Barbara Weinthal Und Karoline Nolte "Wir holen das Wasser in die Stadt zurück"

Mönchengladbach · Die Fachbereichsleiterin Umwelt und die Leiterin Stabsstelle Wachsende Stadt über Luftreinhaltung, Grünvernetzung und die Tagebaugrube.

 "Negatives kann als auch als Chance begriffen werden", finden Karoline Nolte (l.) und Barbara Weinthal. Die Tagebaugrube könnte später beispielsweise als See zum Tourismusmagnet werden.

"Negatives kann als auch als Chance begriffen werden", finden Karoline Nolte (l.) und Barbara Weinthal. Die Tagebaugrube könnte später beispielsweise als See zum Tourismusmagnet werden.

Foto: Detlef Ilgner

Frau Weinthal, Sie sind jetzt bereits seit 1990 bei der Stadtverwaltung für Umwelt zuständig. Früher wurde über Waldsterben und das Ozonloch diskutiert, heute über Klimawandel und Dieselfahrverbote. Gemeckert wird viel. Gibt es auch Positives zu berichten?

Weinthal Heute gibt es das Bewusstsein, dass man auch aus Negativem etwas Positives machen kann. Nehmen Sie den Braunkohletagebau: Man kann auf das große Loch starren, man kann darin aber auch eine Chance für die Entwicklung sehen. Wanlo beispielsweise hat sicher Probleme mit dem Autobahnkreuz und der Braunkohlenkante. Aber jetzt gibt es das Konzept zur Dorfentwicklung, das Positives anstoßen kann. NOLTE Es braucht schon Mut und Selbstbewusstsein, um Negatives als Chance begreifen zu können. Das Konzept mg+Wachsende Stadt setzt darauf, Qualitäten zu schaffen. Es geht nicht nur um städtebauliche Projekte, sondern auch um das Lebensumfeld, die Umwelt und den Wirtschaftsstandort. Aber gerade in Wanlo kann man sehen, dass sich aus dieser besonderen Situation bürgerschaftliches Engagement und Aktivitäten entwickeln. Das Konzept zur Dorfentwicklung umfasst die unterschiedlichsten Maßnahmen, die mit den Bürgern entwickelt wurden und die jetzt abgearbeitet werden.

Da sind wir schon beim Tagebau. Ihr Schwerpunktthema, Frau Weinthal, ist seit Jahrzehnten die Braunkohle. Jetzt wurde der Zweckverband Garzweiler gegründet. Welchen Vorteil sehen Sie in der Mitgliedschaft Mönchengladbachs?

Weinthal Die Stadt wird in alle Planungen gleichberechtigt eingebunden. Das ist ein gewaltiger Vorteil. So lassen sich auch leichter Fördermittel generieren, beispielsweise wenn es um die Umsetzung des grünen Bandes, neue Nutzungen im Rekultivierungsbereich oder eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft geht.

Haben Sie eine persönliche Vision für die Grube nach dem Ende des Tagebaus?

Weinthal Ich würde alles tun, um die Grube zugänglich zu machen, damit der langsam ansteigende See erlebbar wird. Die Hänge sollten genutzt werden, um Biomasse anzubauen, die zur Energiegewinnung dienen kann. Es gibt auch Ideen mit aufschwimmenden Inseln, auf denen Photovoltaikanlagen Strom produzieren. Also neue Formen der Energiegewinnung anstelle der alten durch Braunkohle. NOLTE Ich fände es wichtig, das zu kapernde Restloch an die Stadt anzubinden und als Tourismusmagneten zu nutzen. Wohnen am und auf dem See wäre natürlich auch ein großes Thema.

Wie lange wird es noch dauern, bis der See Wirklichkeit wird? Sollte man sich schon Bauland sichern?

Nolte Das wäre Bauland für die Enkel.

Umweltbelange wurden bei Bau- und Planungsvorhaben oft als Hindernisse wahrgenommen, die Umweltbehörden als Bremser. Gibt es jetzt ein Umdenken?

Weinthal In Mönchengladbach hatte ich nie das Gefühl, von der Politik oder Planung als Bremser wahrgenommen zu werden. Der Umgang miteinander ist sehr fair. Aber dass wir jetzt direkt im Planungsdezernat angesiedelt sind, finde ich sehr positiv. Hier werden unsere Belange gewürdigt und sind planerisch deutlich in den Fokus gerückt. Es macht mich glücklich, auch wieder Umweltplanung machen zu können. NOLTE Die Umweltaspekte gehören zum Konzept der wachsenden Stadt. Hier können wir noch Potenziale heben.

Führt die Wachsende Stadt nicht automatisch zu mehr Verkehr?

Nolte Ja, die Frage ist nur, welche Fortbewegungsmittel die Menschen wählen. Der Modal Split, also das Verhältnis der Fortbewegungsmittel, ist in Gladbach immer noch sehr autolastig. Es müssen Anreize zum Umsteigen geschaffen werden. Aber die Planungen zeigen schon, wie es anders geht. Das Quartier Seestadt mg+ ist weitestgehend autofrei geplant, die Autos werden unterirdisch geparkt, es gibt Car-Sharing, Radwege und eine Joggingstrecke. WEINTHAL Wir sind noch im Prozess und müssen ganzheitlich denken. E-Mobilität, öffentlicher Nahverkehr, bessere Radwege, das alles muss miteinander verknüpft werden.

In Rheindahlen gibt es derzeit große Ängste wegen des Amazon-Lagers und des damit verbundenen Verkehrs mit samt Lärm und Schmutz. Zu Recht?

Weinthal Ich kann die Sorgen verstehen, aber wir waren im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingebunden und haben deutliche Auflagen zum Immissionsschutz gemacht. Es gab lange Verhandlungen im Vorfeld.

Wie sieht es bei der Luftreinhaltung aus? Ein Thema sowohl in der Innenstadt als auch in Rheindahlen?

Weinthal Die Belastung ist immer da am höchsten, wo die Durchlüftung nicht gut ist und die Luftschadstoffe sich ansammeln. An der Aachener Straße haben wir dieses Problem, in Rheindahlen nicht. Die Messstelle an der Engstelle der Aachener Straße ist genau richtig platziert, dort sammeln sich die Schadstoffe.

Es wird ja nur an drei Stellen in der Stadt Stickstoffdioxid gemessen, zwei davon sind unbedenklich. Was macht eigentlich so sicher, dass die Stickoxidwerte nicht auch zum Beispiel an der Bismarckstraße, der Krefelder oder der Hittastraße überschritten werden?

Weinthal Wir müssen nicht überall messen, um mit Unterstützung des Landesumweltamtes sehr präzise berechnen zu können, welche Werte wo erreicht werden. Die Bismarckstraße ist übrigens Teil der Umweltzone und steht bei uns durchaus im Fokus.

An der Aachener Straße wird jetzt ein Blitzer für Lkw gebaut. Wann geht er in Betrieb?

Weinthal Bis Anfang Juli wird die Anlage stehen. Es ist auch für uns frustrierend, dass trotz Verbot über 400 Lkw diese Route wählen. Wir würden gern schon an der Autobahn einen Hinweis auf diese Sperrung aufstellen, damit die Sperrung für die Lkw-Fahrer frühzeitig erkennbar ist, aber der Landesbetrieb weigert sich.

Kommt ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge?

Weinthal Das lässt sich noch nicht sagen, aber ich erwarte es nicht. Die Überschreitung ist gering und die Kurve der gemessenen Immissionen sank gegen das Jahresende.

Bislang ist Mönchengladbach eine Großstadt im Grünen. Bleibt das so - auch mit dem Konzept Wachsende Stadt?

Nolte Das bleibt so. Es ist ja ein Pfund, mit dem die Stadt wuchern kann. Mönchengladbach ist bipolar und von Dörfern und Honschaften umgeben. Dadurch wird zwar viel gependelt, aber es gibt auch viel Frei- und Grünräume. Diese Struktur soll erhalten bleiben. Dazu dient auch der Masterplan Stadtbezirke für die 26 peripher gelegenen Stadtteile. Er legt einen Schwerpunkt auf Freiraum und Umwelt. Weinthal Dies wird ergänzt durch die Neuaufstellung des Landschaftsplans. Es geht auch um eine sinnvolle Grünvernetzung, so dass man ohne Unterbrechung zum Beispiel vom Niersgrünzug nach Hardt radeln kann. Wir fordern bei Neubaugebieten jetzt auch die Dachbegrünung von Flachdächern ein. Es ist auch angedacht, Bäume, die als Kompensation für versiegelte Flächen gepflanzt werden müssen, jetzt innerstädtisch zu pflanzen. Zum Beispiel vom Geroweiher bis zum Vitusbad. Und das Thema Wasser wird in Zukunft eine Rolle spielen. Wasser, nämlich z. B. die Niers und der Gladbach, war der Grund, überhaupt hier zu siedeln. Wir wollen das Wasser wieder in die Stadt holen. Mönchengladbach hat immer vom Wasser gelebt und wurde vom Wasser geprägt.

Was hat es mit dem Projekt Blühendes Mönchengladbach auf sich?

Nolte Das ist ein mg+ Projekt, bei dem jetzt die Mags die Federführung übernommen hat. Hier geht es darum, im Straßenraum Flächen zu finden, die in ökologisch wertvolle Blühwiesen umgewandelt werden können. Das geschieht zum Beispiel am Rheydter Ring. WEINTHAL Auch die Bürger können in solch einem Zusammenhang viel tun, zum Beispiel blühende Kräuter auf den Balkonen ziehen und nicht nur Geranien. Das wäre bienenfreundlich.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN D. RICHTERS, A. GRUHN UND A. RIETDORF

(RP)
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