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Interview mit Felix Banaszak „Sören Link macht es sich zu leicht“

Duisburg · Der Landeschef der Grünen in Nordrhein Westfalen kritisiert die Stadt Duisburg für ihren Umgang mit Zuwanderern aus Südosteuropa. Duisburg setze ausschließlich auf Repression. Dabei gebe es im Ruhrgebiet gute Vorbilder.

 Der Duisburger Felix Banaszak ist Landesvorsitzender der Grünen.

Der Duisburger Felix Banaszak ist Landesvorsitzender der Grünen.

Foto: Grüne

Der Duisburger Felix Banaszak ist seit diesem Jahr Landeschef der Grünen. Im Gespräch mit der RP spricht er über seine Aufgaben, politische Herausforderungen und die Probleme seiner Heimatstadt.

Hallo Herr Banaszak. Haben Sie sich in Düsseldorf gut eingelebt?

Felix Banaszak: Naja, von „Einleben“ kann eigentlich keine Rede sein, eher von „Einarbeiten“. Ich lebe nach wie vor in Duisburg, die Strecke lässt sich ja gut pendeln. Mein Aufgabenprofil als Teil der Doppelspitze im Landesvorstand ist natürlich sehr breit. Ich habe mir aber gleich zu Beginn vorgenommen, auch weiterhin in Duisburg Politik zu machen, wenn auch in einer anderen Rolle. Wir haben seit der letzten Landtagswahl keine grüne Landtagsabgeordnete mehr in Duisburg. Ich will die Anbindung zwischen Landes- und Kommunalpolitik aber erhalten.

Das klingt nach Stress. Wie kriegt man das denn unter einen Hut?

Banaszak: Ich habe mittlerweile ja an allen Ecken in Nordrhein-Westfalen zu tun, aber Duisburg bleibt meine Basis. Ich versuche, Fenster in meinem Kalender rechtzeitig für Termine in Duisburg zu blocken. Klar ist, dass ich heute leider nicht mehr bei allem dabei sein kann. NRW ist nun mal sehr groß.

Das hört sich so an, als wären sie viel unterwegs...

Banaszak: Richtig, aber das mache ich auch gerne. Politik darf nicht nur aus Besprechungen in den eigenen Zirkeln in Düsseldorf bestehen. Also raus aus den Sitzungssälen, raus aus dem Düsseldorfer Polit-Ufo, rein ins echte Leben. Man muss vor Ort sein, um die Probleme und Nöte der Menschen zu verstehen oder kreative Lösungen zu finden. Ich bin seit März auf „Zusammenhalts-Tour“ durchs ganze Land gefahren, mehr als 25 Termine von der Eifel bis nach Lippe, und habe eine Menge gelernt. Zum Glück kann ich gut im Zug arbeiten. So schaffe ich zumindest auf den längeren Strecken vieles, was ich sonst im Büro machen würde.

Als Landesvorsitzender wird man ja nicht geboren. Was hat sich in den vergangenen Monaten für Sie verändert?

Banaszak: Mein Alltag hat sich stark verändert, ist sehr vielfältig und spannend. Jeder Tag ist anders. An manchen Tagen bin ich viel im Land unterwegs, an anderen hauptsächlich im Landtag und dann haben wir auch immer wieder Sitzungen in unserer Geschäftsstelle, in denen wir neue Projekte besprechen. Letztens waren meine Vorsitzendenkollegin Mona Neubaur und ich gemeinsam im belgischen Mechelen, um uns Inspiration vom dortigen Bürgermeister zu holen. Ich bekomme durch die neue Rolle viele Eindrücke vom Leben in NRW, lerne spannende Menschen kennen, bekomme leichter Einblick in verschiedene Themenbereiche. Und ich nehme eine große Offenheit wahr, weil viele Menschen sehr dankbar dafür sind, wenn man ihre Arbeit wertschätzt und ihre Probleme ernst nimmt.

Wie sieht denn ihr Aufgabenfeld aus?

Banaszak: Wir haben im Vergleich zu anderen Parteien die dankbare Situation, eine Doppelspitze zu haben. Mona Neubaur und ich haben die Themen unter uns aufgeteilt. Ich kümmere mich beispielsweise um die Bereiche Soziales, Arbeit, Gesundheit, Pflege, aber auch Bildung, Jugend und Familie, Migration. Bei Mona Neubaur liegen die ganzen ökologischen Themen, die Wirtschafts-, aber auch die Innenpolitik. Diese Aufteilung zeigt auch unseren Anspruch, keine Ein-Themen-Partei zu sein. Grüne Politik ist letztlich der Dreiklang, der den ökologischen Umbau, die soziale Gerechtigkeit und Freiheits- und Menschenrechte, Demokratie und Weltoffenheit zusammenbringt. Dabei ist die Ökologie eine Gerechtigkeitsfrage an sich.

Ökologischer Umbau ist ein spannender Punkt. Wie muss der in Duisburg aussehen?

Banaszak: Als Duisburger Grüne fordern wir nach wie vor die Wiedereinführung der Bauschutzsatzung und ein Ende des städtischen Kettensägenmassakers. Wir müssen wegkommen von dieser Politik des Kahlschlags. Es sind ja unglaublich viele Bäume in der Stadt gefällt worden in den vergangenen Jahren. Ich finde die neue Bahnhofsplatte und das Umfeld erschreckend grau. Straßengrün und Bäume haben doch auch etwas mit Lebensqualität zu tun. Wir brauchen insgesamt eine sozial-ökologische Stadtentwicklung und müssen darauf achten, dass die Befriedigung der Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen nicht zu immer mehr Flächenverbrauch führt. Also müssen wir kluge und nachhaltige Wege des Flächenrecyclings und der Baulandgewinnung gehen.

Brauchen wir in Duisburg mehr sozialen Wohnungsbau?

Banaszak: Wir brauchen in einer Stadt wie Duisburg vor allem vielfältige Angebote. Wohnungsnot ist auch hier mittlerweile ein Thema. Wir brauchen sozial geförderten und preisgebundenen Wohnungsbau für Menschen, die vielleicht wenig Geld in der Tasche haben, aber auch andere Angebote. Womit ich nichts anfangen kann, sind Gated Communitys – also Gegenden, in die nur reinkommt, wer ein sechsstelliges Jahresgehalt hat. Es braucht eine gesunde soziale Durchmischung in den Stadtteilen. Deshalb schauen wir auch genau hin bei den aktuellen Entwicklungen in Wedau.

Sie spielen auf das Neubaugebiet 6-Seen-Wedau an?

Banaszak: Ja. Wir begrüßen grundsätzlich, dass das alte Bahngelände entwickelt und Wohnraum geschaffen wird. Aber das muss nachhaltig und sozialverträglich passieren. Das heißt, wir brauchen auch ein schlüssiges Verkehrskonzept, Stichwort Ratinger Weststrecke. Und wir fordern, dass ein freier Zugang zum Ufer des Masurensees erhalten bleibt und die bisherigen Nutzer nicht einfach verdrängt werden. Ob eine Promenade zwischen Wasser und Siebengeschossern ausreicht, bezweifle ich. Da braucht es Nachbesserungen. Wir wollen die Auslegung der Pläne als Anlass nehmen, über einzelne Aspekte noch mal zu sprechen, vor allem mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Stichwort Gated Communitys. Das andere Extrem gibt es in Duisburg ja schon – Zuwanderer aus Südosteuropa haben sich in einigen Stadtteilen zu zum Teil geschlossenen Gemeinschaften zusammengefunden. OB Sören Link hat diese Probleme vor kurzem in einem Interview benannt. Sie haben ihn dafür scharf kritisiert. Warum?

Banaszak: Ich bin ja selbst viel im Duisburger Norden unterwegs. Und ja: Es gibt dort eine Vielzahl sozialer Herausforderungen. Wenn wir in einer Stadt Bereiche haben, die vom Verfall sozialer Infrastruktur betroffen sind und in denen sich darüber hinaus Armut konzentriert, ist das ein Problem. Und es ist auch ein Problem, wenn kriminelle Vermieter Menschen, die der Armut entkommen wollten, in unzumutbaren Verhältnissen unterbringen und ausbeuten. Darauf muss man reagieren. Duisburg setzt dabei allerdings ausschließlich auf Repression und Verdrängung. Was wir kritisieren, ist, dass es hier keine öffentlichen Angebote für Teilhabe und Integration für die Menschen gibt, die in diesen Vierteln leben.

Tatsächlich gibt es solche Angebote doch?

Banaszak: Ja, aber im Prinzip nur auf privater und kirchlicher Basis. Es scheint, dass es in Duisburg wie überall im Land Viertel gibt, aus denen sich die Politik zurückgezogen hat. Und alles, was es dort an sozialen Problemen gibt, wird vor allem von Ehrenamtlern, Vereinen und Kirchen aufgefangen, die teils über Jahre Probleme hatten, von der Stadt anerkannt zu werden und auch nur einen Cent für ihre Arbeit zu bekommen.

Was hätte die Stadt denn anders machen müssen?

Banaszak: Schauen Sie sich doch einmal Dortmund an. Dort gibt es in der Nordstadt eine ähnliche Gemengelage, die Stadt ist aber anders vorgegangen. Dort gab es einen Mix aus harter Ordnungspolitik und Hilfsangeboten. Die Stadt hat dort zwar auch Schrottimmobilien geschlossen, gleichzeitig aber auch Häuser angekauft und dafür gesorgt, dass die Leute, die da ihre Wohnung verloren haben, etwas Neues finden konnten. Die Stadt Duisburg betreibt dagegen reine Verdrängungspolitik. Und davon müssen wir wegkommen.

Hat Sören Link es sich zu leicht gemacht?

Banaszak: Die Probleme in den Stadtteilen und die Unzufriedenheit der Menschen dort gibt es ja nicht erst, seit dort Zuwanderer aus Südosteuropa angekommen sind. Sie sind über Jahre gewachsen. Es gab im Norden Duisburg auch vorher schon Ecken, an denen sich Armut geballt hat. Seit Jahrzehnten konnte man einen Verfall der Infrastruktur beobachten. Im ganzen Duisburger Norden gibt es zum Beispiel kein einziges Freibad. Genau so etwas brauchen die Menschen aber, genauso wie wirtschaftliche Perspektiven. Und wenn man als SPD-Oberbürgermeister, mit einer Partei im Rücken, die über Jahrzehnte die Geschicke dieser Stadt mitbestimmt hat, nun all diese Probleme an einer Gruppe von Zuwanderern festmacht, dann macht man es sich tatsächlich ein bisschen zu leicht.

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