Krefelder Künstler Ignacio Uriarte denkt mit den Händen

Krefeld · Ignacio Uriarte wurde 1972 in Krefeld geboren und ist schon als Schüler häufig im Kaiser-Wilhelm-Museum gewesen. Jetzt stellt der Künstler, der in Berlin lebt, in der zweiten Etage des KWM aus.

 Museumsleiterin Katia Baudin setzt Arbeiten des Krefelder Künstlers Ignacio Uriarte in einen spannenden Kontext.

Museumsleiterin Katia Baudin setzt Arbeiten des Krefelder Künstlers Ignacio Uriarte in einen spannenden Kontext.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Am Anfang waren die Strukturen: Linien und Reihen auf einem Klingelschild, memorierte Türmchen mit Konjugationen oder die regelmäßige Abfolge im Gottesdienst zu Messdienerzeiten. Dann kam das Studium mit starkem analytischen Anteil und die Arbeit mit akkuraten Tabellen: Ignacio Uriarte ist geprägt von Ordnungen.

Zwei Beispiele dafür stellt der Künstler nun auf Einladung des Kaiser-Wilhelm-Museums in der zweiten Etage aus. Ignacio Uriarte wurde 1972 in Krefeld geboren und ist schon als Schüler häufig im Kaiser-Wilhelm-Museum gewesen.

Sein „Sammlungssatellit #5“ trägt mit zwei großen umfangreichen Arbeiten, in Bezug gesetzt zu Werken aus dem Bestand des KWM, den Titel „Den Zufall ordnen“. Uriartes Materialien stammen wie seine Anordnungserfahrungen wie Raster, Sequenzen, Tabellen sämtlich aus der Bürowelt: Papier, Bleistifte, Permanent Marker. Bei zwei über Eck platzierten Papierinstallationen wechseln sich Hell- und mittelgrau ab – meint man. Es sind jedoch die geradlinigen Faltungen und der dadurch je verschiedene Lichteinfall, die auf „Zickzack Expansion und Kontraktion“ unterschiedliche Helligkeiten entstehen lassen. Was man übrigens erst bei sehr genauem Hinschauen erkennt.

„Licht und Schatten zu strukturieren“, sagt Uriarte vom zugeschalteten Bildschirm aus Berlin, „das ist wie eine magische Formel.“ Und es habe auch meditativen Charakter: „Linien zu zeichnen ist wie Stricken oder Rosenkranz beten, wie pflügen auf einem Feld. Es fordert Konzentration und ermöglicht das Nachdenken.“

Mit Linien hat er das ebenso ortsspezifische „Krefelder Fenster“ (2020) geschaffen. Mit Permanent Marker auf Papier hat Uriarte hier fünf Rechtecke mit je dreimal drei Zeichnungen komponiert. Es ist eine Typologie von Farben entstanden, die der Künstler  als „atmosphärisch“ beschreibt: „Es ist schön, wenn man mit den Händen denken kann.“ Der Ursprung für die Krefelder Fenster war vor geraumer Zeit Uriartes Wunsch, monochrom zu zeichnen. „Aber hier wurden die Ränder immer dunkler und es entstand ein dreidimensionaler Effekt“, sagt er. Das Ungeplante war hier zugleich das Interessante und machte die Entwicklung erst möglich.

Uriarte hat seinen Arbeiten in diesem Ausstellungsraum Werke aus dem Bestand des Hauses hinzugesellt, die er in einem Dialog sieht. So etwa „1024 Farben“ von Gerhard Richter, auf dem verschiedenfarbige Quadrate nach Zufallsprinzip angeordnet sind. Oder einen Kreis aus Steinen von Richard Long, der schon seit 1978 dem Haus gehört. Das hat ihn als Jugendlichen beeindruckt. Uriarte assoziiert mit rund angeordneten Steinen auch Wasser, in den ein Stein hineinfällt: „Die Wellenform steht im Bezug zu meiner Arbeit“, sagt er. Poetisch fällt die Verbindung zu „Boats“ von Bethan Huws aus. Die Künstlerin hat kleine Schiffe in einem Glaskasten angeordnet: Jedes einzelne Bötchen ist achsensymmetrisch, aber ihre Reihung ist diagonal und damit nicht mehr exakt spiegelbar. Auch hier sind Wellen, Spannung und Reihung verwandte Elemente der unterschiedlichen Künstler.

Besonderen Lichtwirkungen ordnet Uriarte ein Hohlspiegelobjekt des Uerdingers Adolf Luther zu, der Geradlinigkeit und Uniformität ein „Bücherregal“ von Katharina Fritsch. So ist das Gegenüber von Uriarte und den von ihm ausgewählten Künstlern ein Blick auf 100 Jahre Kunstgeschichte – und dem Besucher mögen durchaus noch andere Assoziationen einfallen.

Die Räume um das Entree herum bieten dem Betrachter einen Blick auf die „Highlights der Sammlung 21. Jahrhundert.“ Jüngste Ankäufe oder Schenkungen von Künstlern, Designern und Architekten aus dem 21. Jahrhundert sind hier versammelt. Sie kamen durch die Freunde der Kunstmuseen, die Kulturstiftung der Spardabank und die dem Haus eng verbundene Heinz- und Marianne-Ebers-Stiftung ins Museum. „Wir haben eine enge Verbindung zwischen den Ausstellungen und der Sammlung geschaffen“, sagt Museumsleiterin Katia Baudin, „fast alle Arbeiten sind ortsspezifisch.“

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