Leverkusen Jan-Gregor Kremp fordert den Verstand

Leverkusen · Der bekannte Tatortkommissar füllte seine Rolle als Kabarettist auf der Scala-Bühne im "Heimspiel" als Leverkusener nicht nur aus. Jan-Gregor Kremp wirkte ehrlich, stimmte nachdenklich, war selbstironisch, humorvoll und bissig.

Jan-Gregor Kremp und Olaf Weiden im Scala-Saal Opladen: Grußlos, erwartet, aber doch unvermittelt sitzt der Schauspieler (bekannt derzeit auch als er Hauptkommissar Richard Voss) plötzlich zwischen den beiden künstlichen Tannenbäumchen am Steinway & Sons-Flügel, spielt Weihnachtsmusik an, flickt "...fehlt der Aussicht op dr Dom" beiläufig ein, während ihn Freund Olaf Weiden am ­Saxophon begleitet. Dem Publikum steht ein guter Abend bevor.

"Es war toll", wird gut zwei Stunden später eine Besucherin begeistert in der benachbarten Scala-Kneipe sagen, während zwei Meter entfernt Kremp mit Bekannten ein Kölsch genießt und Freund Weiden ein Weizen. Sie hatten es sich verdient.

Einen weihnachtlich-ruhigen Ausklang der Festtage bietet das Duo nicht. Kremp massiert die Herzen, appelliert ans Gefühl - und fordert den Verstand. Seine Überlegungen über den enthaarten, verständnisvollen Mann von heute klingen im ersten Ansatz heiter-komisch, wenn aber die Reflexion beim gerade vor Vergnügen glucksenden Zuhörer einsetzt, klemmt das Lachen irgendwie im Hals.

Viele Schlaglichter, die Kremp auf seine Biographie, die Schauspielerei oder die Vorurteile der Gesellschaft wirft, leuchten ganz schön gnadenlos die Realität aus.

Der bundesweit bekannte Leverkusener Kremp wirkt in den eigenen und fremden Texten nie als Schulmeister oder Besserwisser. Er beschreibt vieles als Entwicklungsprozess, dessen Phasen ihm zu ihrer Zeit alternativlos erschienen. Etwa dem Schüler Kremp, der beim Oberstufenfest im Freiherr-vom-Stein-Gymnasium mit Freunden überheblich auf die spießigen Mitschüler herabschaut, deren Leben voll geordnet und sicher vorbestimmt mit der Laufbahn beim Bayer enden wird. Im Alter fragt sich Kremp schon ganz nüchtern, ob das damalige Urteil so richtig war.

In der Provinz Leverkusen, die Kremp so liebt, dass er seit 2003 wieder hier lebt, wo er mit sechs Geschwistern aufwächst, hat das Bayer 04-Ehrenmitglied ein Heimspiel. Die Schulzeit in Schlebusch bezeichnet Kremp ironisch-bissig als "amtlichen Irrtum": "Kann es daran gelegen haben, dass ich einfach ein fauler Hund war", fragt er und hört ein lautes "Ja" aus dem abgedunkelten Saal. "Wer war das, eine Lehrerin von mir?" - "Nee, die Mutter eines Mitschülers", kommt als Antwort. Das wird auch Ehefrau Johanna Gastdorf amüsiert haben, die aus der siebten Stuhlreihe den Auftritt ihres Mannes verfolgte.

Kremp erinnert an seine nicht ganz leichte Jugendzeit, an den Wirsing mit Speck, an die Familienfeste, den offenbar nicht immer geduldigen, viel beschäftigten Vater. Es ist ein liebevoller, dennoch kritischer Blick zurück. Und der Schauspieler gedenkt einstiger Leverkusener Weggefährten. Auch den Menschen, die das Leben nicht genießen konnten.

Vieles kommt in Andeutungen daher, ist nur von Eingeweihten zu entschlüsseln, endet aber unter anderem in der Erkenntnis: "Man muss die Gosse kennengelernt haben, um den Vorgarten zu lieben."

Selbstironisch spielt Kremp auf seine unschmale Figur an, auf die Diätversuche. Und auf seine Schauspielerei, wo er allzu leicht als der Typ "Bösewicht" oder der "Schwule" festgelegt wird.

Oft sitzt die pointierte Kritik punktgenau, wirkt beim genau zuhörenden Zuhörer lange nach. Zwischendurch gönnt das Duo den Gästen musikalische Erholungsphasen, in denen Olaf Weiden die kleine Blockflöte als Instrument mit großem Potenzial präsentiert. (Wenn Blockflöten-Unterricht nur soviel Spaß machen würde...). In diesen hörenswerten Sequenzen nimmt sich Kremp am Flügel spürbar zurück.

Es ist die Mischung aus humorvoller, bissiger Kritik, aus Nachdenklichkeit und Unterhaltung, die den Abend "Kremp - ist mir so passiert" so eindrucksvoll macht. Gut, dass Kremp-Weiden dieses im Freudenthaler Sensenhammer erstmals getestete Programm ausgebaut haben.

Im Januar folgen unter anderem Auftritte in Bonn (28. Januar) und Köln (29. Januar).

(RP)
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