Leverkusen Silvesterböller als gefährliche Waffe benutzt

Leverkusen · Ein "Kanonenschlag", von einem Fremden platziert, hat den Hausbriefkasten eines Hitdorfers zum Geschoss gemacht.

 Kleinholz: Von dem Briefkasten des Hitdorfers ist nicht viel übrig geblieben. Die hintere Klappe raste wie ein Geschoss durch das Foyer.

Kleinholz: Von dem Briefkasten des Hitdorfers ist nicht viel übrig geblieben. Die hintere Klappe raste wie ein Geschoss durch das Foyer.

Foto: Ralph Matzerath

Die Ehefrau steht drei Tage nach dem Vorfall immer noch unter Schock. Sie möchte nicht darüber sprechen, weil jede Erinnerung an den Freitagabend nach Weihnachten die Panik wieder aufkeimen lässt, die sie in jenen Momenten empfunden hat.

Es ist gegen 20.15 Uhr, die Tagesschau ist gerade vorbei und ihr Mann geht durchs Foyer des noblen Einfamilienhauses nahe der Hitdorfer Rheinpromenade, als plötzlich ein Donnerschlag ertönt. Die Frau denkt zunächst, auf ihren Gatten sei geschossen worden — und hat damit gar nicht einmal so unrecht.

 Der mutmaßliche Täter auf der Überwachungskamera.

Der mutmaßliche Täter auf der Überwachungskamera.

Foto: RM (Archiv)

Es ist in der Tat ein Geschoss, das den Hitdorfer Rentner um wenige Meter verfehlt, wenn auch anders als angenommen. Die rückwärtige Klappe des Hausbriefkastens ist von der Wucht einer Detonation quer durch den Eingangsbereich geschossen. Sie landet in einem wertvollen Holz-Sekretär und richtet dort einigen Schaden an. Gleich daneben steht jedoch ein Ohrensessel — und der Hitdorfer mag sich nicht vorstellen, "was alles hätte passieren können, wenn ich dort wie sonst so oft gesessen hätte".

Eine Untersuchung des Briefkastens ergibt wenig später: Es war ein starker Feuerwerkskörper, der die Detonation ausgelöst hat — offensichtlich von einem fremden jungen Mann dort platziert. Was der mutmaßliche Täter nicht weiß: Erst vor gut einer Woche hat der Hitdorfer eine Überwachungskamera über seinem Eingang installieren lassen. Die hat jetzt zwar gestochen scharfe Aufnahmen gemacht. Das Gesicht ist jedoch unter einer Kapuze verborgen. Gleichwohl glaubt der Hitdorfer, der inzwischen Strafanzeige gegen unbekannt gestellt hat, dass die Bilder der Kleidungsstücke ausreichen werden, den Täter zu identifizieren. "Ich werde außerdem eine Belohnung von 200 Euro aussetzen", kündigte er gestern an.

Der Mann empfindet den Böller im Briefkasten als Anschlag — und steht mit so einer Einschätzung generell nicht allein. Experten der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) sowie Ärzte warnen Jahr für Jahr vor den Folgen bestimmter Knallkörper. Manche — vor allem illegal hergestellte — entwickeln demnach eine Druckwelle fast wie bei einer Handgranate. Zerrissene Hände, abgetrennte Finger — was Ärzte in der Silvesternacht zu sehen bekommen, ist nicht selten sehr blutig.

Der Missbrauch von Krachern nimmt außerdem zu. Immer öfter werden sie schon Tage vor der Silvesternacht (nur da dürfen sie gezündet werden) dazu verwendet, andere zu erschrecken oder zu bedrohen. Und auch Verletzungen werden immer öfter billigend in Kauf genommen. Erst vor wenigen Tagen wurde in Fürstenwalde (Landkreis Oder-Spree) ein 32-jähriger Fußgänger durch einen Böller schwer verletzt. Der Feuerwerkskörper war in unmittelbarer Nähe des Mannes aus dem Fenster einer Wohnung geworfen worden.

Und auch beim Fußball-Drittliga-Derby zwischen dem VfL Osnabrück und Preußen Münster am 10. September hatte ein so genannter "Monster-Böller" 33 Menschen, darunter auch fünf Kinder verletzt. Viele von ihnen erlitten Knalltraumata und bleibende Hörschäden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort