Ärger um Anliegerbeiträge Teures Pflaster
Kranenburg-Nütterden · In Kranenburg ist ein Neubaugebiet geplant, das den Namen Auf dem Poll trägt. Die Politik ist dafür. Die rund um das Areal wohnenden Bürger sind geschockt. Sie sollen horrende Anliegerbeiträge zahlen.
Andreas Mayer ist 58 Jahre alt und wohnt elf davon auf der Straße Auf dem Poll in Nütterden. Wenn er aus dem Fenster schaut, blickt er auf eine weite Wiese. Neben dem Gras sind Pferde und die aufgehende Sonne das Einzige, was noch zu sehen ist. Doch ist das Ende der Idylle nah. Auf dem Areal hinter seinem Haus soll ein Baugebiet entstehen. Das hat der Rat der Gemeinde so entschieden. Mayer sitzt für Bündnis 90/die Grünen in dem Gremium. Bei der Abstimmung über die Aufstellung eines Bebauungsplans erklärte er sich für befangen und stimmte nicht mit ab.
Kranenburg kann Baugebiete gebrauchen, weil es reichlich Interessenten gibt. Vor allem der Trend zum freistehenden Eigenheim ist ungebrochen. Seit Jahren erfreuen sich die niederländischen Nachbarn an günstigen Immobilien sowie Grund und Boden. Mittlerweile kommen auch immer mehr Klever, die Probleme haben, in der Kreisstadt eine passende Bleibe zu finden. Das jetzt geplante Wohnbaugebiet ist umgeben von den Straßen Auf dem Poll, Römerstraße, Schaafsweg und Pollseweg. Es soll die Lage auf dem Kranenburger Grundstücksmarkt entspannen. Für Andreas Mayer und etliche Anlieger hat sich das mit der Entspannung erledigt. Nicht allein die schöne Aussicht ist dahin, sondern auch viel Geld weg. Grund dafür: Vor dem Haus wird die Straße neu erschlossen. Seit Jahrzehnten wohnen Nütterdener an dem Weg. Er war ihnen immer gut genug. Doch da jetzt auf der Wiese neue Eigenheime geplant sind, werden die Hausbesitzer durch Gebühren zur Kasse gebeten. Neue Straße, Bürgersteige, Kanäle — nach ersten Rechnungen sind es bis zu 15.000 Euro, die Anlieger überweisen sollen. Geld, das nicht jeder in der Schublade liegen hat. Auch Andreas Mayer nicht. Er muss sich einen Sparvertrag auszahlen lassen. „Ich hatte das Geld eingeplant, um irgendwann die Hypothek zu tilgen“, sagt er. Jetzt zahlt er die Rechnung für neue Rohre und neuen Asphalt. Doch kennt Mayer auch Nachbarn, die das Geld nicht haben und dafür einen Kredit aufnehmen müssen. Auch wenn Bürger die Beiträge, ohne in eine finanzielle Schieflage zu geraten, stemmen können: Es ist ein teures Pflaster.
Doch ist es nicht ausschließlich Geld, was Bürger stört. Jan-Theo Baumann (43) wohnt am Schaafsweg. Für ihn ist die Planung, wenn überhaupt, nur wenig durchdacht: „Da werden Wege als Erschließungsstraßen ausgewiesen, die den Verkehr nicht aufnehmen können.“ Er hat erste Bilder von abgefahrenen Mäuerchen gemacht, weil Fahrzeuge Probleme hatten, die Kurve zu kriegen. Dasselbe gilt laut Baumann auch, wenn das Wohngebiet fertiggestellt ist. „Wie sollen die Fahrzeuge bei den Straßenverhältnissen problemlos fahren können? So, wie es vorgesehen ist, wird es nicht funktionieren“, erklärt Baumann.
22 Häuser (nur freistehende und Doppelhaushälften) sind von den Planern in einem Entwurf auf den zwei Hektar eingezeichnet. Etwa 70 Bürger sollen ein Zuhause finden. Doch ist das Gebiet damit nicht komplett verbaut. Baumann wird sich im Rahmen der Offenlage, bei der jeder seine Bedenken vortragen kann, äußern. Falls notwendig auch Rechtsmittel einlegen. Baumann ist Anwalt. Wem das neue Baugebiet gut tun wird, ist dem Haushalt der Gemeinde.
Auch die Käufer werden Gefallen an ihrem Grundstück haben. Denn wer hier eins erwirbt, dem sind in seiner Kreativität beim Bau kaum Grenzen gesetzt. Jeder Stadtplaner würde bei dem Gestaltungsspielraum kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, was Bürgermeister Günter Steins erklärte: „Ob Satteldach, Flachdach, Pultdach, Walmdach – ich will den Leuten nicht vorschreiben, wie sie bauen müssen.“ Lediglich die Höhe ist begrenzt. An einer Stelle des Baufelds soll eine Kita errichtet werden, mit einer im Obergeschoss integrierten Altenpflegetagesstätte. Der Rat stimmte dafür, der Bürgermeister nicht. Warum? „Das passt nicht in das Gebiet. Ausmaße von 42 mal 24 Metern, das ist ein Monument. Hinzu kommt das Verkehrsaufkommen, das durch die Einrichtung entsteht.“ Etliche davon fahren über die neue Straße, die auch Mayer und seine Nachbarn bezahlt haben.