moers „Der Process“ bringt „neue Normalität“

Moers · Das Schlosstheater startet mit der Inszenierung von Franz Kafkas Roman „Der Process“ in die neue Spielzeit. Der Aufführungsort ist neu: Die Inszenierung ist in der ehemaligen „Fashion-Boutique“ im Wallzentrum zu erleben.

 Ein leerstehendes Ladenlokal im Wallzentrum ist die Bühne für das Kafka-Stück „Der Process“.

Ein leerstehendes Ladenlokal im Wallzentrum ist die Bühne für das Kafka-Stück „Der Process“.

Foto: Kristina Zalesskaya

Kafka, sagt Ulrich Greb, finde sich irgendwie immer in seinen Inszenierungen: Wenn nicht wörtlich, dann seine Denkweise, und auch weil ihn die Texte schon lange begleiten. Mit „Der Process“ bringt der Intendant des Schlosstheaters zum Auftakt der Spielzeit einen der drei unvollendeten und posthum erschienenen Romane von Franz Kafka auf die Bühne. Und lässt das Publikum teilhaben, wie Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstages aus dem Bett heraus verhaftet wird, ohne sich seiner Schuld bewusst zu sein. Seit zwei Jahren schon steht Kafkas „Der Process“ auf der Agenda des Schlosstheaters. „Wir wollten das Stück aber an einem anderen Ort machen als auf der Theaterbühne im Schloss“, berichtet Dramaturgin Larissa Bischoff. Mit dem Zuschlag für das Wallzentrum habe sich nun die Möglichkeit ergeben – und zwar in einem weiteren leerstehenden Ladenlokal: der früheren „Fashion-Boutique“. Die Premiere des Stücks am Mittwoch, 9. September, ist bereits ausverkauft.

„Neue Normalität“ ist die kommende Spielzeit überschrieben. „Wie auch wir uns in Corona-Zeiten darin zurecht finden müssen, so lässt Kafka eine neue Weltordnung entstehen, die mit Verleumdung und Verhaftung startet“, erläutern Ulrich Greb und Larissa Bischoff. Franz Kafkas Text sei von ungebrochener Aktualität und bringe nüchtern das Taumeln des Individuums innerhalb der Machtsysteme moderner Gesellschaften auf den Punkt. „Und je weiter Josef K. voranschreitet, desto mehr lässt er sich auf das Verfahren ein, auf das geheime Gericht, mit dem alle verflochten und verbunden scheinen“, sagt Ulrich Greb, der sich für die Inszenierung verantwortlich zeichnet. „Man wird unweigerlich selbst ein Teil des Prozesses.“ Zugleich gehe es um das Prinzip von Unterdrückung und Revolte. Auch Polizeigewalt und Verschwörungstheorien würden in der Inszenierung thematisiert. Und weil die Justiz wie alle anderen Behörden mit Unterlagen, Akten und Papierbergen arbeitet, realisiert Bühnenbildnerin Birgit Angele für das Ladenlokal eine Installation, eine Landschaft aus Papier.

„Es sind 250.000 Blätter“, berichtet der Intendant. Die Akten seien wie die Gespenster der Vergangenheit, sagt er. Alles vertiefe sich in den Schichten aus Papier und werde zugleich zu einer archäologischen Spurensuche. Für die Inszenierung wird auch die Zusammenarbeit mit dem Puppenspieler Joost van den Branden aus Belgien fortgesetzt, der wie schon in der Inszenierung von Albert Camus’ „Die Pest“ mit dem Ensemble die Spielmöglichkeiten zwischen Mensch und Puppe erforsche. In der Kafka-Inszenierung sind es Objekte, die aus dem Papier aufsteigen werden. „Manche sind sehr unheimlich“, sagt der Regisseur. Der Einsatz dieser Objekte ermögliche, die Vielstimmigkeit in Kafkas Roman auf die Bühne zu bringen. Es spielen die Schauspieler Patrick Dollas, Matthias Heße, Emily Klinge, Roman Mucha und Elisa Reining. „Es gibt jedoch keine klare Zuordnung für die Rolle von Josef K.“, betont Larissa Bischoff. Die Corona-Pandemie ist auch zum Spielzeitauftakt am Moerser Schlosstheater allgegenwärtig. „Wir halten alle Schutzverordnungen ein und gehen sogar noch einen Schritt darüber hinaus“, betont Ulrich Greb. Der Spielort im Wallzentrum bietet nur für 35 Personen Platz. Es bleibt immer ein Platz zwischen den Zuschauern frei. Es gilt Maskenpflicht fürs Publikum. Die Schauspieler tragen so genannte Face-Shields. Greb: „Die aktuelle Situation wird auf der Bühne spürbar sein.“ Weitere Informationen im Internet unter www.schlosstheater-moers.de

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