Diskussion über Extremismus Ratlosigkeit statt Antworten

Duisburg · In der Zentralbibliothek fand eine brisante, aber zu lange Podiumsdiskussion mit Teilnehmern aus Literatur, Theater, Publizistik und Wissenschaft statt. Unter dem Motto „Nur noch Rand, keine Mitte?“ ging es um Extremismus.

In Kooperation zwischen „Urbane Künste Ruhr“ und „Interkultur Ruhr“ fand in Duisburg die siebte Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Wandersalon“ statt. Die Reihe wird seit März in unregelmäßigen Abständen an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet durchgeführt. Austragungsort war diesmal die Zentralbibliothek im Stadtfenster. Thematisch beschäftigt sich der „Wandersalon“ auf unterschiedliche Weise mit dem Verhältnis von Identität und Territorien. Das Thema der Diskussionsveranstaltung in Duisburg lautete „Nur noch Rand, keine Mitte? Ein Gespräch über Extremismen in Deutschland“.

Das Podium war mit vier Gästen aus Literatur, Theater, Publizistik und Wissenschaft einschließlich der Moderation interessant besetzt. Das Publikumsinteresse war groß und der Abend im Kern zweieinhalb Stunden lang. Die Ausgangsfrage der Veranstaltung galt dem politischen Koordinatensystem in Deutschland und wie sich dieses aktuell verschiebe: „‘Rechte‘ nutzen libertäre Strategien von Gegenöffentlichkeit, Gegenkultur und Situationismus. ‚Linke‘ diskutieren Begriffe wie ‚Heimat‘ und versuchen, sich an den laufenden Diskurs anzupassen. Ebenso entstehen neue Allianzen, die sich früher qua Ideologie ausgeschlossen haben. Formen von Extremismus in Deutschland sind komplexer und vielschichtiger geworden. Was bedeutet dies für den politischen Diskurs, was für die Protestkultur in Deutschland?“

Zum Einstieg in das Thema hielt Moderatorin Prasanna Oommen aus Köln ein langes, sehr langes Statement, insbesondere über sogenannte „Filterblasen“ in unserer Gesellschaft. Daran schloss sich eine lange, sehr lange Lesung aus dem Buch „Über Deutschland, über alles“ von und mit Pascal Richmann an. So verging eine lange, sehr lange Stunde. Mit der Vorstellung der drei anderen Teilnehmer keimte dann so etwas wie Hoffnung auf, dem Generalthema etwas näherzukommen. So berichtete die aus Österreich stammende Autorin und Theaterdramaturgin Gerhild Steinbuch, die Mitglied im Performance-Kollektiv „Freundliche Mitte“ in Wien ist, von einem gegründeten „Stammtisch“ in der Steiermark, der zum „Diskurs über alles, von allen für alle“ einlädt. Gerne hätte man dazu mehr, vor allem Details gehört.

Auch der erste Redeaufschlag des Wissenschaftlers und Publizisten („Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten“) Thomas Wagner war vielversprechend, favorisiere er doch eine liberale, pluralistische, soziale Republik und plädiere dafür, keine Ausgrenzung von Andersdenkenden vorzunehmen, sondern Kontakt mit ihnen zu halten. Viel zu kurz dagegen kamen die Beiträge von Jan Schedler vom Institut für Politikwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, der kurzfristig für Professor Dr. Sabrina Zajak, Leiterin der Abteilung Konsens und Konflikt am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrations­forschung, eingesprungen war. Schedler spricht bei den politischen Rändern nicht gleich von Extremismus, sondern von Phänomenen. Auch halte er überhaupt nichts vom Ausschluss Rechtsdenkender: Toleranz sei nun mal ein wichtiger Wert für Demokratie. Andererseits beobachte er aufgrund vorgenommener Untersuchungen, dass sich die sogenannte gesellschaftliche Mitte zunehmend radikalisiere.

Doch über diese und andere seine wissenschaftlichen Analysen hätte das Publikum wohl gern mehr erfahren wollen. Dazu gehörten auch zwei Publikumsfragen, die das Podium schlicht und einfach völlig unzureichend bis unbeantwortet ließ: Einerseits die Frage nach der moralischen Unterstützung für Widerständler gegen Fremdenfeindlichkeit, Fanatismus und Extremismus und andererseits die, was wir tun können, damit wir nicht die gleichen Fehler machten, wie die unserer Eltern-, Großeltern- und Urgroßelterngeneration gegenüber dem aufkommenden Nationalsozialismus zur Zeit der Weimarer Republik.

So blieb vor allem Ratlosigkeit im Publikum zurück. Davon aber hatte die Moderatorin bereits eingangs gesprochen, indem sie sagte: „Vielleicht bleibt als Ergebnis des heutigen Abends Ratlosigkeit.“ Recht hat sie behalten, wobei sie mindestens mit- wenn nicht gar hauptverantwortlich dafür war.

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