Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW „Am effektivsten ist es, wenn man seinen Energieverbrauch reduziert“

Düsseldorf · Die Räumungsarbeiten am Hambacher Forst bringen viele Verbraucher zum Nachdenken: Kann man RWE boykottieren, indem man den Stromanbieter wechselt? Wir haben Udo Sieverding gefragt, Bereichsleiter Energie der Verbraucherzentrale NRW.

Hambacher Forst: Demonstranten treffen sich zur Kundgebung am Sonntag, 23.09.2018
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Demonstranten treffen sich zur Kundgebung im Hambacher Forst

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Foto: dpa/Christophe Gateau

Unter „BoykottRWE“ oder „RWEBoykott“ riefen Twitter-Nutzer dazu auf, den Stromanbieter zu wechseln, um ein Zeichen gegen die Räumung des Hambacher Forstes zu setzen. Bringt das wirklich etwas?

Udo Sieverding Ich halte das ehrlich gesagt für zu kurzfristig gedacht. Man kann das natürlich machen, aber es wird aus mehreren Gründen keine große Wirkung erzielen.

Welche sind das?

Sieverding RWE selbst verkauft Strom jetzt schon nur noch über die Tochterfirma Innogy. Demnächst gibt die Firma den Verkauf an Verbraucher komplett auf, weil Innogy diese Geschäfte an Eon übergibt. Deshalb kann man mit einem Stromanbieter-Wechsel kaum Druck auf RWE aufbauen.

Udo Sieverding ist Leiter des Bereichs Energie der Verbraucherzentrale NRW.

Udo Sieverding ist Leiter des Bereichs Energie der Verbraucherzentrale NRW.

Foto: Verbraucherzentrale NRW

Heißt das, es bringt gar nichts, auf Ökostrom umzusteigen?

Sieverding Sagen wir so, ich würde jemandem, der mit dem Angebot der Stadtwerke zufrieden ist, nicht empfehlen zu wechseln. Viele Menschen beschweren sich beispielsweise gleichzeitig über den Abbau von Braunkohle und über den Netzausbau von Windkrafträdern. In so einem Fall fragt sich, warum man wechseln sollte. Wer aber lieber Strom von einem Ökostrom-Anbieter beziehen möchte, der soll das tun. Man sollte nur auf ein paar Dinge achten.

Welche sind das?

Sieverding Man sollte Anbieter nehmen, die einen energiewirtschaftlichen Zusatznutzen bieten, die also auch in erneuerbare Energien investieren. Dafür kann man zum einen auf Label wie „Grüner Strom“ oder „Ok Power“ achten. Zum anderen kann man auf Anbieter wie Naturstrom, Lichtblick oder EWS Schönau umsteigen. Bei ihnen gehört es zum Konzept, in die Ausbreitung erneuerbarer Energien zu investieren. Aber man wird herkömmlichen Strom niemals ganz vermeiden können.

Warum?

Sieverding Weil sowohl grauer als auch grüner Strom ins Stromnetz gespeist und dort zusammengeführt wird. Man kann mit dem Umstieg nur dafür sorgen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstrom höher wird. Wer wirklich aktiv werden will, der sollte ganz andere Dinge tun.

Und welche?

Sieverding Am effektivsten ist es, wenn man seinen Energieverbrauch reduziert. Für den Einzelnen heißt das beispielsweise zu prüfen, welche Energieeffizienzklasse sein Kühlschrank hat, wie es um den Zustand der Heizung bestellt ist, auf ein E-Auto umzusteigen und sich eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach zu bauen. Das sind wirklich effektive Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Und es sind auch pädagogische Maßnahmen, weil die Kinder diese Dinge sehen, lernen und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie später selbst darauf achten.

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