Katholische Kirche in Deutschland debattiert über Reformen Drei Tage der Wahrheit

Analyse | Frankfurt · Ab Donnerstag kommen in Frankfurt rund 230 katholische Laien und Bischöfe zur fünften und abschließenden Synodalversammlung zusammen. Warum trotz Aufbruchstimmung die Ernüchterung groß ist.

 Eine Frau steckt während der vierten Synodalversammlung in Frankfurt dem Synodalkreuz ein rotes kleines Kreuz an.

Eine Frau steckt während der vierten Synodalversammlung in Frankfurt dem Synodalkreuz ein rotes kleines Kreuz an.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Was immer die nächsten Tage in Frankfurt der katholischen Kirche in Deutschland noch bescheren werden, eins ist jetzt schon so sicher wie besagtes Amen der Kirche: nämlich die Proteste des Kirchenvolks, die auch die fünfte und letzte Synodalversammlung mit ihren 230 Delegierten ab Donnerstag begleiten. So haben sich vor dem Kongresshaus „Kap Europa“ bereits die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, die Initiative Maria 2.0 sowie die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ angesagt. Um vor allem den Bischöfen jene Reformen noch einmal schmackhaft zu machen, die beim sogenannten Synodalen Weg diskutiert werden. Wie das Weiheamt für Frauen, die Hierarchie in der Kirche, wie das zölibatäre Leben der Priester, die Sexualmoral.

Dass dieser Reformweg nach fast vierjährigem Debattieren „unumkehrbar“ sei, wie es Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ betont, ist mehr ein frommer Wunsch der Laien. Zu kräftig wehte zuletzt der Gegenwind aus Rom. Insbesondere Kurienkardinal Walter Kasper (90) wird nicht müde zu betonen, dass keine Bischofskonferenz ermächtigt sei, so etwas wie einen Synodalen Rat oder Ausschuss als dauerhafte Reformeinrichtung künftig zu etablieren. Ins gleiche Horn blies zuletzt der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, der alle Reformüberlegungen tadelte und in einem Grußwort die deutschen Bischöfe kürzlich daran erinnerte, dass Synodalität „mehr eine Frage des Geistes und des Stils als der Strukturen“ ist und „nicht einmal ein Diözesanbischof einen synodalen Rat auf diözesaner oder pfarrlicher Ebene errichten kann“. Dass dies zugleich die Haltung Roms ist, darf als sicher gelten.

Bei aller Kraftanstrengung und vereinzelter Aufbruchsstimmung mehren sich die Stimmen der Ernüchterung. Wie die des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke. In der Sache sei man „erwartungsgemäß wieder da, wo man begonnen hat“, so Lüdecke gegenüber unserer Redaktion. Zumal alle angenommenen Texte unverbindlich blieben. „Was sie wert sind, hängt einzig davon ab, ob und wie sie von den Diözesanbischöfen beziehungsweise meistens sogar vom Papst umgesetzt werden. Das wird inzwischen von den Bischöfen deutlicher betont als am Anfang. Ihnen ist es aber gelungen, die Laien wie geplant vier Jahre lang auf diesem synodalen Rundweg zu halten.“ Natürlich könne man nach seinen Worten „Rundwege immer wieder beschreiten. Ob sich die Wandergruppe aber am Ende nicht doch ausdünnt, wird sich zeigen. Und wer sich immer wieder ,fest überzeugt‘ gibt, dass Reformen schon noch kommen, sollte an die Warnung Friedrich Nietzsches denken: Überzeugungen sind oft die gefährlichsten Feinde der Wahrheit.“

Noch ist es zu früh, eine Bilanz zu ziehen. Denn noch stehen große Debatten aus. Unter anderem zur Gewaltenteilung in der Kirche, zum Zölibat, zu Segensfeiern für Paare, die sich lieben, zum Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt. Es wird bekannte Debatten und bekannte Abstimmungen geben. Zwei Knackpunkte sorgen dabei im Vorfeld für Aufregung, die furchtbar bürokratisch klingen, letztlich aber große Wirkung zeigen können: Das ist zum einen die in der Satzung hinterlegte Sperrminorität der Bischöfe, wonach zur Annahme eines Textes eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Bischöfe erforderlich ist. Zum anderen geht es um die Frage nach geheimer oder namentlicher Abstimmung. Klingt kleinlich, ist es aber keineswegs. Für einen Antrag auf geheime Stimmabgabe reichen fünf Mitglieder. Ob dies aber auch umgesetzt wird, soll die gesamte Versammlung befinden, so das Synodalpräsidium vor wenigen Tagen. Kurzum: Anonym soll keine Stimme bleiben.

Auch das sagt etwas über die Atmosphäre der Synodalversammlung aus, die zuletzt tiefe Gräben zwischen verschiedenen Flügeln offenbarte. Daran änderte auch wenig die Sitzordnung in streng alphabetischer Reihenfolge, wodurch etwa der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki recht weit hinten zu sitzen kam. „Wem es gefällt, wenn sich Bischöfe mit unveränderter Positionsmacht freundlich und persönlich umgänglich zeigen, der mag das von mir aus für eine atmosphärische Veränderung halten“, so der Kirchenrechtler Lüdecke. „Aber zum einen sehe ich nicht, was daran wirklich weiterführt. Zum anderen gab es immer schon auch den Typ ,freundlicher Hirte‘, der Reformsehnsüchtige ein bisschen hoffen und Beharrer nichts Konkretes befürchten lässt.“

Als Beispiel für einen Erfolg des Synodalen Weges wird oft auf das geänderte kirchliche Arbeitsrecht verwiesen. Lüdecke hält „das eher für eine Vereinnahmung“. Denn rechtlich brauchte es nach seinen Worten dafür den Synodalen Weg gar nicht. „Und faktisch dürfte die entscheidende Schubkraft von ,Out in Church' ausgegangen sein. Außerdem: Mit der neuen Grundordnung wurde ja nur das arbeitsrechtliche Sanktionsregime geändert. Die heteronormative und ehefixierte lehramtliche Sexualmoral bleibt vollkommen unangetastet.“

Am Ende wird Rom nicht entscheiden, weil Rom im Grunde schon entschieden hat. Der Synodale Weg ist dort verdächtig geworden. Wie Lüdecke betont, dürfte das selbstbewusste Auftreten der Laien, „das von der rechtlich geforderten Ehrfurcht gegenüber den Hirten nichts erkennen lässt“, die Sorge der Kurie eines zu großen Einflusses der katholischen Laien verstärkt haben. So führen fast alle Wege nach Rom, jener der Synodalität möglicherweise nicht.

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