Tarifstreit mit Verdi Unikliniken in NRW werden bestreikt – „Massive Gefährdung unserer Patienten“

Düsseldorf · Im Tarifstreit ruft Verdi zum Ausstand auf. Die Uniklinik Essen warnt vor einer Gefährdung der Patienten und verschiebt Operationen. Schon jetzt stoppt man in Düsseldorf zeitweise die Aufnahme von Intensivpatienten. Die SPD fordert einen Gipfel für Kinderkliniken.

 Intensivstationen sind belastet.

Intensivstationen sind belastet.

Foto: dpa/Bodo Schackow

Die vierte Corona-Welle rollt durch NRW: Die Sieben-Tage-Inzidenz erhöht sich auf 123, in den Kliniken liegen 1549 Covid-Patienten. Und dort verschärft sich die Lage. Nun kündigt die Gewerkschaft Verdi Streiks für die Unikliniken an: An diesem Dienstag werden ganztägig Düsseldorf, Köln und Essen bestreikt. Am Mittwoch folgen Bonn und Münster, nächste Woche Aachen. Das werden auch Patienten zu spüren bekommen.

Wegen des Streiks würden weniger Betten zur Verfügung stehen, die stark reduzierte Anzahl an Operationssälen reiche nur für die Versorgung von Notfallpatienten aus, sagte der Sprecher der Uniklinik Düsseldorf. Behandlungen würden verschoben. Schon jetzt arbeitet die Klinik am Limit: Am Wochenende stoppte sie die stationäre Aufnahme von Intensivpatienten, am Montag konnte sie wieder wenige Patienten aufnehmen. „In Düsseldorf sind die Intensivkapazitäten in mehreren Häusern voll belegt“, warnte der Sprecher. In ganz NRW gibt es noch gut 700 freie Intensivbetten, so das Gesundheitsministerium des Landes. Das Problem ist nicht der Betten-, sondern der Fachkäftemangel.

Auch die Uniklinik Essen schlägt Alarm: „Der Streik bedeutet eine massive Gefährdung unserer Patienten und eine hohe Belastung für das medizinische Personal“, sagte der Ärztliche Direktor, Jochen Werner: „Bei ambulanten Terminen und Behandlungen wird es am Dienstag zu deutlichen Einschränkungen sowie Verzögerungen kommen.“ Da der Streik auch Intensivstationen betreffe, müsse das OP-Programm reduziert werden. „Selbstverständlich gehört das Streikrecht zu den Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung. Ich kann aber nicht nachvollziehen, dass zur Durchsetzung von Tarifforderungen ausgerechnet Universitätskliniken bestreikt werden“, so Werner. Diese würden zu Zeiten höchster Belastung durch die Pandemie als Ziel auserkoren, um Tariferhöhungen für andere Berufsgruppen durchzusetzen.

Die Uniklinik Münster kündigte an, am Mittwoch auf Wochenendbetrieb zu schalten: „Es werden mehrere Stationen und OP-Säle geschlossen.“ Bei nicht-akuten Eingriffen werde es zu Terminverschiebungen kommen. In Bonn heißt es: „Wir versuchen, trotz Streik Schäden für unsere Patienten zu vermeiden.“

Verdi verteidigte die Streiks. Die „Verweigerungshaltung“ der Arbeitgeber, die noch immer kein Angebot vorgelegt hätten, mache die Beschäftigten wütend, erklärte Gabriele Schmidt, NRW-Chefin von Verdi. Aufgrund des Personalmangels gingen viele Beschäftigte am Stock. Die Gewerkschaft fordert für 1,1 Millionen Beschäftigte in den Ländern fünf Prozent mehr Lohn. Die nächste Verhandlung ist Ende November. Auch das Gesundheitsministerium verteidigte die Streiks: „Es ist das gute Recht von Gewerkschaften, zur Niederlegung der Arbeit aufzurufen, um für bessere Arbeitsverhältnisse zu kämpfen.“

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, forderte Verdi zu verantwortungsvollem Handeln auf: „Wir sind in einer kritischen Situation der Pandemie. Wir gehen fest davon aus, dass Streiks so durchgeführt werden, dass die Versorgung immer gesichert wird.“ Der Tarifkonflikt müsse möglichst schnell gelöst werden.

Verschärft wird die Lage durch die geringe Impfquote. Etwa 80 Prozent der Corona-Patienten in den Krankenhäusern sind ungeimpft, so das Ministerium. Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, mahnte zudem: „Schon heute sind fast 50 Prozent der Neuinfektionen Impfdurchbrüche. Auffrischungen sind alternativlos, wir müssen dringend ein paar Gänge höher schalten.“ Eine 2G-Regel reiche nicht mehr aus, um die vierte Welle zu stoppen: „Wir brauchen bei Veranstaltungen und Restaurantbesuchen zusätzlich die Vorlage eines negativen Schnelltests.“

Auch vom Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD), zu dem unter anderem das Marien-Hospital gehört, heißt es, die derzeitige Situation sei sehr angespannt. Wie ein Sprecher sagte, sei man im engen Austausch mit den anderen Kliniken innerhalb und außerhalb des Verbundes, um Engpässe zu vermeiden oder aufzufangen. Zudem betonte der Sprecher die Bedeutung der 2G-Regel (genesen, geimpft) und der Impfkampagne. Der VKKD begrüße zudem „eine konsequente Anwendung der 2G-Regeln im öffentlichen Raum“, sagte er. Diese gelte hausintern etwa bei Veranstaltungen.

Insgesamt stecken die vergangenen Monate der Pandemie den Mitarbeitern in der Pflege und im ärztlichen Bereich in den Knochen, erklärte die Sprecherin des Evangelischen Krankenhauses in Düsseldorf. „Die Stimmung ist leicht angespannt. Viele haben kein Verständnis mehr für Ungeimpfte, ausgenommen die, die aus Gesundheitsgründen nicht geimpft werden können.“ Man erlebe täglich, dass Ungeimpfte mit starken Verläufen kommen und Geimpfte, die zum Beispiel eine Krebserkrankung haben, auf ihre Behandlung warten müssen, Notfälle seien aber ausgenommen.

Kinderkliniken in NRW müssen schon seit Längerem immer wieder mal Patienten abweisen. Die Infektionswelle mit dem RS-Virus treffe besonders Säuglinge und Kleinkinder und bringe Kliniken an den Rand der Handlungsfähigkeit, sagte Lisa-Kristin Kapteinat, Vize-Chefin der SPD-Landtagsfraktion. Sie rief nach einem Gipfel Kindermedizin in der nächsten Woche: „Wir fordern fünf Millionen Euro, um Kinder- und Jugendkliniken in NRW zu fördern und zu erhalten.“ Um kurzfristig die Personalknappheit müssen man auch dazu bereit sein, vorübergehend die Personaluntergrenze an den Kliniken auszusetzen. Das könne aber allenfalls nur vorübergehend erfolgen.

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