Italien Die große Schönheit

Das Luxushotel Villa d’Este am Comer See feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Betriebsjubiläum. Trotz vierstelliger Preise sind die 152 Zimmer und Suiten meist ausgebucht.

 Die Villa d‘Este liegt am Ufer des Comer Sees und hat bereits viele berühmte Gäste beherbergt.

Die Villa d‘Este liegt am Ufer des Comer Sees und hat bereits viele berühmte Gäste beherbergt.

Foto: Stefan Quante

Alles hört auf sein Kommando. Michele Zambanini dirigiert sein 51-köpfiges Koch-Ensemble per Handmikrofon. Anders kann sich der langjährige Küchenchef in seiner riesigen Hotelküche kein Gehör verschaffen: „Wenn das Mikro mal ausfallen würde, hätten wir keine Chance. Kaum jemand könnte mich hören.“

Aber das ist in den elf Jahren, seit er hier der Chef ist, noch nie passiert. Aktuell serviert Michele im Hauptrestaurant wegen des 150-jährigen Jubiläums ein Menü mit Rezepten aus den 1970er-Jahren: „Damals war Federico Fellini Stammgast in der Villa d’Este und hat hier am liebsten Ravioli gegessen. Also haben wir die wieder auf der Karte – aber mit einer Füllung all’Amatriciana.“ Denn Filmregisseur Fellini war Römer, und die berühmte Pecorino-Schweinebacken-Tomaten-Sauce soll ihn posthum ehren.

Zu den lebenden Stammgästen zählt George Clooney, der nicht weit entfernt in Laglio im Sommer eine elegante Seevilla bewohnt und stets mit seinem Boot vorfährt. Daher kommt er nur zum Essen hierher, am liebsten in das Zweitrestaurant, den Grill. Michele schätzt seinen prominenten Gast: „George ist ein einfacher Esser. Mit Prosciutto, Burrata und einem Risotto können wir ihn glücklich machen.“

Prominente hat die elegante Renaissance-Villa schon angezogen, bevor sie Hotel wurde – vor allem den europäischen Hochadel, Sultane und Zaren. Eine ihrer Besitzerinnen war eine große Napoleon-Verehrerin. Und als der französische Imperator sich zu einem Besuch ansagte, ließ sie eigens eine ganze Zimmerflucht für ihn gestalten. Noch heute ziert das imperiale N die Seidenbespannung des Hauptsalons. Aber Napoleon kam nie an. Man schrieb das Jahr 1815, und der große Kaiser hatte anderes zu tun.

 Seine 51 Köche dirigiert Küchenchef Michele Zambanini per Mikrofon.

Seine 51 Köche dirigiert Küchenchef Michele Zambanini per Mikrofon.

Foto: Stefan Quante

„Das war sozusagen der erste Fall von No-Show in der langen Geschichte der Villa – schon bevor sie zum Hotel umgewandelt wurde,“ erzählt Vera Mazzoni schmunzelnd, die leitende Guest Relation Managerin.

Sie hat schon eine stattliche Anzahl von Berühmtheiten betreut, von Madonna bis zu den Obamas: „Die meisten sind ziemlich einfach glücklich zu machen – sie wollen wie ganz normale Menschen behandelt werden. Ohne VIP-Bonus, denn den bekommen sie überall.“

Schwieriger sind manche Allerwelts-Multimillionäre. Da war zum Beispiel die 65-jährige Australierin, die sich immer gleich für sechs Wochen einmietete: „Sie fand die Dusche in ihrer Suite zu klein und verlangte eine umgehende Vergrößerung. Um ihrer Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, drängte sie mich, selber einmal dort zu duschen, dann würde ich schon sehen.“ Vera lehnte standhaft ab.

Veränderungen werden in der Villa d’Este grundsätzlich sehr behutsam vorgenommen. Historische Schwarz-Weiß-Fotos an markanten Stellen der zehn Hektar großen Anlage zeigen, dass äußerlich alles beim Alten geblieben ist. Der kleine Gazebo zum Beispiel, wo Josephine Baker 1931 mit keckem Blick auf die weiße Personenwaage zu ihren Füßen verewigt wurde, steht heute noch unverändert an derselben Stelle. Und auch die kleinen Wachtürmchen aus dem frühen 19. Jahrhundert am Steilhang hinter den beiden Hotelgebäuden, dem Kardinalshaus und dem Königin-Pavillon, sind noch da. Die hatte die erwähnte Napoleon-Verehrerin einst ihrem zweiten Ehemann, einem General, spendiert, damit er mit seinen Generalsfreunden in der Freizeit zwischen zwei Feldzügen zu Hause ein wenig Krieg spielen konnte.

Die Villa d’Este liegt direkt am Comer See.

Die Villa d’Este liegt direkt am Comer See.

Foto: Stefan Quante

Zugeständnisse an die Moderne fallen in der Villa d‘Este unauffällig aus – der Spa, die Squash-Halle, der Golf-Simulator sind da, aber gut versteckt. Allenfalls der große im See schwimmende Pool hat die Ansicht vom Wasser aus im Vergleich zum Eröffnungsjahr 1873 etwas verändert. Und natürlich werden auch die kunstgeschichtlich bedeutenden Mosaiken und der Herkules-Tempel aus dem 16. Jahrhundert respektvoll gepflegt und bewahrt. Sie sind genau wie das Hauptgebäude eine Auftragsarbeit eines Kardinals namens Tolomeo Gallio, der hier an diesem magischen Ort eine Sommerresidenz haben wollte. Bewohnt hat er sie, wie es heißt, aber wohl nur rund an 20 Tagen pro Jahr. Er hatte eben noch ein paar andere Paläste. Heute ist die Villa jedenfalls ein nationales Monument und unterliegt strengem Denkmalschutz.

Genügend Gäste, die diese Art der Traditionspflege lieben, scheint es zu geben. Die 152 Zimmer und Suiten der Villa sind trotz vierstelliger Übernachtungspreise meist ausgebucht. Dabei gibt es gerade hier an den südlichen Ufern des mondänen Sees starke Konkurrenz durch neue Luxushotels wie das elegante Mandarin Oriental in Blevio oder das ultramoderne Il Sereno in Torno. Letzteres glänzt mit einem Michelin-Stern für seine überaus innovative Küche.

Villa d‘Este-Küchenchef Michele Zambanini kann sich diesen Ehrgeiz nicht gestatten: „Wir machen hier für den Gast alles möglich. Wir können uns gar nicht erlauben, nein zu sagen.“ Ein Gast möchte Pizza, auch wenn die natürlich nicht auf der Karte steht – er bekommt sie. Nur einmal ist Michele an seine Grenzen gekommen. Ein britischer Gast wollte außerhalb der britischen Jagd-Saison unbedingt ein Moorhuhn essen. Ein gefrorenes kam für den qualitätsversessenen Küchenchef nicht in Frage. Also gab es Fasan. Es muss geschmeckt haben, denn Beschwerden sind nicht überliefert.

Die Perfektion der Grand Hotellerie – das kann außer maximaler Aufmerksamkeit eben vieles sein: das Surren der edlen Elektroboote, die abends ihr eleganten Passagiere am Steg entladen, das Knirschen der Schuhe von rund 100 Kellnerinnen und Kellnern auf der riesigen Kiesterrasse, die makellosen alten Terrazzo-Böden oder die endlosen Hotelflure mit üppigem Blumenschmuck und zahllosen Originalgemälden aus vier Jahrhunderten. Wie gut, dass man heute kein Kardinal mehr sein muss, um soviel grande belezza genießen zu dürfen.

Villa d‘Este, Via Regina 40, 22012 Cernobbio
www.villadeste.com
Übernachtung ab 1100 Euro pro Zimmer inklusive Frühstück

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