Edgar Allan Poe im Innenhof des alten Rittergutes in Leichlingen Schaurig-Schönes auf Gut Nesselrath

Leichlingen · Der Auftakt zur neuen Reihe „Kultur auf dem Hof“ – los ging es mit einer musikalischen Lesung – war ein voller Erfolg. Die Stadt hat drei Veranstaltungen als Ersatz für „Kultur im Schloss“ organisiert.

 Claudia de Boer und Saxofonist Daniel Gebauer ließen im gut besuchten Gutsinnenhof geheimnisvolle Stimmung aufkommen.

Claudia de Boer und Saxofonist Daniel Gebauer ließen im gut besuchten Gutsinnenhof geheimnisvolle Stimmung aufkommen.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Von der einst eindrucksvollen Burg der Familie von Nesselrode ist leider nichts mehr zu sehen. ein Blitzschlag löste am 16. Mai 1847 einen Brand aus, der Schloss Nesselrath so weit zerstörte, dass der mittelalterliche – 1303 erstmals urkundlich erwähnte – Rittersitz abgerissen werden musste. Von der großen Umfassungsmauer ist immerhin das Tor, früher einziger Zugang, erhalten. Durch das kamen am Sonntagabend die Besucher der Premieren-Veranstaltung von „Kultur auf dem Hof“ in den großen Innenhof, der noch heute umgeben ist von Wirtschaftsgebäuden und somit geeigneten Schutz bietet für eine Open-Air-Veranstaltung und zugleich genügend Platz und Frischluft für eine unbedenkliche Zusammenkunft in Corona-Zeiten. Familie Conrads hatte ihr landwirtschaftliches Betriebsgelände für diese Lesung zur Verfügung gestellt und dazu sogar die letzten Lücken mit mobilen Wänden aus Obstkisten geschlossen.

Die Atmosphäre von Gut Nesselrath schien genau passend zum Charakter der ersten von drei städtischen Kulturveranstaltungen, die relativ kurzfristig als Alternative zur Reihe „Kultur im Schloss“ geplant wurde. Improvisiertes Saxofon-Spiel zog die Aufmerksamkeit der etwa 100 Zuhörer und signalisierte in Ermangelung einer Theaterglocke den Beginn der „Ohrenbühne“ von Claudia de Boer und ihrem Musikerkollegen Daniel Gebauer, die in ihren Programmen Klassiker der Weltliteratur lebendig werden lassen. Am Sonntag waren es Texte des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe, dessen geheimnisvollen, rätselhaften und schaurigen Geschichten recht gut in diesen Ort passen, der irgendwie aus der Zeit gefallen ist.

Jedenfalls wenn man sich die technischen Geräte wie Traversen für Licht und Ton und schützende Zeltdächer wegdenkt. Gelegentliche Rundflüge von Schwalben-Familien oder das entfernte Schnattern der zukünftigen Weihnachtsgänse auf der Wiese wirkten fast wie inszenierte Beigaben zur Lesung, in der dunkle Mächte und unerklärliche Beobachtungen menschliche Urängste auslösen. Verstärkt hätte die Wirkung nur noch die hereinbrechende Dunkelheit zu späterer Stunde.

In seiner Heimat wurde Edgar Allan Poe weniger geschätzt, wurde als zügellos und alkoholabhängig hingestellt. In Europa wurde er dagegen nach Übersetzung zahlreicher Texte berühmt, was er vor allem der Unterstützung von Baudelaire, Jules Verne, Sir Arthur Conan Doyle und auch Dostojewski verdankte.

Vor der eigentlichen Lesung nannte die Theaterwissenschaftlerin Claudia de Boer einige biografische Daten, die manchmal auch die Entstehung von Poes Texten erklären. Etwa „Die Maske des roten Todes“, den de Boer wohl nicht zufällig für das Corona-Jahr gewählt hatte. In der 1842 veröffentlichten Erzählung verschanzen sich ein Prinz und sein Hofstaat in einer Abtei, während draußen eine rätselhafte Krankheit wütet. Doch der „rote Tod“ rafft auch dort (beim Maskenball) alle dahin. Poe hatte eine Cholera-Epidemie in Baltimore erlebt und zuvor seine Familie durch Tuberkulose verloren.

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