Künstler Aljoscha mit Aktion in Kiew Kompromisslos für den Frieden

Düsseldorf · Der Künstler Aljoscha protestiert mit einer Installation gegen Gewalt in Kiew – Stunden vor der russischen Invasion. Er stammt aus der Ukraine und lebt in Düsseldorf.

 Protest kurz vor dem Angriff: Künstler Aljoscha vor dem „Mutter Heimat"-Denkmal in Kiew.

Protest kurz vor dem Angriff: Künstler Aljoscha vor dem „Mutter Heimat"-Denkmal in Kiew.

Foto: Aljoscha

Nackt und ungeschützt steht der Mann vor einer stählernen Frau, die kriegerisch Schwert und Schild in die Höhe hält. Er hält ihr fast flehend und zugleich Einhalt gebietend ein rosafarbenes Objekt entgegen, das wie eine Art Pflanze oder künstliches Gewebe aussieht. Die Statue trägt den Namen „Mutter Heimat“ und erinnert an Russlands Rolle im Zweiten Weltkrieg, sie ragt inklusive Sockel über 100 Meter in Kiew in die Höhe.

Der Mann, der sie zu beschwören scheint, ist der Künstler Aljoscha. Er will ein Zeichen setzen und schreibt in seinem Statement dazu: „Bioism verurteilt jegliche Gewalt gegen Menschen, Tiere und Pflanzen. Leid und Krieg müssen beendet werden! Es gibt keine gerechtfertigten Konflikte, sie sind kriminell und verletzen alle Lebewesen.“

Bioism – so heißt die Kunstgattung, zu der Aljoscha seine Werke zählt. Vor rund 30 Jahren zog es den 48-Jährigen zum Studium nach Düsseldorf, wo er heute lebt und arbeitet. Aljoschas Vater ist Russe, seine Mutter Ukrainerin, sein jüngerer Bruder Dimitri lebt in Kiew. Noch wenige Stunden vor der russischen Invasion war der Künstler Aljoscha selbst dort – entschlossen, die bedrohliche Lage mit seinen Mitteln zu kommentieren und sich dadurch für den Frieden einzusetzen.

 Der russisch-ukrainische Objektkünstler Aljoscha, hier im Jahr 2018 bei einem Interview im Berliner Reichstag.

Der russisch-ukrainische Objektkünstler Aljoscha, hier im Jahr 2018 bei einem Interview im Berliner Reichstag.

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Die Aktion vor der „Mutter Heimat“-Statue hatte er lange geplant und nutzte einen Besuch bei seinen ukrainischen Freunden, um sie in die Tat umzusetzen. Seine filigranen Werke, die er aus Silikon und Acryl kreiert, sieht er gern als Lebewesen an. Wie ein Wissenschaftler, der mithilfe von Zellen Gewebe züchtet und daraus originelle Geschöpfe erschafft. Die zeigt er nicht nur in Museen, sondern nimmt sie mit nach draußen, auf die Straße – als eine besondere Form von „Street Art“.

Plötzlich stehen sie dann in die Fußgängerzonen großer Städte, finden sich neben den Wurzeln umgestürzter Bäume oder werden eben martialischen Statuen symbolisch zur Besänftigung entgegengehalten. Die Betrachter staunen, sind amüsiert oder unsicher und holen manchmal die Polizei. „Ich weiß nicht, was passiert – das macht es so spannend“, erzählt Aljoscha.

Diesmal hätte ihn sein ausgefallenes Happening Kopf und Kragen kosten können: Kaum war das aktuelle Foto mit dem Kunstlebewesen in Kiew geschossen, rettete sich der Künstler mit einem der letzten Flüge nach Madrid. In Spanien bereitet er zurzeit eine Ausstellung vor und berichtet von dort aus über die Atmosphäre in seiner Heimat: „Gespenstisch, die Menschen haben sich wie immer verhalten. Sie gingen zur Arbeit oder einkaufen, als wäre nichts.“

Es war die Ruhe vor dem Orkan, wie alle inzwischen wissen. Allerdings erlebte Aljoscha bei Freunden, die er besuchte, eine deutliche Veränderung im Vergleich zur Zeit der blutigen Proteste auf dem Maidan-Platz vor acht Jahren. „Damals verspürte man eine energische Aufbruchsstimmung, heute sind alle müde. Wer kann, versucht zu fliehen.“

Auch Aljoschas Bruder ist unterwegs Richtung Westen, von wo aus der Künstler unruhig in Richtung Osten blickt und die Entwicklungen jetzt vor allem übers Internet verfolgt. Zwar wurden die Bilder der Protestaktion von seinen rund 30.000 Followern auf dem Social-Media-Kanal Instagram meist mit Beifall bedacht. Doch seine Galerie in Sankt Petersburg bekam in der gleichen Zeit jede Menge böser Kommentare dafür, dass sie die Fotos verbreitete. „Daran sieht man deutlich, wie gespalten die Gesellschaft ist“, meint Aljoscha.

Trotz allem hofft er, dass die Gewalt nicht weiter eskaliert, und philosophiert zuversichtlich: „Indien hat es doch auch dank Gandhi geschafft, sich friedlich aus der englischen Vorherrschaft zu befreien.“

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