Fußball „Kette“ ist Baumbergs Mann in China

MONHEIM · Marco Ketelaer gehörte bis zum Sommer noch zum Trainerstab des Oberligisten. Jetzt arbeitet er im Reich der Mitte.

 One night in Hongkong: Marco Ketelaer fand auch den Zwei-Tages-Ausflug in die ehemalige britische Kolonie und heutige Sonder-Verwaltungszone atemberaubend: „Das ist ohne Worte. Ein Knaller.“

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Foto: MK

Irgendwie war klar, dass es so kommt. Schon an der Sandstraße im Trainerstab des Fußball-Oberligisten SF Baumberg (SFB) galt Marco Ketelaer als offener Typ. Der 49-Jährige, den eigentlich alle nur „Kette“ nennen, geht auf Menschen zu – und er ist Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen. Deshalb war erstens logisch, dass er das Angebot annehmen würde, aus seiner Arbeit für die „Knappen-Fußball-Schule“ des Bundesligisten FC Schalke 04 mehr zu machen. Die Übersetzung in diesem Fall: „Ich gehe für ein Jahr nach China.“

Seit Anfang September lebt der Fußballer aus Leidenschaft nun seinen Traum. Und bereut hat er seinen Schritt noch keine Sekunde – im Gegenteil. „Alles in allem fühle mich unheimlich wohl hier“, sagt Ketelaer, „und ich bin sehr dankbar, dies alles erleben zu dürfen. Man sieht mich nicht als ausländischen Gast, sondern ich bin schon ein Teil des Ganzen. Ich bin voll integriert.“

Ketelaers Arbeitsplatz als Trainer ist die 3,5-Millionen-Stadt Kunshan und sein Arbeitsgeber eine dortige Fußball-Entwicklungs-Gesellschaft. Zunächst sollte er sich federführend vor allen Dingen um den sportlichen Nachwuchs in der Altersklasse U 11 kümmern. Inzwischen ist allerdings mehr draus geworden, denn junge Spieler der Altersklassen U 9 und U 13 gehören jetzt ebenfalls zu seinen Schützlingen. „Mein Tätigkeitsfeld hat sich erweitert“, bestätigt Ketelaer, „es geht einfach darum, die breite Basis zu fördern und die Jungs dann möglichst bei der Stange zu halten.“ Weil der enge Bezug zu den Schalkern nach wie vor lebt, gibt es zudem immer wieder eine Rückkopplung und Unterstützung aus der Heimat.

Als sich der gebürtige Mönchengladbacher vor zwei Monaten im September in Kunshan einzurichten begann, musste er nicht ganz bei null anfangen – weil er die Verhältnisse von ein paar Kurz-Aufenthalten vorher immerhin ein bisschen einzuschätzen wusste. Und ein fremdes Sprachengemisch? Andere Menschen? Eine ganz andere Kultur? Marco Ketelaer saugt alles in sich auf. Und wo die Sprachkenntnisse auf beiden Seiten nicht reichen, nehmen sie eben Hände und Füße zu Hilfe. So hat die Verständigung mehr oder weniger von Beginn an ganz gut funktioniert – zur Not auch in einer kuriosen Mischung aus chinesischem Dialekt, Englisch und Deutsch. Ketelaer muss im Rückblick fast sogar lachen: „Da haben wir uns manchmal dabei erwischt, wie in einem Satz drei verschiedenen Sprachen vorkamen.“

Das bunte Durcheinander trug Früchte, denn beim „Kunshan-Cup“ kürzlich boten die Gastgeber überzeugende Leistungen. Der Turniersieg ging trotzdem an die Schalker, die das Finale gegen Düsseldorf gewannen (4:2). „Das Ganze war aber nicht nur ein sportlicher Vergleich, sondern auch ein Treffen junger Sportler aus unterschiedlichen Kulturen“, betont Ketalaer.

Im Riesenreich China sieht er sich in seiner Freizeit intensiv um und viele Dinge an. Längst hat Ketelaer eine Stamm-Bankfiliale und ein Lieblingsbäckerei. „Ich glaube, da könnte ich sogar anfangen“, scherzt der Fußballer aus Leidenschaft. Seine Welt ist nicht die Politik, sondern der direkte Kontakt zu den Menschen. „Viele geben mir zu verstehen: Du gehörst zu uns“, erzählt Marco Ketelaer, der daran nicht mal was Besonderes findet: „Das hängt doch einfach davon ab, wie du dich selber gibst. Dann ergibt sich das in kürzester Zeit.“ Nach dem Stand von jetzt steht schon fest, dass er das vorgesehene eine Jahr auf jeden Fall durchzieht. Und dann? „Ich würde sagen, Ende offen.“ Weil Ketelaer bei aller Euphorie auch eine ausgeprägten Sinn für die Realität hat, weiß er, dass vermutlich irgendwann so etwas Ähnliches wie der Alltag einkehrt: „Im Moment bin ich einfach super-happy. Nach einem halben Jahr werde ich aber vermutlich alles gesehen haben.“

 So geht Bank in China: Roboter sollen dem Kunden den Weg weisen. Marco Ketelaer hat sich schnell an den erstaunlichen „Mitarbeiter“ gewöhnt.

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Foto: MK
 Zwei Herzen schlagen in seiner Brust: Der FC Schalke 04 hat Marco Ketelaer nach China geschickt und Kunshan ist jetzt seine Heimat auf Zeit.

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Foto: MK
 Fachverkäufer: Marco Ketelaer findet das Angebot an Backwaren in Kanshun überragend. Auch hinter der Ladentheke kommt er gut zurecht.

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Foto: MK

Wenig zu sehen bekommt Ketelaer zurzeit natürlich von den Sportfreunden Baumberg, deren Entwicklung er trotzdem über die digitalen Medien verfolgt: „Ich freue mich tierisch, dass sie im Moment wieder so gut stehen. Es zeigt sich, dass da eine gewachsene Mannschaft auf dem Platz steht. Paco und Ede machen das überragend.“ Paco heißt mit vollem Namen Francisco Carrasco und ist als Trainer für die Auftritte des Teams verantwortlich. „Mit ihm habe ich noch regelmäßig Kontakt“, erklärt Ketelaer, der erst in ein paar Wochen erneut für einen kurzen Besuch nach Hause kommt. Weihnachten wird er mit seinem im Sommer eingeschulten Sohn und seiner Familie verbringen. Dann zieht es selbst einen wie ihn, der neugierig auf das Fremde und das Neue ist, zurück zu den Wurzeln.

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