Tierschutz-Hundeverordnung Das sagen Hundehalter zur „Gassi-Pflicht“

Mönchengladbach · Bundesministerin Julia Klöckner plant Änderung im Hundeschutz. Experten aus Mönchengladbach halten den Entwurf jedoch für unzureichend. Es gebe grundlegendere Probleme. Außerdem stellt sich die Frage nach den Kontrollen.

 Andrea Wartmann ist Sachverständige nach dem Landeshundegesetz NRW und Hundetrainerin. Sie führt mit ihrem Mann Michael die Hundeschule „Dogharmony“ in Giesenkirchen.

Andrea Wartmann ist Sachverständige nach dem Landeshundegesetz NRW und Hundetrainerin. Sie führt mit ihrem Mann Michael die Hundeschule „Dogharmony“ in Giesenkirchen.

Foto: bauch, jana (jaba)

Andrea Wartmann möchte mit einem Irrtum aufräumen. Sie hat das auch schon in den sozialen Netzwerken versucht, bei all den Kommentaren zu den angedachten Veränderungen in der Tierschutz-Hundeverordnung. Mit mäßigem Erfolg. Es geht um den Punkt, der die meisten Leute aufgebracht hat. In dem Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums von Julia Klöckner (CDU) heißt es unter anderem, einem Hund solle „mindestens zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien“ gewährt werden. Der entscheidende Zusatz wird laut Wartmann, die mit ihrem Mann die Hundeschule „Dogharmony“ in Giesenkirchen führt, aber oft vergessen: Es geht um die Haltung von Hunden im Zwinger. „Das wird häufig aus dem Kontext und dann ins Lächerliche gezogen“, sagt Wartmann. Das habe zu Verwirrungen geführt.

Grundsätzlich findet sie an der Verordnung aber vieles gut. Das Verbot der Anbindehaltung zum Beispiel. Auch das Ausstellungsverbot von sogenannten Qualhunden, die überzüchtet wurden. In einigen Punkten gehen ihr die Änderungen aber nicht weit genug. Vor allem in der Zucht. In diesem Bereich sieht die Verordnung vor, Welpen zunächst täglich mindestens vier Stunden zu betreuen. Auch dürfen künftig nicht mehr als drei Würfe gleichzeitig von einem Betreuer aufgezogen werden. „Ich hätte es auf einen Wurf beschränkt“, sagt Wartmann. „Ein Wurf kann schon einmal bis zu neun Welpen bringen. Alleine um die vernünftig großzuziehen, haben schon zwei Betreuer alle Hände voll mit zu tun.“

Vier Stunden Betreuung, zwei Stunden Auslauf – für Frank Gilka stellt sich da die Frage nach den Kontrollen. „Gesetze sind schön, aber wer soll es kontrollieren?“, fragt das Vorstandsmitglied beim Verein Tierschutz Mönchengladbach. Er und einige seiner Kollegen hätten sich über die neuen Vorgaben gewundert.

Mönchengladbach: Wie finden Mönchengladbacher Hundehalter die „Gassi-Pflicht“?
5 Bilder

Wie finden Mönchengladbacher Hundehalter die „Gassi-Pflicht“?

5 Bilder
Foto: Luca Demirel

In Mönchengladbach sind nach Angaben der Stadt rund 15.600 Hunde gemeldet, zuständig für die Kontrollen sind der Kommunale Ordnungs- und Servicedienst (KOS) und das Veterinäramt. Im Vorjahr gab es 300 Tierschutzkontrollen, häufig aufgrund von Hinweisen auf mangelnden Auslauf oder Betreuung. In den meisten Fällen bliebe es nach Angaben von Stadtsprecher Dirk Rütten aber bei Verwarnungen. „Da die Halter natürlich versichern, den Hund täglich über mehrere Stunden auszuführen, wird es auch in Zukunft bei Verwarnungen bleiben, da das Gegenteil nicht zu beweisen ist“, sagt er. Für die Kontrollen in der Zucht plant die Stadt, bei den registrierten Züchtern die Zahlen der Zuchthündinnen zu erfassen.

Hundebesitzer aus Mönchengladbach halten die Änderungen für sinnvoll. „Mit der Regelung setzt man ein wichtiges Zeichen“, sagt Stefan Schmitz beim Spaziergang mit seinem Labradoodle am Geropark. Christel Mulder sagt dazu: „Ein Tier sollte man wie einen Menschen behandeln. Für Leute, die morgens und abends für fünf Minuten mit dem Hund rausgehen, habe ich kein Verständnis.“ Silke und Timo Anastasiadis halten die Regelungen ebenfalls für gut, bezweifeln aber, ob sie tatsächlich etwas bewirken.

Für Gilka vom Tierschutz ist mit dem Verordnungsentwurf der zweite Schritt vor dem ersten getan worden. Denn in der Praxis sieht er viel grundlegendere Probleme, beispielsweise, dass es keinen verpflichtenden Hundeführerschein gibt. Denn beim Erwerb eines Hundes würden sich die Leute oft überschätzen. „Bis der Hund dann eskaliert und bei uns landet. Viele Hunde werden aufgegeben, da die Kompetenz fehlt“, sagt Gilka. Wartmann ist derselben Meinung: „Jeder Hundekäufer sollte fachkundig sein. Da sollte zunächst angesetzt werden.“ In Niedersachsen müssen seit Juli 2013 alle, die sich erstmals einen Hund anschaffen, einen Hundeführerschein nachweisen. In vielen anderen Bundesländern ist der Führerschein hingegen nur für bestimmte Hunde vorgesehen – in NRW beispielsweise für sogenannte „Listenhunde“ oder für Hunde, die über 20 Kilogramm beziehungsweise über 40 Zentimeter Schulterhöhe aufweisen. Gilka schlägt daher vor: „Man muss einen Anreiz für den Führerschein schaffen, zum Beispiel eine Befreiung von der Hundesteuer.“ Die Leute würden es dann womöglich freiwillig machen – und die Hunde besser erzogen werden. Politisch hätte für ihn in dieser Hinsicht längst etwas passieren müssen. Und auch insgesamt gäbe es noch genug zu tun: „Die Liste, wo der Schuh drückt, ist unendlich lang.“ Ein paar Überarbeitungen in der Tierschutzhunde-Verordnung würden da nicht ausreichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort