Corona-Krise in NRW Experten warnen vor mehr Fällen von häuslicher Gewalt

Düsseldorf · Eingeengt und Kontaktsperre, kein Sport und keine Schule: In vielen Familien spielt sich das Leben in Zeiten der Corona-Pandemie im Moment fast nur in der Wohnung ab. Experten fürchten, dass sich Gewalt dadurch schneller entlädt.

Experten haben Sorge, dass vermehrt häusliche Gewalt in diesen Tagen auftritt (Symbolbild).

Experten haben Sorge, dass vermehrt häusliche Gewalt in diesen Tagen auftritt (Symbolbild).

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Weil viele Familien in der Corona-Krise deutlich enger aufeinander hängen, warnen Opferverbände und Wissenschaftler vor einem Anstieg der häuslichen Gewalt. „Wir müssen damit rechnen, dass die Zahlen der Fälle von Gewalt gegen Frauen steigen werden“, sagt Claudia Fritsche von der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW. Auch der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick warnte, dass sich Gewalt in Krisenzeiten vor allem gegen vermeintlich Schwächere richtet. Politikerinnen von SPD und Grünen im NRW-Landtag wollen das Thema am Dienstag auf die politische Agenda setzen.

„Aus Überforderung und Freiheitseinengung kann Aggression entstehen, und die trifft Schwächere“, sagte Zick, der das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld leitet, dem „Westfalen-Blatt“ (Montag). Auch in und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise sei nach Analysen der Gewaltforschung die Menschenfeindlichkeit gestiegen.

Nach Angaben der SPD sind zurzeit fast alle autonomen Frauenhäuser in NRW voll belegt. Nur in Aachen gebe es noch Plätze. Männer seien in Angst um ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz oder ihre Zukunft - in dieser Stresssituation könnten sie eher gewalttätig werden, sagte die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anja Butschkau. „Überwiegend fallen Frauen dieser Gewalt zum Opfer. Aufgrund der angespannten Platzsituation in den Frauenhäusern gibt es aber keine Möglichkeit, die Frauen aus der häuslichen Umgebung zu holen.“

Die SPD-Politikerin will, dass die Landesregierung für mehr Kapazitäten sorgt, „indem zum Beispiel Hotels für Schutzräume angemietet werden“. Die Grünen-Expertin Josefine Paul ergänzte: „Frauenhäuser sind gerade in der aktuell angespannten Situation absolut systemrelevant. Deshalb muss auch den Kindern von Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern im Rahmen der Notfallbetreuung der Zugang zu entsprechenden Plätzen ermöglicht werden.“

SPD und Grüne wollen, dass sich der Landtags-Ausschuss für Gleichstellung und Frauen mit dem Thema beschäftigt. Der Ausschuss soll nach Angaben der Vorsitzenden Regina Kopp-Herr (SPD) am Dienstag 15 Minuten nach Ende der Plenarsitzung zusammen kommmen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW treibt noch eine weitere Sorge um: Wenn Frauenhäuser unter Quarantäne gestellt würden und keine neuen Frauen aufnehmen könnten, wäre das dramatisch, sagte Fritsche. „Das würde weniger Plätze für schutzsuchende Frauen und gleichzeitig mehr Bedarf bedeuten.“

Auch Kinder können durch die aktuellen Entwicklungen häufiger häuslicher Gewalt ausgesetzt sein. Der Deutsche Kinderverein in Essen appelliert daher an die Bevölkerung: „Wenn Sie Zweifel am Wohl eines Kindes in Ihrer Umgebung haben, teilen Sie Ihre Sorgen dem Jugendamt mit. Das geht auch anonym“, so Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Vereins.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort