Kaarst Walters Plädoyer für Europa

Kaarst · Vor rund 130 Zuhörern sprach am Dienstag, im Rahmen der VHS-Reihe "Dialog Zukunft", der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Professor Norbert Walter in Kaarst – über den Euro, die Krise und Lösungsansätze.

 Prominenter Gast: Norbert Walter referierte am Dienstagabend vor rund 130 Gästen in der Kaarster Rathausgalerie.

Prominenter Gast: Norbert Walter referierte am Dienstagabend vor rund 130 Gästen in der Kaarster Rathausgalerie.

Foto: Hans Jazyk

Professor Norbert Walter war 19 Jahre lang Chefvolkswirt der Deutschen Bank. In der Vortragsreihe "Dialog Zukunft – wie wollen wir leben?" hörten rund 130 Besucher in der Rathausgalerie jetzt ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa. Der Referent hält nichts von Gedankenspielen, beispielsweise den Griechen ihre alte Währung zurückzugeben. Beide Großväter waren in den Weltkriegen gefallen, und als der Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkam, war Norbert Walter zweieinhalb Jahre alt. "Ich bin der Erste in unserer Familie, der über 60 Jahre in Frieden und in Freundschaft mit den Nachbarn und deshalb in Wohlstand leben konnte", erklärte der prominente Redner: Ein klares Bekenntnis zu Europa, das er später "einen wunderbaren Schatz, einen Hort großer geistiger Freiheit" nannte.

Gibt es überhaupt eine Euro-Krise? Walter gab zu bedenken, dass die Gemeinschaftswährung nicht beschädigt sei. Sie habe auch die Inflation insgesamt nicht in die Höhe getrieben, auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet werde. Warum dann trotzdem unablässig von der Euro-Krise gesprochen werde? "Weil innerhalb Europas einige Länder die Regeln nicht ernst genug genommen haben." Daraus ergäben sich "Rettungsnotwendigkeiten". Der "Prozess der wirtschaftspolitischen Korrektur" werde einige Jahre dauern. Der Ökonom warnte vor ideologischen Sichtweisen und vor Engstirnigkeit. Es gelte, Ländern wie Griechenland zu helfen, das Geld zur Reduzierung ihrer Schulden selbst zu verdienen. Dazu bedürfe es eines langen Atems. Für Irland gab der Referent eine günstige Prognose ab, verglich sie mit den Sachsen: "Sie werden eine Wachstumsdynamik schaffen." Griechenland müsse von anderen Ländern beim Aufbau einer effizienten Verwaltung unterstützt werden. Aber: "Wir dürfen nicht erwarten, dass die Griechen so werden wie wir."

Wird Deutschland immer Zahlmeister bleiben? Walter geht nicht davon aus, weil er Probleme auf das Land zukommen sieht, die andere europäische Länder in diesem Ausmaß nicht haben. "Die demografische Perspektive ist in Ländern wie Großbritannien und Frankreich besser." Nirgendwo sei in Deutschland das Fehlen von Kindern so ausgeprägt wie in der Bildungsschicht. Walter riet: Die Deutschen sollten ihre Stärken umfassend erkennen und darüber sprechen. Und sie sollten die Sehnsucht haben, diese Stärken auf die kommenden Generationen zu übertragen.

(NGZ)
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