Schließung in Krefeld Tränen zum plötzlichen Ende der Schulzeit

Krefeld · C wie Corona: Die Abiturgeneration muss ihre Prüfungen unter einmaligen Bedingungen ablegen. Ist die Prüfungsangst gewachsen? Wie sehen sie die ausfallenden Abi-Feierlichkeiten? Vier Betroffene berichten.

 „Wir haben uns auf den Abigag und die Mottowoche gefreut“: Abiturientin Laurien Dröge (18) berichtet über die Reaktionen auf das plötzliche Ende der Schulzeit.

„Wir haben uns auf den Abigag und die Mottowoche gefreut“: Abiturientin Laurien Dröge (18) berichtet über die Reaktionen auf das plötzliche Ende der Schulzeit.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Als Laurien Dröge (18) am Freitagmorgen zur Schule fuhr, wusste sie noch nicht, dass das ihr letzter Schultag sein würde – für immer. „Es haben mehrere Schüler geweint bei uns“, erzählt Laurien, „es kam einfach sehr plötzlich.“ Ab diesen Montag bleiben alle Schulen in ganz NRW für drei Wochen bis zu den Osterferien geschlossen. Manche Schüler mögen den Ausfall einfach als Ferien ansehen – doch für die Schüler, die 2020 ihre Abiturprüfungen ablegen, wären es die letzten drei Wochen Unterricht gewesen. Außerdem fallen sämtliche Feierlichkeiten wie die Mottowoche, der Abigag und die Abi-Aid-Gala aus.

Laurien geht auf das Horkesgath-Gymnasium. Für sie und ihre Freundinnen war die Schulschließung ein schwerer Schock. „Wir haben uns auf den Abigag und die Mottowoche gefreut“, erzählt sie. „Und wir haben uns darauf gefreut, den letzten Schultag zu genießen und auch zu wissen, dass es der letzte Schultag ist.“ Laurien kann nachvollziehen, dass dass die Schulen geschlossen werden mussten – dennoch ärgert es sie.

Mehr Angst als vorher hat sie aber nicht vor den Prüfungen. In den Leistungskursen seien sie im Unterricht bereits mit dem Stoff durchgekommen – lediglich die Wiederholungsphase wurde unterbrochen. „Das müssen wir jetzt natürlich alleine zu Hause machen – ohne die Materialien, die die Lehrer uns sonst zum Üben gegeben hätten“, ärgert sie sich. In anderen Fächern, wie zum Beispiel Mathe, wurde das letzte Thema noch gar nicht beendet. Wie der fehlende Stoff aufgeholt wird, wissen die Schüler des Horkesgath-Gymnasiums noch nicht. „Die Lehrer müssen natürlich selber erstmal gucken, wie das jetzt weitergeht und wie sie uns helfen können“, sagt die 18-Jährige.

Natürlich sei es durch die Schulschließung schwerer geworden, sich auf die Abiturprüfungen vorzubereiten – auf der anderen Seite haben die Schüler aber jetzt drei Wochen mehr Zeit, zu lernen. „Gut ist, dass wir uns durch die Schulschließung unsere Zeit selber einteilen können. Deswegen mache ich mir nicht mehr Sorgen um die Prüfungen als vorher.“ Trotzdem müssen einige Schüler ihre Lernplanung etwas ändern. „Ich hatte vor, Vorbereitungskurse an den Volkshochschulen zu belegen. Aber da melde ich mich jetzt auch nicht mehr an, schließlich gehe ich davon aus, dass auch die alle abgesagt werden.“ Stattdessen wird die Schülerin sich mit Freundinnen einzeln zuhause treffen, um sich gemeinsam vorzubereiten.

Ob die Abiturzulassung in drei Wochen letzten Endes einfach per Post geschickt werden wird oder ob die Schüler doch noch einmal in die Schule kommen müssen, wissen sie noch nicht. Was aber neben der  Lernerei auch nicht untergehen darf, das ist das Feiern – die Freude darüber, dass die Schulzeit nach all den Jahren zu Ende ist. Deswegen ist es für die Abiturienten umso ärgerlicher, dass die Mottowoche wegfallen wird. Traditionell verkleiden sich die Schüler in der letzten Schulwoche jeden Tag nach einem anderen Motto – und machen neben dem Unterricht ein wenig Party.

Am letzten Schultag hätten die Schüler den „Abigag“ organisiert – ein Tag, an dem die Abiturienten den Lehrern und Mitschülern lustige Streiche spielen. „Auch der fällt jetzt ins Wasser“, berichtet Laurien. „Ob wir die Feierlichkeiten noch nachholen können, wissen wir nicht. Und die Zukunft des Abiballs ist auch noch unklar – schließlich können wir nicht sagen, wie die Situation Ende Juni aussehen wird. Bis dahin ist ja noch ein bisschen Zeit.“

Jonas K. (18), der ebenfalls das Horkesgath Gymnasium besucht, ist auch verärgert über die Schulschließung. „Ich denke, dadurch wird eine Chancenungleichheit für die Abiturienten erzeugt“, sagt er. „Auch wenn wir einige Materialien per Mail bekommen, sind der direkte Kontakt mit den Lehrern und persönliche Gespräche sehr wichtig. Für einige Schüler ist es vielleicht auch sehr demotivierend, dass die Mottowoche ausfällt. Erst hieß es ja, dass die Schule erst am Mittwoch schließt, und ich denke, das wäre besser gewesen.“ Auch er wünscht sich, dass die Mottowoche nachgeholt wird. „Wir wollen Montag- oder Dienstagmorgen mal nachfragen, da ist die Schule ja aus Betreuungsgründen noch geöffnet. Aber wir brauchen ja auch eine Genehmigung für so eine große Veranstaltung.“

Erstmal wird er sich jetzt darauf konzentrieren müssen, noch fehlenden Stoff aus dem Biologie-Unterricht nachzuholen. „Ob die Maßnahme notwendig war, kann ich nicht beurteilen, schließlich sitze ich nicht im Gesundheitsamt. Was ich aber weiß, ist, dass es definitiv zu plötzlich passiert ist. Das finde ich nicht gerechtfertigt.“ Jonas findet, hätten die Schüler eine Woche Zeit gehabt, sich auf die Schließung vorzubereiten, wäre es einfacher gewesen, noch wichtige Dinge mit den Lehrern zu besprechen. Außerdem sei es nicht fair, dass die Schüler nun nicht mehr die Möglichkeit bekommen, in den Nebenfächern ihre mündlichen Noten aufzubessern.

Dass die Abiprüfungen stattfinden, daran hat er jedoch keinen Zweifel. „Ich denke, das würde wirtschaftlich große Probleme mit sich ziehen. Deswegen gehe ich davon aus, dass die stattfinden, wie geplant.“

Lisa Waldow (19) wohnt in Hüls und besucht das St. Bernhard Gymnasium in Willich. Ihre Leistungskurse sind Deutsch und Pädagogik. „Ich sehe die Schulschließung mit gemischten Gefühlen. Einerseits verpassen wir die Wiederholungen mit den Lehrern, andererseits können wir uns jetzt auf die Abiturfächer konzentrieren.“ Sie ist in der Schule mit dem Stoff ihrer Abifächer durchgekommen und muss sich somit nichts mehr zu Hause beibringen. „Ich mache mir aber auf jeden Fall jetzt mehr Sorgen um die Abiprüfungen“, berichtet sie. „Aktuell mache ich noch einen Mathe-Nachhilfe-Kurs. Im Moment wurde der auch noch nicht abgesagt. Sollte der aber auch noch ausfallen, wäre das gerade in Mathe ein großes Problem für mich.“ Am vergangenen Freitag saß sie bereits in der Bahn auf dem Weg nach Hause, als sie erfuhr, dass die Schulen ab Montag geschlossen bleiben. „Ich wusste den ganzen Tag nicht, dass das mein letzter Schultag ist“, berichtet sie.

Emily Allen (19) besucht das Berufskolleg Vera Beckers und steht ebenfalls kurz vor ihren Abiturprüfungen. Am Freitag hat sie noch ihre letzte Vorabiklausur geschrieben, als sie erfuhr, dass sie nie wieder würde zur Schule gehen müssen. Sie findet die Maßnahmen allerdings weniger störend. „Ich denke, da war eh die Luft raus“, findet sie. „Keiner hatte mehr wirklich Lust, zur Schule zu gehen.“ Theoretisch hat sie zwar jetzt mehr Zeit zu lernen, aber praktisch geht sie davon aus, dass sie ohnehin nicht sofort mit den Abiturvorbereitungen beginnen wird. „Ich denke, ich suche mir eine andere Beschäftigung, vielleicht noch ein anderes Hobby neben dem Sport.“ Sie könne dennoch schneller und besser lernen, indem sie im Unterricht einfach zuhört und mitmacht, weswegen die Vorbereitungen in eigenständiger Arbeit jetzt mit Sicherheit schwerer werden. „Aber die Gesundheit geht natürlich vor“; findet sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort