Erlass in Bayern Nur noch zum Arzt oder Einkaufen – was bedeutet eigentlich eine Ausgangssperre?

Düsseldorf · Ab Samstag gelten in Bayern zahlreiche Ausgangsbeschränkungen. Auch die Stadt Leverkusen hat am Freitag drastische Maßnahmen erlassen. Das Land NRW nimmt davon bislang noch Abstand. Doch was bedeutet eine Ausgangssperre genau?

In Mitterteich in Bayern gilt seit Mittwoch Ausgangssperre.

In Mitterteich in Bayern gilt seit Mittwoch Ausgangssperre.

Foto: dpa/Nicolas Armer

Bayern hat als erstes Bundesland landesweite Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus erlassen. Am Freitagmittag verkündete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die weitreichenden Maßnahmen, die ab 0 Uhr gelten sollen – zunächst für zwei Wochen. Zuvor waren bereits in mehreren bayerischen Gemeinden Ausgangssperren verhängt worden. „Bleiben Sie zu Hause“, sei das Motto, so Söder. Das Verlassen der eigenen Wohnung ist dann nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Es werde keine Passierscheine wie in Frankreich geben, aber die Polizei werde kontrollieren. „Wir sperren nicht zu, aber wir fahren das öffentliche Leben fast vollständig“ herunter, sagte Söder: „Der Schutz der Bevölkerung ist der Maßstab.“ Man orientiere sich jetzt eins zu eins an den Maßnahmen in Österreich.Wer zur Arbeit, zum Einkaufen oder dem Arzt geht, kann das Haus verlassen. Sport und Spaziergehen sind allein mit der Familie oder mit dem Hund möglich.

Auch in Leverkusen ist es seit Freitagmorgen nicht mehr erlaubt, mit zwei oder mehr Personen unter freiem Himmel zusammenzukommen. Die Stadt ist die erste in Nordrhein-Westfalen, die eine solch drastische Maßnahme erlässt. Einzige Ausnahmen sind Familien oder ständige Wohngemeinschaften. „Zweck dieser Allgemeinverfügung ist es, jeden sozialen Kontakt zwischen Menschen auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren“, teilte die Stadt mit. Auch die Stadt Dortmund bereitet nach eigenen Angaben ein solches Ansammlungsverbot vor.

Am Donnerstagabend hatte Freiburg im Breisgau ein Betretungsverbot für öffentliche Orte ausgesprochen, das von Samstag bis zum 3. April gelten soll. Wer sich im Freien aufhalten möchte, darf das dann nur noch allein, zu zweit oder mit Personen, die im eigenen Haushalt leben. Schon seit Mittwoch gilt eine Ausgangssperre in der bayerischen Stadt Mitterteich in der Oberpfalz. Als triftige Gründe werden in dem Erlass des Landratsamts Tirschenreuth zum Beispiel Einkäufe, Arztbesuche, wichtige Behördengänge, Hilfeleistungen für Bedürftige und die dringende Versorgung von Haustieren sowie Tanken genannt.

Der Weg zur Arbeit gehört ebenfalls dazu – aber nur, wenn eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers vorgelegt werden kann. Durch Handzettel und Lautsprecherdurchsagen wurden die Stadtbewohner über die Maßnahme informiert, kontrolliert wird sie durch die Polizei. Bei Verstößen droht eine Geldbuße oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Ermöglicht wird die Sperre durch Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes. Dort wird der zuständigen Behörde das Recht eingeräumt, Personen im Rahmen notwendiger Schutzmaßnahmen dazu zu verpflichten, „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen“. Grundrechte von Freiheit, Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung „werden insoweit eingeschränkt“, heißt es im Gesetzestext. So soll die Verbreitung übertragbarer Krankheiten, zu denen das Coronavirus zählt, verhindert werden.

Auch andere europäische Länder haben eine solche Sperre bereits erlassen: Italien (laut Johns Hopkins-Universität am Freitagmorgen rund 41.000 Infizierte und 3405 Tote), Spanien (18.000 Fälle, mehr als 800 Tote), Frankreich (11.000 Fälle, knapp 370 Tote) und Belgien (1800 Fälle, 21 Tote). Die Bestimmungen sind ähnlich, Haus oder Wohnungen dürfen nur noch aus triftigen Gründen verlassen werden. In Italien gilt die Maßnahme schon seit einer Woche – und soll noch über den 3. April hinaus verlängert werden, wie Regierungschef Giuseppe Conte am Donnerstag ankündigte. In Belgien gilt der Erlass zunächst bis zum 5. April. In Spanien gelten seit Samstag ähnliche Maßnahmen. Kontrolliert werden diese durch Soldaten und sogar Drohnen. In Frankreich hatte Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch eine Sperre zunächst für zwei Wochen verhängt. Auch hier kontrollieren Sicherheitskräfte die Einhaltung.

Deutschlandweit oder in NRW (rund 5600 Infektionen, 17 Tote laut NRW-Gesundheitsministerium) gibt es eine solche Ausgangssperre bislang nicht. Am Donnerstag sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) in einer Ausschusssitzung im Düsseldorfer Landtag, dass die Landesregierung eine solche Maßnahme noch prüfe. Kinder aus gewaltgefährdeten Familien würde eine solche Maßnahme ebenso treffen wie ältere Menschen, die ohnehin schon isoliert seien. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, dass solche Sperren nur dann zu vermeiden seien, „wenn jeder sich an die Vorgaben halte“.

Am Sonntag beraten Kanzleramt und Ministerpräsidenten über die Einführung einer Ausgangssperre und über weitere Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens. „Wir werden uns das Verhalten der Bevölkerung an diesem Wochenende anschauen“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) laut Vorankündigung im Interview mit dem „Spiegel“. Der Samstag sei dabei ein entscheidender Tag.

In NRW ist das öffentliche Leben bereits massiv eingeschränkt, neben Schulen und Kindergärten sind Kinos, Bars, Spielplätze und Schwimmbäder geschlossen, Restaurants dürfen in einigen Städten nur noch bis 15 Uhr aufmachen. Seit Mittwoch ist zudem der Einzelhandel dicht – Ausnahmen gelten für wichtige Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte und Tankstellen.

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