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Hungrige Kalikokrebse am Rhein „Die fressen alles kahl, das ist eine Katastrophe“

Düsseldorf · Der nordamerikanische Kalikokrebs erobert die Rheinauen. Auch in Düsseldorf wurden schon Spuren des gefräßigen Tieres gefunden. Naturschützer befürchten, dass der aggressive Krebs einheimische Arten verdrängt.

Ein Kalikokrebs bedroht die einheimische Tierwelt (Archiv).

Ein Kalikokrebs bedroht die einheimische Tierwelt (Archiv).

Foto: dpa/Karsten Grabow

Der Kalikokrebs breitet sich massiv entlang des Rheins aus. Wissenschaftler haben ihn bereits in den Rheinauen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz entdeckt. Einige Tiere seien wahrscheinlich auch schon bis nach Nordrhein-Westfalen gekommen, sagte Harald Groß vom Edelkrebsprojekt NRW, das die Verbreitung von Flusskrebsen landesweit erfasst.

Ein lebendes Exemplar hätten er und seine Kollegen zwar noch nicht gesehen, ergänzte der Diplom-Biologe. „Aber wir haben eine Kalikokrebs-Schere am Rheinufer in Düsseldorf gefunden.“ Sie könne übrig geblieben sein, als sich ein Kalikokrebs gehäutet habe, oder stamme von einem gestorbenen Tier. Unwahrscheinlich sei aber, dass die Schere aus Rheinland-Pfalz bis nach NRW gespült worden sei. „Ich gehe davon aus, dass bereits einzelne Kalikokrebse am Mittelrhein leben, vielleicht gibt es auch schon einen kleinen Bestand.“ Und das bereite ihm Sorgen.

 In einem Gewässer bei Rheinstetten hat der Kalikokrebs andere Arten verdrängt.

In einem Gewässer bei Rheinstetten hat der Kalikokrebs andere Arten verdrängt.

Foto: dpa/Karsten Grabow

Der Kalikokrebs fresse Wasserpflanzen, aber auch Amphibien und Insekten, sagte Groß unserer Redaktion. „Der frisst alles kahl, das ist eine Katastrophe.“ Die Auswirkungen beobachten Wissenschaftler im Südwesten Deutschlands: Wenn sich der Kalikokrebs in einem Gewässer ausbreite, zerstöre er in vielen Fällen die Vegetation und vernichte die Amphibien- sowie die Libellenbestände, erklärten Forscher der Pädagogischen Hochschule (PH) in Karlsruhe in einer Analyse und sprachen von einem „Top-Prädator“. „Er ist eine richtige Killermaschine“, sagte auch Adam Schnabler vom Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg.

Tierische Einwanderer im Rhein
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Tierische Einwanderer im Rhein

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Foto: dpa, Fredrik Von Erichsen

Hinzu kommt, dass sich der Kalikokrebs schnell vermehre, sagte Andreas Stephan, der zusammen mit Alexander Herrmann an der PH in Karlsruhe ein Forschungsprojekt zu der eingeschleppten Tierarbeit betreut. „Ein Krebs, der Anfang des Jahres aus dem Ei schlüpft, ist schon im August des gleichen Jahres geschlechtsreif und kann Hunderte von Eiern tragen.“ Im Vergleich zu einheimischen Krebsarten sei das viel. Die Zahl der Kalikokrebse in Deutschland liege inzwischen wahrscheinlich „im Millionenbereich“. Noch dürften sie vor allem im Südwesten Deutschlands leben. Denn der Kalikokrebs habe eine Vorliebe für lehmige Gewässer und Auen, so wie es sie am Oberrhein gebe. „Jedoch besteht die Gefahr, dass die Art die nördlichen Bereiche des Rheins erreicht.“ Vor allem, weil Menschen sie in neue Gebiete einschleppen könnten.

Auf diese Weise ist der Flusskrebs wahrscheinlich überhaupt erst nach Deutschland gekommen: Kanadische Soldaten, die in Baden-Baden stationiert waren, hätten vermutlich mehrere Exemplare Anfang der 1990er Jahre mit nach Deutschland gebracht, weil der Kalikokrebs in ihrer Heimat ein beliebter Angelköder sei, sagte Herrmann der Zeitung „Die Zeit“. Jemand habe wohl Mitleid mit den Tieren gehabt und sie ausgesetzt. „Immer wieder kommt es vor, dass der Mensch versehentlich oder mit Absicht Tiere oder Pflanzen in andere Länder transportiert, die sich dort wegen fehlender Feinde extrem ausbreiten können“, sagte der Forscher. „Solche invasiven Arten werden dann in ihrer neuen Umwelt zum Problem.“

Groß nennt einige Beispiele. Der Diplom-Biologe berichtet, dass mittlerweile in Nordrhein-Westfalen mindestens vier invasive Flusskrebsarten leben: Aus Südosteuropa stamme der Galizische Sumpfkrebs. Aus Nordamerika seien der Kamberkrebs, der Signalkrebs sowie der Rote Amerikanische Sumpfkrebs nach NRW gekommen, und es sind vor allem diese drei Arten, die eine Gefahr für die heimischen Arten seien: „Jeder Lebensraum, in dem amerikanische Krebse vorkommen, ist für die heimischen Arten verloren.“ Nicht nur, weil sich die nordamerikanischen Arten schneller vermehren als der Edelkrebs oder der Steinkrebs und ihnen die Nahrung wegfressen. Sondern auch, weil sie gegen die Krebspest resistent seien, aber die Erreger übertrügen.

EingewanderteTiere in NRW: Nosferatu-Spinne, Roter Sumpfkrebs , Nutria
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Tierische Einwanderer in NRW

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Foto: Wiljo Piel/wilp

Sie stünden auch deshalb unter Beobachtung, sagte ein Sprecher des Landesumweltamtes NRW. Er und Groß berichteten, dass einzelne Tümpel von Kommunen schon zugeschüttet oder trocken gelegt worden seien, um eine weitere Ausbreitung einer invasiven Krebsart zu verhindern. Im Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg werden solche Maßnahmen auch gegen den Kalikokrebs erwogen. „In Einzelfällen mag auch das Ablassen und temporäre Trockenlegen von Gewässern in Erwägung zu ziehen sein“, sagte ein Sprecher. Werde nichts unternommen, warnt Forscher Stephan, „so gehen wir davon aus, dass der Krebs in 10 bis 15 Jahren dafür gesorgt hat, dass Amphibienbestände massiv eingebrochen sind und keine Chance mehr auf Erholung haben“.

(mit Material der Nachrichtenagentur dpa).

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