Von Emmerich nach Marokko Unterwegs im Land der 1000 Farben

EMMERICH/MARRAKESCH · Unsere Autorin Monika Hartjes ist dem grauen Einerlei und dem nasskalten Wetter Deutschlands entflohen und verbrachte den Jahreswechsel im Westen Marokkos. Sie berichtet von dem geschäftigen Treiben in der Altstadt Marrakeschs und der einsamen Wunderwelt des Atlas-Gebirges.

 Monika Hartjes mit Mountainbike im nordafrikanischen Gebirge.

Monika Hartjes mit Mountainbike im nordafrikanischen Gebirge.

Foto: Monika Hartjes

Einen ruhigen Jahreswechsel wollte ich erleben, das ist mir in Marokko gut gelungen. Ohne Alkohol und Feuerwerk verschlief ich Neujahr, doch das ärgerte mich nicht, denn das Land bot mir dafür Erlebnisse und Abenteuer, die mich beeindruckten.

 Geschäftiges Treiben in labyrinthischen Gassen: Kleine Geschäfte bieten Kleidung, Schmuck und Töpferwaren an.

Geschäftiges Treiben in labyrinthischen Gassen: Kleine Geschäfte bieten Kleidung, Schmuck und Töpferwaren an.

Foto: Monika Hartjes

Am 29. Dezember ging es los von Düsseldorf nach Marrakesch, wo ich mit den anderen Teilnehmern der Reisegruppe in einem Riad untergebracht wurde. Das ist ein traditionelles marokkanisches Haus mit einem im Innenhof gelegenen Garten. Uns weckte um 6 Uhr der laute Gesang vom maurischen Minarett der Koutoubia-Moschee, die aus dem 12. Jahrhundert stammt und kilometerweit zu sehen ist. Gleich am zweiten Tag ging es auf eine kulturelle Erkundung. Die Medina, die Altstadt, ist eine dicht bebaute, von Mauern umgebene mittelalterliche Stadt aus der Berberzeit. Zwischen ihren labyrinthischen Gassen finden sich geschäftige Märkte, die Souks, auf denen unter anderem traditionelle Kleidung, Töpferei, Teppiche und Schmuck angeboten werden. Wir besuchten die Paläste El Bahi und El Badi, das Museum Dar-Si-Said und die Saadier Gräber.

     Die Altstadt Marrakaschs beflügelt die Sinne, vor allem dank der Fülle an Farben.

Die Altstadt Marrakaschs beflügelt die Sinne, vor allem dank der Fülle an Farben.

Foto: Monika Hartjes

Mittelpunkt von Marrakesch ist der Jemaa al Fna. Hier erlebt man das orientalische Gefühl von „1000 und einer Nacht“. Schuhputzer und Henna-Malerinnen warten auf die Kunden, Flötentöne der Schlangenbeschwörer lassen die giftigen Kobras erstarren. Ich hielt lieber respektvollen Abstand.

Später wurden die offenen Garküchen aufgebaut. Die hier als Delikatesse angepriesenen gekochten Schafsköpfe und die offen am Stand hängenden Rinderhälften ließen mich für diese Woche zum Vegetarier werden. Den Tipp unseres Guides im Kopf erkundigte ich die verschlungenen Souks: „Wenn du dich verlaufen hast, suche den Platz Jemaa al Fna, von da aus findest Du immer zurück.“ Handeln war angesagt und nach anfänglichem Zögern war ich stolz, als ich ein Tuch statt für 300 für nur 150 Dirham erwarb. Anstrengend war das ständige „zur Seite springen“, denn trotz der schmalen Gassen rasten Mopeds hin und her. Dabei entpuppten sie sich als wahre Lastenträger, die Marokkaner transportieren darauf eine vierköpfige Familie ebenso wie 25 Eierkartons zu je 30 Eiern oder riesige Bündel von Teppichen.

Am Silvestertag begann das sportliche Programm. Achmed, unser Guide – ein echter Berber, geboren im Zelt in der Sahara – führte uns im Atlasgebirge auf eine Höhe von 1500 Metern. Sieben Stunden wanderten wir bei Temperaturen von rund 23 Grad zu einem Berberhaus. Unterwegs brachte er uns die Sprache der Berber bei: „Tifanwin“ heißt „Guten Morgen“, „maysmannak“ heißt „Wie heißt Du?“ und „Besslama“ heißt „Auf Wiedersehen“.

Zur Begrüßung im Berberdorf gab es den obligatorischen sehr süßen Pfefferminztee und Fettgebackenes. Die ganze Familie vom Opa bis zum Enkel wurde uns vorgestellt und am Abend eine Tajine serviert: ein in einem Lehmkochtopf gegarter Eintopf mit Couscous, Fleisch und Gemüse. Jeder bekam ein Stück Brot, man isst mit den Fingern. Zur Feier des Tages hatte die Hausfrau einen Kuchen mit der Aufschrift „Frohes Jahr 2019“ gebacken. Das erlebten wir jedoch nur schlafend unter mindestens drei Lammfelldecken und in dicker Iso-Unterwäsche, weil es nachts fror und die Häuser keine Heizungen haben.

An nächsten Tag ging es auf 2200 Meter hoch, mit atemberaubenden Ausblick auf den schneebedeckten Jebel Toubkal, mit 4167 Meter der höchste Berg Nordafrikas.

Die nächste Tour im Atlas-Gebirge bewältigten wir auf dem Mountainbike. Es waren nur gut 30 Kilometer, am Niederrhein eine Spazierfahrt, aber auf der Kik-Hochebene eine echte Herausforderung. In den Dörfern wurden wir freundlich begrüßt, die Kinder klatschten ab und winkten uns hinterher. Zwischendurch mussten wir anhalten, weil Schaf- und Ziegenherden den Weg kreuzten.

Nach Essaouira, eine Stadt am Atlantik mit einem langen Sandstrand, einen gemütlichen Hafen und einer idyllischen Altstadt, ging es einen Tag später dann per Bus. Kanonen auf Festungsmauern erinnerten an vergangene Seeräuberzeiten. In der Nähe liegt Sidi Kaouki, wo Jimi Hendrix einst „Castles made of Sand“ geschrieben hat.

Am letzten Tag fuhren wir dann über den Atlas-Pass zur Stein-Sahara – ein echtes Abenteuer. Wird bei uns eine Straße gesperrt, sobald sich ein Baufahrzeug nur in der Nähe befindet, geht der Verkehr dort trotz der Baustelle einfach weiter. Rechts das aufragende Steingebirge, links die tiefen Schluchten, drängelte sich unser Bus vorsichtig an die Bagger und Lkw vorbei. Wie gefährlich das war, zeigte ein umgekippter Lastwagen in einer Kurve.

Doch wunderschöne Landschaften und die Filmkulissen in Ouarzazate, das in 1160 Metern Höhe zwischen den beiden Gebirgsketten des Atlas-Gebirges liegt, entschädigten für die ausgestandenen Ängste. Zu den bekanntesten Filmen, die hier gedreht wurden, gehören zahlreiche Bibel- und Monumentalverfilmungen, darunter Game of Thrones, Gladiator sowie Die Päpstin und Der Medicus – sogar die Wüstenszenen der ersten „Star Wars“-Episode. In einem Film-Museum standen in verschiedenen Gebäuden täuschend echt wirkende Kulissen wie Fürstenthrone, Folterkammern und mittelalterliche Gefängniszellen. Auf dem „Thron von Salomon“ durften wir sogar Platz nehmen. Die berühmte Kasbah Aït-Ben-Haddou, die ebenfalls als Filmdrehort von großer Bedeutung ist, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Ouarzazate liegt und seit 1987 als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet ist, wurde durch den Film Lawrence von Arabien bekannt.

Zurück aus dem Orient freute ich mich besonders auf saubere sanitäre Anlagen und beheizte Zimmer, wo ich das Frühstück nicht mit drei Lagen dicker Kleidung einnehmen muss. Doch Marokko ist eine Reise wert.

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