Leichtathletik Veteranen, ein Heimspiel und ein Rekord

Kevelaer · Die Nordrhein-Meisterschaft der Senioren ist ein Treffen von Ausnahme-Leichtathleten – diesmal im Kevelaerer Hülspark-Stadion.

 Während die Kampfrichter unter dem Sonnenschirm Schutz suchten, flogen die Mittelstreckler über die Tartanbahn im Hülspark-Stadion.

Während die Kampfrichter unter dem Sonnenschirm Schutz suchten, flogen die Mittelstreckler über die Tartanbahn im Hülspark-Stadion.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Nordrhein-Meisterschaft der Senioren beginnt gleich einmal mit einem echten Paukenschlag. Die Titelkämpfe sind erst wenige Augenblicke alt, da ist das Hülspark-Stadion auch schon Schauplatz eines deutschen Rekords. Es ist alles andere als eine Überraschung, dass sich Evelin Nagel den Titel über 80 Meter Hürden holt. Schließlich ist die Sprinterin aus Bonn, die für die Troisdorfer LG startet, in dieser Disziplin eine Ausnahmeerscheinung. Erst im vergangenen Jahr hat sie sich im spanischen Malaga die Weltmeisterschaft in der Altersklasse W 45 gesichert. Damals überflog Evelin Nagel die acht Hürden auf dieser Sprintstrecke in 13,97 Sekunden und stellte damit eine persönliche Bestzeit auf, die bis Sonntag Gültigkeit hatte. In Kevelaer ist sie noch etwas rasanter unterwegs. Exakt um vier Hundertstelsekunden. Die Zeit stoppt bei 13,93 Sekunden – zwei Wochen vor den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften der Senioren, die im thüringischen Leinefelde ausgetragen werden, befindet sich die Titelsammlerin in Höchstform.

„Einen deutschen Rekord haben wir hier auch schon länger nicht mehr erlebt. Das ging gleich schon einmal gut los“, sagt Ulrich Heßing. Der Abteilungsleiter des Kevelaerer SV und seine Mitstreiter, die an den gelben Helfer-T-Shirts zu erkennen sind, haben allen Grund zur Zufriedenheit. Insgesamt absolvieren 340 Athleten und Athletinnen aus 139 Vereinen aus ganz Nordrhein-Westfalen 560 Starts im Hülspark-Stadion – eine erfreuliche Resonanz auf die Titelkämpfe.

Der Kevelaerer Platzwart Hugo Schoonhoven und seine Helfer haben das Stadion in mühevoller Kleinarbeit in den vergangenen Wochen auf Hochglanz poliert. Sehr zur Freude auch von Franz-Josef Probst, Ehrenpräsident des Leichtathletik-Verbandes Nordrhein, der sich die Großveranstaltung in seinem „Wohnzimmer“ selbstverständlich nicht entgehen lässt. Auch die strengen Verbandsrichter, die in einem 50-Mann-Team angereist sind, zeigen sich begeistert von den äußeren Bedingungen, die sie in der Marienstadt vorfinden. Gleiches gilt für die Hauptdarsteller, die sich mit starken Leistungen revanchieren. Und die Besucher auf den Rängen nicht selten in Staunen versetzen. Speziell dann, wenn sich die sportlichen Damen und Herren die Ehre geben, die sich bereits in ihrem neunten Lebensjahrzehnt befinden. „Die sind teilweise in einem solch hohen Tempo unterwegs, dass sie mich um Längen abhängen würden. Ich weiß manchmal gar nicht, wo die ihre Leistungen noch hernehmen“, erklärt Heßing, der im Vergleich zu den Veteranen der Leichtathletik-Szene mit seinen 59 Jahren noch in den Kinderschuhen steckt.

Das beste Beispiel an diesem Sonntagnachmittag liefert die Mönchengladbacher Läuferlegende Fred Ingenrieth. Seinen 85. Geburtstag verbringt der Mittelstreckler selbstverständlich nicht im Kreise seiner Familie bei Kaffee und Kuchen. Sondern im Kevelaerer Hülspark-Stadion. Auf der dortigen Tartanbahn spult er die 400 Meter in einem fast schon unglaublichen Tempo ab. Trotz der hohen Temperaturen ist in den Gesichtern fast aller Teilnehmer keine Spur von Müdigkeit zu erkennen. Laufen, werfen und springen hält offenkundig fit. Viele Sportlerinnen und Sportler wirken ausgesprochen ehrgeizig. Und das liegt nicht nur am Wettkampf um Nordrhein-Medaillen.

„Bei uns bietet sich heute die letzte Chance, die Normen für die Deutsche Meisterschaft in Leinefelde zu erfüllen. Wer in seinen Disziplinen das jeweilige Ergebnis schafft, kann sich bis 24 Uhr beim Deutschen Leichtathletik-Verband anmelden. Viele Sportler haben sich deshalb auf den Weg nach Kevelaer gemacht“, sagt Heßing.

 Silke Flören vom TV Goch genoss den Auftritt in der Marienstadt in vollen Zügen und gewann ganz nebenbei noch drei Titel.

Silke Flören vom TV Goch genoss den Auftritt in der Marienstadt in vollen Zügen und gewann ganz nebenbei noch drei Titel.

Foto: Birkenstock

Das gilt nicht für die zigfache Deutsche Meisterin aus der Nachbarschaft, die ihre Fahrkarte nach Thüringen selbstverständlich schon längst in der Tasche hat. Es wird laut auf der Tribüne, als sich Silke Flören an den Startblock stellt. Wenige Augenblicke später zieht die bekannte Läuferin vom Nachbarverein TV Goch im 400-Meter-Lauf unwiderstehlich an ihren Konkurrentinnen in der Altersklasse W 40 vorbei und sichert sich den zweiten Titel an diesem Tag. Kurz zuvor hat die Gocherin ihren Gegnerinnen auch schon auf der 800-Meter-Distanz die Sohlen ihrer Laufschuhe gezeigt. „Es macht mir immer wieder großen Spaß, in Kevelaer zu starten. Hier treffe ich viele Freunde. Das ist für mich ein echtes Heimspiel“, sagt die Seriensiegerin, die sich wenig später als Schlussläuferin der 4 mal 100 Meter-Staffel in der Leichtathletik-Stadt Kevelaer noch einmal feiern lassen darf.

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