Der Kraft-Herausforderer Röttgen geht in NRW hohes Risiko

Düsseldorf · Norbert Röttgen hat seinen Hut schon früh in den Ring geworfen. In den kommenden Wochen will er im Wahlkampf Ministerpräsidentin Hannelore Kraft herausfordern und gleichzeitig als Umweltminister in Berlin das Jahrhundertprojekt Energiewende stemmen. Mancher in der Union fragt sich: Wie will er das schaffen?

Norbert Röttgen: Der Werdegang des Politikers
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Der politische Werdegang von Norbert Röttgen

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

In spätestens sechs Wochen wählt NRW. Das Duell heißt Hannelore Kraft, SPD, gegen Norbert Röttgen, CDU. Insbesondere für den CDU-Landeschef Röttgen kommt das schneller als erhofft. Nun muss er sich aus dem Stand heraus in den Wahlkampf stürzen - und das, obwohl er eigentlich schon in Berlin als Umweltminister alle Hände voll zu tun hat.

Dass er der nächste Ministerpräsident in NRW werden will, daran lässt er keinen Zweifel. Im Gegensatz zu seinem FDP-Kollegen Daniel Bahr, seines Zeichens ebenfalls Minister in Berlin, macht Röttgen gleich klar, dass er sich an die Spitze des Wahlkampfes setzen wird.

Noch ist unklar, ob Röttgen im Falle einer Neuwahl und eines laut Umfragen möglichen Sieges von Rot-Grün als Oppositionsführer in Düsseldorf bleiben würde. Für diesen Fall müsste in den kommenden Wochen ein neuer Bundesumweltminister gesucht werden.

Skeptiker warnen bereits vor der "Künast-Falle". Denn als Spitzenkandidat wird er die Frage beantworten müssen, ob er auch im Fall einer - zumindest nicht unwahrscheinlichen - Wahlniederlage als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen wird. "Sonst wären schon einige enttäuscht", meint der Politologe Gerd Langguth.

Scheut er den Wechsel, könnte die CDU ähnlich abgestraft werden wie die Grünen in Berlin. Dort hatte Spitzenkandidatin Renate Künast angekündigt, dass sie doch lieber in der Bundespolitik bleibe, wenn sie nicht Regierende Bürgermeisterin werde. Merkel könnte also mindestens ein Ministerwechsel in ihrem Kabinett nach der NRW-Wahl ins Haus stehen - mitten in der Umsetzung der Energiewende.

Röttgen selbst lässt offen, ob er auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen würde. "Wir wollen stärkste Partei werden, ich möchte Ministerpräsident werden", sagte er am Mittwoch im ZDF. "Alle anderen Fragen stellen sich heute jedenfalls nicht." Die CDU werde "Schritt für Schritt" vorgehen. "So waren wir bislang sehr erfolgreich", fügte er hinzu.

Die Doppelbelastung Röttgens nahm am Mittwoch umgehend die SPD ins Visier. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf Röttgen vor, in Berlin womöglich ein unbestelltes Feld zu hinterlassen. Röttgen sei in Berlin an der Energiewende gescheitert, und er werde in NRW an Hannelore Kraft scheitern, sagte Oppermann unserer Redaktion.

Wer sich beim Thema Solarförderung noch nicht einmal gegen Wirtschaftsminister Rösler durchsetzen kann, der ist nicht gut genug für NRW", so Oppermann. Röttgen fliehe in Berlin aus der Verantwortung. "Am Ende wird er in der Opposition im Düsseldorfer Landtag landen", sagte Oppermann.

Dass Norbert Röttgen eines Tages gerne Kanzler werden will, daran zweifeln in Berlin die wenigsten. Mit der Wahl zum Landeschef der nordrhein-westfälischen CDU und zum CDU-Bundesvize schuf er sich im Jahr 2010 eine starke Machtbasis für einen solchen Karriereschritt. So freundlich Röttgen im persönlichen Umgang auftritt, so sehr verbirgt sich hinter seinem Handeln strategisches Interesse. Röttgen gilt als machtbewusst. Weggefährten, die von ihm zur Seite gedrängt wurden, haben das erfahren müssen.

Sein Motto für die Auseinandersetzung mit SPD und Grünen an Rhein und Ruhr: "Schuldenstaat oder Zukunft für unsere Kinder?" Nun könnte aber ausgerechnet die Spitzenkandidatur in NRW für den 46 Jahre alten Vater von zwei Söhnen und einer Tochter zum Karriereknick werden. Denn es ist Stand heute unwahrscheinlich, dass er Ministerpräsident wird. Rot-Grün hatte in Umfragen eine deutliche Mehrheit, zudem wirkt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wesentlich volksnäher.

Früher hat Röttgen durchblicken lassen, notfalls auch Oppositionschef in Düsseldorf werden zu wollen, dann wäre er erst einmal weit weg von Macht und Berlin.

Röttgen, der seit seiner Jugend in der CDU Politik macht und rhetorisch wie intellektuell zu den begabtesten Politikern in Deutschland gehört, fühlt sich in NRW "familiär und politisch verwurzelt". Der Jurist aus der Nähe von Bonn gilt schon lange als Vertreter der CDU-Politiker, die ihre Partei zu den Grünen hin öffnen wollen. Über seinen Beruf sagt er etwas pathetisch: "Es gibt wenig mehr Sinnberufe als die Politik."

(REU/dpa/apd)
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