Redaktionsgespräch Ingrid Habrich „Der Sanierungsstau in den Schulen ist riesig“

Mönchengladbach · Ingrid Habrich, 16 Jahre lang Schulleiterin am Math.-Nat., spricht über die Rückkehr zu G9, Schüler, denen Kampfgeist fehlt und Schuluniformen.

 Ingrid Habrich war zuletzt 16 Jahre Leiterin des Math.-Nat.-Gymnasiums und ist nun im Ruhestand.

Ingrid Habrich war zuletzt 16 Jahre Leiterin des Math.-Nat.-Gymnasiums und ist nun im Ruhestand.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Ihre Verabschiedung als Schulleiterin des Math.-Nat. liegt schon zurück. Ihr letzter Arbeitstag auch?

Habrich Ich war noch bis zum 31. Juli im Dienst. Jetzt sind zwar Sommerferien, aber es gibt noch Präsenzzeiten für die Schulleitung: Eltern haben noch etwas zu erledigen und auch Kollegen müssen noch bestimmte Dinge abarbeiten. Im Ruhestand bin ich also erst seit August.

Was ist das für ein Gefühl: Nie wieder Schule?

Habrich Ein sehr schönes, obwohl ich immer gern in der Schule war, als Schülerin, als Lehrerin und als Schulleiterin. Es macht auch immer noch Spaß, aber gleichzeitig ist es auch ein gutes Gefühl, mal sagen zu können: „Darum muss ich mich jetzt nicht mehr kümmern.“ Ich freue mich auf die Freiheit, über die eigene Zeit bestimmen und auch mal spontan handeln zu können. Es ist vieles liegen geblieben. Ich werde vermehrt Freundschaften pflegen, aber auch zum Beispiel endlich Geschenkgutscheine einlösen können. Ich habe vor zwei Jahren einen Gutschein für die Schlossfestspiele Edesheim bekommen, da komme ich jetzt endlich hin. Und mehr Zeit für die Enkelkinder werde ich jetzt auch haben.

Was haben Sie aus Ihrem Büro mitgenommen, was Sie immer an Schule erinnern wird?

Habrich Es gibt eine Grafik, die ein ehemaliger Schüler zum Fünf-Länder-Treffen erstellt hat. Die nehme ich mit nach Hause. Sie wird neben der Collage hängen, die die Schulleiter der Partnerschulen mir zum Abschied geschenkt haben.

Sie saßen im Schulausschuss als Sprecherin der Gymnasien. Können Sie sich vorstellen, sich weiter schulpolitisch zu engagieren?

Habrich Sie werden es nicht glauben, aber ich mache nicht gern Politik. Ich war allerdings im Verband tätig, sowohl in der Rheinischen Direktorenvereinigung als auch in der Bundesdirektorenvereinigung. Bis zum Herbst bleibe ich dort im Vorstand, dann scheide ich aus.

Was waren die wichtigsten Themen in Ihrer Verbandsarbeit?

Habrich Es gab viel Wirbel um die Schulpolitik von Frau Löhrmann. Es gab wirklich Befürchtungen, dass sie eine Einheitsschule plant. Dann hätte außen an unseren Schulen noch Gymnasium gestanden, aber es wäre kein Gymnasium mehr drin gewesen. Seit der Wahl ist das kein Thema mehr. Jetzt geht es um die Feinheiten bei der Rückkehr zu G9.

Wie haben Sie die endlose Folge von Reformen erlebt? Gab es zu viele?

Habrich Seit 2005 war praktisch überall nur eine einzige Baustelle. Einerseits war das toll, weil man auch gestalten konnte. Andererseits muss man irgendwann auch konsolidieren. Es muss mal Ruhe ins Geschäft gebracht werden. Schließlich muss man auch Zeit haben, die eigene Schule weiterzuentwickeln, damit die Schüler davon profitieren können. Am Math.-Nat. zum Beispiel aktuell durch den bilingualen und den MINT-Zweig.

Und jetzt wieder die Rückkehr zu G9? Stöhnen Sie da nicht innerlich auf?

Habrich Nein, wir können beides, G8 und G9. Aber es ist deutlich einfacher, zu G9 zurückzukehren, denn mehr Zeit zu haben, ist immer leichter, als plötzlich ein Jahr weniger zur Verfügung zu haben – wie bei G8. Wobei bei der Einführung von G8 alles fehlte: die Lehrpläne, die Bücher und die Stundentafeln. Und es wurde ständig nachgebessert, unentwegt an Schrauben gedreht. Wenn ich mir bei der Rückkehr zu G9 etwas wünschen könnte, dann, dass die Oberstufe vor dem Abitur weniger Unterricht und mehr Zeit zum Lernen und Vertiefen hat.

Sie haben im Schulausschuss immer wieder darauf hingewiesen, dass in Gladbachs Schulen ein enormer Sanierungsbedarf besteht. Hat sich etwas gebessert?

Habrich Es gibt Sanierungsprogramme wie Gute Schule 2020, aber eigentlich ist das immer noch zu wenig. Der Sanierungsstau, auch der Haushaltslage der Stadt geschuldet, ist riesig. Das Land hat weitere Programme angekündigt und vom Bund sollen Mittel für die Digitalisierung kommen.

Welches ist denn die größte bauliche Baustelle am Math.-Nat.?

Habrich Die Schule braucht neue Fenster und ein neues Dach. Und der Brandschutz muss besser geregelt werden. Es ist zwar nicht gefährlich, aber es muss einfach gemacht werden. Auch die Decken und Böden könnten eine Sanierung gebrauchen.

Sie sind seit vierzig Jahren Lehrerin. Wissen Sie noch, was Sie bewogen hat, den Beruf zu wählen?

Habrich Mir wurde im Verlauf der Oberstufe klar, dass ich Lehrerin werden wollte. Ich wusste, dass der Beruf sehr abwechslungsreich und spannend ist. Außerdem ist es sehr schön, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Man übernimmt Verantwortung und gestaltet die Zukunft. Das empfinde ich auch heute noch so.

Sie haben am Gymnasium Neuwerk und am Hugo-Junkers-Gymnasium unterrichtet. Was war Ihre Motivation, sich um die Schulleiterstelle am Math.-Nat. zu bewerben?

Habrich Als Schulleiterin hat man Gestaltungsfreiheit, das fand ich sehr reizvoll. Am Math.-Nat. waren es die Programme wie das Fünf-Länder-Treffen und Besuche der Preisträger der deutschen Sprache, die die Schule für mich besonders attraktiv machten. Das war eine Grundlage, auf der das Schulprofil sehr gut weiterzuentwickeln war. Zum Beispiel durch die Zertifizierung als MINTec-Schule.

Haben sich Schüler oder Eltern im Laufe der Jahre geändert?

Habrich Es fällt mir schwer, dazu eine generelle Aussage zu machen und alle über einen Kamm zu scheren. Die Schulpflegschaft am Math.-Nat. war immer toll, die Ideen waren top und wir haben stets an einem Strang gezogen. Daneben gibt es natürlich auch andere Eltern, die oft weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen und weniger über Schule wissen. Da scheint mir das Urvertrauen – so will ich es mal nennen – der Eltern in Schule verloren gegangen zu sein. Da wird dann tatsächlich nur die Sicht der Kinder wahrgenommen. Die Schüler haben sich eigentlich nicht verändert. Sie hatten und haben zu jeder Zeit eine äußerst ökonomische und effiziente Arbeitseinstellung. (lacht) Allerdings konnte man sich früher darauf verlassen, dass ihre Haltung sich im zweiten Halbjahr, wenn es auf die Versetzung zuging, veränderte und mehr gearbeitet wurde. Da gibt es heute leider etliche, denen dann der Kampfgeist fehlt.

Hin und wieder wird über Schuluniformen diskutiert. Was halten Sie davon?

Habrich Manchmal tragen Schüler und auch Schülerinnen, gerade bei dieser Hitze, Kleidung, die keine gute Idee ist. Da setze ich aber mehr auf Gespräche, in denen man deutlich machen kann, dass bestimmte Kleidung in einer Situation schön und passend ist, in einer anderen aber unangemessen. Schuluniformen schränken die Freiheit ein, deswegen bin ich davon nicht begeistert, weiß aber von Schülern, die von Auslandsjahren zurückkamen, dass sie Schuluniformen im Ausland als ganz normal empfunden haben.

Sie sind Deutschlehrerin und vermutlich lesen Sie gern. Haben Sie ein paar Tipps zur Urlaubslektüre?

Habrich Ich bin begeisterte Deutschlehrerin. Im Urlaub lese ich gern englische Krimis oder regionale Krimis, die im Reiseland spielen. Außerdem sind historische Romane zum Beispiel von Rebekka Gablé für mich die perfekte Urlaubslektüre.

Freuen Sie sich, dass Sie nie mehr in den Ferien verreisen müssen?

Habrich Ja, sehr. In den Sommerferien ist es laut und voll. Deswegen sind wir in den vergangenen Jahren immer mehr im Landesinneren gewesen als am Meer. Dort gab es auch mal leere Campingplätze. Aber ich liebe das Meer, und dorthin können wir jetzt außerhalb der Saison. Das ist wirklich schön.

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