Mönchengladbach Sigmar Polke in Venedig - eine Annäherung

Mönchengladbach · Fünf 16-Millimeter-Filme des Künstlers werden erstmals gezeigt. Polke filmte 1986 den leeren Biennale-Pavillon, die zu lange und gleichzeitig zu kurze Leiter und die Eröffnung. Aber auch schon mal die Katzen hinter dem Pavillon.

 Die Kunststoffsiegel-Bilder wurden von Venedig nach Mönchengladbach gebracht. Und hier hängen sie seitdem.

Die Kunststoffsiegel-Bilder wurden von Venedig nach Mönchengladbach gebracht. Und hier hängen sie seitdem.

Foto: Detlef Ilgner

Das Licht war entscheidend. "Sigmar spielte damit", sagt Georg Polke. Der Sohn des 2010 verstorbenen Künstlers Sigmar Polke erinnert sich sehr gut an Venedig im Sommer 1986. An den deutschen Pavillon, das Licht, die Leiter, die irgendwie zu lang und gleichzeitig auch irgendwie zu kurz geraten war, an den riesigen Flugzeugträger in der Lagune, der drei Meter hohe Wellen verursachte und damit das komplette jüdische Viertel unter Wasser setzte. Besonders lebhaft ist ihm auch das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko zwischen Argentinien und Deutschland im Bewusstsein geblieben. "Das haben Sigmar und ich in einer Eisdiele in Venedig geguckt", sagt Georg Polke. "Jorge Burruchaga hat in der 84. Minute das entscheidende Tor zum 3:2 geschossen." Da war die WM für Deutschland verloren.

Das Biennale-Jahr 1986 wurde für den Künstler Sigmar Polke und den deutschen Kommissar Dierck Stemmler, damals Direktor des Museums Abteiberg, zu einem riesigen Erfolg. Der deutsche Pavillon erhielt den Goldenen Löwen. Die sechs jeweils 5 an 3,50 Meter großen Kunststoffsiegel-Bilder, die in Venedig entstanden waren, kamen nach Mönchengladbach. "Aber die Werke, die Polke in situ geschaffen hatte, außerdem ein Meteorit und ein Bergkristall, gingen verloren, beziehungsweise gerieten in Vergessenheit", sagt Museumsleiterin Susanne Titz.

Jetzt kommt zusammen, was ursprünglich zusammen gehörte. Nicht komplett zwar - die Wandarbeiten des Pavillon existieren nicht mehr - aber ergänzt durch fünf digitalisierte 16-Millimeter-Filme, die bisher noch nie gezeigt worden sind. Hochinteressante Aufnahmen, unschätzbar wertvolle Zeitgeschichte, experimentell, dokumentarisch, witzig - sehenswert. Eine Annäherung an Venedig - so ist auch der Titel der Präsentation.

Sigmar Polke filmte den leeren Pavillon, die Arbeit im Raum, die merkwürdig proportionierte Leiter, die zum Objekt einer Performance wird, die Eröffnung und die Preisverleihung. "Aber auch schon mal die Katzen, die sich hinter dem Pavillon sonnen oder einen Lufthansa-Jet, der tatsächlich den Namen Mönchengladbach trug", sagt Susanne Titz. Vier der Filme werden im großen Wechselausstellungsraum gezeigt, einer in der Audiovision des Museums.

Die Museumsleiterin bezeichnet die Ausstellung im Museum Abteiberg als Satellit der großen Retrospektive von Sigmar Polke im Museum Ludwig. Das Kölner Museum, aber auch schon zuvor das New Yorker Museum of Modern Art und das Tate Modern in London hätten für die große Polke-Retrospektive gern die sechs Kunststoffsiegel-Bilder aus Mönchengladbach ausgeliehen. "Die sind aber viel zu empfindlich, um sie zu transportieren", sagt Susanne Titz. Die Museen in Köln und Mönchengladbach verweisen deshalb wechselseitig auf ihre Polke-Präsentationen.

Im Polke-Raum des Museums liegen nun auch die imposanten Begleiter, die im Biennale-Pavillon als harte Gegensätze zu den weich fließenden Materialien der Bilder für Spannung sorgten - ein 507 Kilogramm schwerer, 4,5 Milliarden Jahre alter Meteorit aus Namibia und ein 134 Kilogramm schwerer 29 Millionen oder 290 Millionen Jahre ("Da waren so viele Nullen dran, das müssen wir noch mal prüfen", sagt Museumspädagoge Uwe Riedel) alter Bergkristall aus Arkansas. Der Meteorit - in komplett lichtleeren Räumen unterwegs, bevor er auf die Erde krachte, und der Bergkristall, der das Licht aufsaugt und bricht, um es wieder in die Welt zu schicken. "Da ist es wieder, das Thema Licht", sagt Georg Polke. Das Thema, das seinen Vater faszinierte, und das in seinen Werken eine überragende Rolle spielt.

Die Sigmar Polke-Ausstellung "Annäherung an Venedig - Filme und Trabanten der Biennale 1986" wird am Sonntag, 15. März, um 12 Uhr im Museum Abteiberg mit einer Einführung von Georg Polke eröffnet.

(RP)
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