Serie „Dorfspaziergang in Corona-Zeiten“ Händler in Vorfreude – und schlaflos

Nieukerk · In Nieukerk bereiten die Kaufleute ihre Geschäfte für die Wiederöffnung am Montag vor. Sie sind gespannt, wie die Kunden reagieren.

 Bianka Ehrlich bringt die Schutzscheiben in ihr Optik-Geschäft.

Bianka Ehrlich bringt die Schutzscheiben in ihr Optik-Geschäft.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Der Schlag der Kirchturmuhr hallt mächtig über den Dionysiusplatz. Zwei Radfahrer erheben sich von der Bank unter einem Baum und setzen ihre Tour im Sonnenschein fort. Vier Menschen warten vor der schmalen Tür der Volksbank. Während der Renovierung der angestammten Räume ist das Kreditinstitut in einer „Ausweichsgeschäftsstelle“ untergebracht. „Ich habe lange kein Geld mehr geholt, da ich meistens mit der Karte zahle“, sagt Antoinette Litjens. Hinter ihr in der Schlange steht Johann Matuschek. Er hat, wie die anderen auch, am Tag zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel die neue Marschroute in der Corona-Krise verkünden hören. „Bisher wurden die Einschränkungen akzeptiert, aber jetzt scharren alle langsam mit den Hufen“, meint er. Im Garten sei alles erledigt. „Wir würden uns freuen, wenn wir bald wieder Freunde treffen und gemeinsam Sport machen könnten.“

Für die Geschäftsleute an der Krefelder Straße hat das Warten bald ein Ende. Am Montag dürfen sie ihre Läden wieder öffnen. „Es ist höchste Zeit, ich bin sehr froh“, sagt Bianka Ehrlich von Optik Ehrlich nach fünf Wochen Zwangspause. Sie nimmt gerade eine für den Neustart wichtige Lieferung in Empfang: Schutzscheiben von der Firma Keuck aus Straelen. Die für das benachbarte Spiel- und Schreibwarengeschäft „Kunterbunt“ sind auch mit dabei. Alle Vorsichtsmaßnahmen sollen getroffen werden. „Wir freuen uns, wenn die Kunden dafür Verständnis aufbringen, auch dafür, dass es nicht mit der gewohnten Schnelligkeit abläuft“, sagt die Geschäftsfrau, die in den vergangenen Wochen einen Lieferservice zum Beispiel für Brillenreparaturen geboten hat.

 Anke Geerkens bepflanzt die Blumentöpfe vor ihrem Strumpf- und Wäscheladen. Sie macht sich Gedanken, wie der Neustart am Montag wohl verläuft.

Anke Geerkens bepflanzt die Blumentöpfe vor ihrem Strumpf- und Wäscheladen. Sie macht sich Gedanken, wie der Neustart am Montag wohl verläuft.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Gegenüber bepflanzt Anke Geerkens Blumentöpfe vor ihrem Strumpf- und Wäscheladen. Neu dekoriert hat sie auch. „Ich habe letzte Nacht schlecht geschlafen“, gesteht sie. Sie mache sich Gedanken, ob man alles richtig mache, und habe Angst um die Älteren. Seit zwölf Jahren führt sie dieses Geschäft, „aber sowas habe ich noch nicht erlebt“. Mundschutz und Desinfektionsmittel hat sie, wie die anderen Einzelhändler, die Montag wieder öffnen, besorgt. Viele Kunden auf einmal wird sie nicht zu bedienen haben. In ihr etwa 45 Quadratmeter großes Ladenlokal dürfen unter Corona-Bedingungen nur zwei Besucher gleichzeitig.

Das gilt auch in der Metzgerei Jaspers. Dort ist man froh, dass man ab Montag nicht mehr so gut wie allein auf weiter Flur arbeitet. „Viele der anderen Geschäftsleute kaufen hier“, berichtet Verkäuferin Stefanie Lucas. Geklagt habe während der ganzen Zeit niemand. „Es ist, wie es ist. Man muss es so hinnehmen, da werden wir noch länger mit zu tun haben“, ist eine Kundin sicher, die aus dem reichhaltigen Wurstangebot auswählt.

„Es wird langsam wieder anlaufen“, glaubt Silvia Kaul-Nick vom Spiel- und Schreibwarengeschäft „Kunterbunt“. Mit dem „kontaktlosen“ Ausliefern von Ostergeschenken, Heften und Patronen hat sie in den vergangenen Wochen wenigstens etwas Umsatz gemacht. Viele Kinder zählen zu ihrer Kundschaft. Auch wenn Legosteine und Bilderbücher locken: Sie will darauf achten, die Zahl der jungen Gäste in Corona-gemäßem Rahmen zu halten.

 Bianca Spandick ist froh, bald wieder Mode verkaufen zu können.

Bianca Spandick ist froh, bald wieder Mode verkaufen zu können.

Foto: Norbert Prümen (nop)

In einem Schaufenster von Spandick Moden ist eine Dekorateurin beschäftigt. „Alles ist startklar“, sagt Bianca Spandick. Die 44-Jährige hat auf 110 Quadratmetern die komplette Frühjahrs- und Sommerkollektion zu bieten. „Die war im März schon da.“ Doch das Virus ließ keines der feinen Textilien über die Ladentheke gehen. Jetzt hofft Bianca Spandick, dass weiter schönes Wetter herrscht und die Lust auf neue Kleidung befeuert. Alle Schutzmaßnahmen sind getroffen. Sie will noch eine Bank vor den Laden stellen, damit Kunden dort die Wartezeit bequem verbringen können.

Vor der Marien-Apotheke ist Schlange stehen angesagt. „Das machen wir wie die Engländer, und das ist auch wichtig“, betont Gottfried Hegmann. „Ich hoffe, dass wir alle was gelernt haben.“ Da ist Sandra Ebel hinter ihm eher skeptisch. Und eher schlechte Erfahrungen hat auch Bettina Piepers gemacht. „Ich arbeite als Verkäuferin, und bei uns gilt eine Einbahnstraßenregelung.“ Die werde aber von vielen missachtet. Und Beschimpfungen von Kunden habe sie sich auch schon anhören müssen.

Das dürfte in den Nieukerker Geschäften, die ab Montag wieder ihre Türen öffnen, nicht passieren. Silvia Kaul-Nick hat am Mittwochabend einen Anruf bekommen. Am anderen Ende der Leitung war ein Kunde: „Gott sei Dank, dass wir wieder gucken kommen können. Endlich etwas Abwechslung.“

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