Hilden Historisch 121 Jahre Kaufhaustradition der Familie Schnatenberg

Das Kaufhaus Schnatenberg an der Mittelstraße ist längst Geschichte. Mehr als ein Jahrhundert lang hat es das Gesicht der Mittelstraße geprägt. Hier lesen Sie sieben Fakten, die Sie so vielleicht noch nicht kannten.

Hilden: Kaufhaus Schnatenberg prägte das Gesicht der Mittelstraße
15 Bilder

Das Kaufhaus Schnatenberg prägte das Gesicht der Mittelstraße

15 Bilder
Foto: Rolf Schnatenberg/Christoph Schmidt

Rolf Schnatenbergs Stimme hat sich in das Gedächtnis vieler Hildener eingebrannt. Der Besitzer des gleichnamigen Kaufhauses hat die Werbeblöcke für die Produkte in dem Geschäft an der Mittelstraße selbst eingesprochen – bis es 2004 geschlossen wurde. Wir haben sieben Fakten zum Kaufhaus Schnatenberg zusammengetragen, die Sie so vielleicht noch nicht kannten.

1. Gründung 1883 brach der junge Louis Schnatenberg in Sprockhövel auf, um in der Fremde sein Glück zu machen – nicht in Amerika, sondern in Hilden. Im Haus seiner Verwandten an der Mittelstraße 35 eröffnete der Kaufmann ein „Manufactur“-Geschäft mit gerade einmal 45 Quadratmetern Verkaufsfläche. Der junge Mann bot Modeartikel, Kurz-, Woll- und Weißwaren an. Das Geschäft florierte. Nicht zuletzt dank der tatkräftigen Mithilfe von Ehefrau Cäcilie. Schon 1907 konnten die Hildener die Angebote in fünf Schaufenstern bewundern. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Gustav Schnatenberg das Geschäft. Die Zeiten waren schwierig. Dennoch konnte der Sohn des Firmengründers neue Abteilungen einrichten und nach dem Umbau 1927 das damals größte Hildener Textilhaus eröffnen. Willi Schnatenberg wohnte damals auch mit seinen Eltern Gustav und Sibylle sowie den älteren Geschwistern Heinz und Cilly in dem Haus Mittelstraße 35.

2. Nationalsozialismus In Nummer 37 lebte der jüdische Hausbesitzer und Geschäftsmann Carl Herz mit seiner Familie. Gustav Schnatenberg hatte von Carl Herz die Schaufensterfront gepachtet. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Carl Herz ermordet. Willi Schnatenberg hat sich daran 2004 in der RP erinnert: „Plötzlich fuhren Lastwagen durch die Mittelstraße. Mit voller Beleuchtung. Ab und an hielten sie an, ließen die Motoren laufen und machten einen Höllenlärm. Auf dem Weg zum Helmholtz-Gymnasium sahen wir am anderen Morgen, dass etliche Schaufenster an der Mittelstraße eingeschlagen waren und Teile der Auslagen einfach auf die Straße geworfen worden waren.“ Später erzählten die Eltern dem damals Elfjährigen, dass Herr Herz erstochen worden war. Mehr erfuhr das Kind nicht. Aber im Hinterhof, beim Müll, fand der Junge eine blutgetränkten Badezimmerteppich. Carl Herz’ Söhne Otto und Manfred wurden 1942 in Ausschwitz ermordet. Drei Stolpersteine vor dem Haus erinnern an sie. Gustav Schnatenberg kaufte das Nachbarhaus Nr. 37. Der Kaufpreis floss in Reichsmark auf Geheiß der Nationalsozialisten auf ein Sperrkonto. Nach dem Krieg meldete sich ein Rechtsanwalt und forderte im Namen der überlebenden Herz-Erben den Kaufpreis noch einmal. Die Schnatenbergs zahlten ein zweites Mal, diesmal in D-Mark.

3. Neuanfang 1949 wagte Sibylle Schnatenberg mit ihren Söhnen Heinz und Willi einen Neuanfang und brachte das Geschäft wieder in Schwung. 1958 wandelte sich das Textilhaus zum Kaufhaus. Der Anschluss an den Kaufring 1972 brachte Schnatenberg Vorteile. Obwohl das Geschäft selbstständig blieb, konnte es über den Einkaufsverbund günstig Waren einkaufen. Senior-Chef Heinz Schnatenberg starb am 1. Februar 2004 mit 79 Jahren.  

4. Rolf Schnatenberg Heinz Schnatenbergs Sohn Rolf übernahm 1983 die Leitung der Firma. Zuvor hatte er die Wilhelm-Fabry-Realschule sowie die Höhere Handelsschule in Düsseldorf besucht und ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Düsseldorf abgeschlossen. 1975 bis 1982 verbrachte er in den USA, arbeitete dort als Abteilungsleiter/Geschäftsführer der Kaufhalle. Er war viele Jahre lang Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes und machte sich dafür stark, dass sich alle Händler der Innenstadt als „Hilden-Kaufhaus“ verstehen sollten.  Nach der Geschäftsaufgabe 2004 hatte Rolf Schnatenberg keine Langeweile: Er ist nach wie vor Mitglied im Einzelhandelsverband Mettmann, engagiert im Kirchenvorstand und ist Lions-Club-Mitglied.

5. Literatur Im Jahr 2003 erschien der erste Jugendkrimi des Hildener Autors Oliver Pautsch unter dem Titel „Mordgedanken“. „Der Titel war ein bisschen irreführend, denn es kommt gar kein Mord in dem Buch vor“, verrät der Autor. Dieser Jugendkrimi war der erste in einer Reihe, die sich Labyrinth-Krimis nannte, und sich an Jugendliche ab zwölf Jahren richtete. Oliver Pautsch schrieb weitere Jugendkrimis für diese Reihe. Und in seinen Büchern hat der Hildener auch das Kaufhaus Schnatenberg verewigt. Dort taucht es als „Kaufhaus Gartenberg“ auf – viele andere Hildener Plätze oder Einrichtungen kommen ebenfalls mit anderen Namen in Pautschs Büchern vor.

6. Abriss Bei den Eigentümern des Kaufhauses Schnatenberg gab es unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Unternehmens. Am 17. März 2004 wurden zum letzten Mal die Eingangstüren geöffnet. 121 Jahre hatte die Familie Schnatenberg in vier Generationen das Geschäft geführt. Das Gebäude wurde abgerissen und an seiner Stelle ein neues Kaufhaus gebaut. Dort zogen am 2. März 2005 Deichmann, H&M und Street One ein.

 Die weihnachtlich beleuchtete Mittelstraße im Jahr 1951. Links der Ratskeller, daneben das Kaufhaus Schnatenberg. Damals fuhren noch Autos und die Straßenbahn durch die Innenstadt.

Die weihnachtlich beleuchtete Mittelstraße im Jahr 1951. Links der Ratskeller, daneben das Kaufhaus Schnatenberg. Damals fuhren noch Autos und die Straßenbahn durch die Innenstadt.

Foto: Rolf Schnatenberg/Christoph Schmidt
 Schlußverkauf im Jahr 2004 mit Rolf Schnatenberg.

Schlußverkauf im Jahr 2004 mit Rolf Schnatenberg.

Foto: Fries, Stefan (frs)
Auf dieser Postkarte von 1883 ist in der Mitte das Manufactur-Geschäft von Louis Schnatenberg zu sehen.

Auf dieser Postkarte von 1883 ist in der Mitte das Manufactur-Geschäft von Louis Schnatenberg zu sehen.

Foto: Rolf Schnatenberg/Christoph Schmidt
Der Ausgang zum Kronengarten – die Aufnahme stammt vermutlich aus den 1970/80er Jahren.

Der Ausgang zum Kronengarten – die Aufnahme stammt vermutlich aus den 1970/80er Jahren.

Foto: Rolf Schnatenberg/Christoph Schmidt

7. Heute Zwei wertvolle Schaufensterpuppen stellte Rolf Schnatenberg dem Hildener Karnevalsmuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Puppen aus den 1950er Jahren tragen historische Ornate der Hildener Prinzenpaare. Dokumente der Firmengeschichte werden im Wilhelm-Fabry-Museum aufbewahrt. Und wer vor einiger Zeit einen oder mehrere Lions-Adventskalender gekauft hat, bekam sie mit etwas Glück in Schnatenberg-Tüten überreicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort