Ruhrtriennale Festival-Chefin mit Aufpasser

Bochum · Intendantin Stefanie Carp soll die Ruhrtriennale auch in den kommenden zwei Jahren leiten – unter bestimmten Bedingungen.

 Stefanie Carp (l.), Intendantin der Ruhrtriennale, und Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturministerin von Nordrhein-Westfalen, nach der Podiumsdiskussion mit BDS-Anhängern bei der Ruhrtriennale im August.

Stefanie Carp (l.), Intendantin der Ruhrtriennale, und Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturministerin von Nordrhein-Westfalen, nach der Podiumsdiskussion mit BDS-Anhängern bei der Ruhrtriennale im August.

Foto: picture alliance/dpa/dpa

Sie bleibt. Aber es wird sich etwas ändern. So lässt sich der Beschluss des Aufsichtsrats der Kultur Ruhr GmbH zusammenfassen, der am Montag über die Zukunft von Stefanie Carp bei der Ruhrtriennale zu entscheiden hatte. Die umstrittene Intendantin soll demnach auch in den kommenden zwei Jahren NRWs größtes Kulturfestival leiten, bekommt mit Jürgen Reitzler aber einen stellvertretenden Intendanten zur Seite gestellt. Und Carp muss sich in ihren kommenden beiden Spielzeiten an einen Beschluss des Landtags halten, der die Israel-Boykott-Kampagne BDS als „klar antisemitisch“ verurteilt und von Landeseinrichtungen fordert, ihr jegliche Unterstützung zu verwehren. Dass es diesen Beschluss überhaupt gibt, dafür ist Carp verantwortlich.

Denn die Intendantin, die in diesem Jahr ihre erste Ruhrtriennale leitete, hatte sich noch vor Festivalbeginn in eine handfeste Antisemitismus-Debatte verstrickt. Erst hatte sie die für BDS engagierte Band Young Fathers ein-, dann aber wieder ausgeladen, weil sich das Trio von BDS nicht distanzieren wollte. Kurz darauf lud Carp die Young Fathers plötzlich erneut ein, auch wenn die Band dann nicht mehr wollte. Ein Hin und Her, mit dem sich Carp nur unter Anhängern des israelfeindlichen Netzwerkes Freunde machte.

BDS ist ein Zusammenschluss palästinensischer Organisationen und wird von zahlreichen Künstlern unterstützt, darunter Roger Waters, Brian Eno oder Patti Smith. BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ und setzt sich für den vollständigen Boykott Israels in wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht ein. Ziel ist die Isolierung Israels. Künstler, die in Israel auftreten wollen, werden unter Druck gesetzt. BDS-Anhänger versuchen das Land außerdem zu diskreditieren, indem sie es etwa mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime vergleichen.

Anfang des Jahres sprach sich der Bundestag bereits entschieden gegen BDS aus, und so dauerte es nicht lange, bis Intendantin Carp für ihre Volte reichlich Wind entgegenwehte. Neben jüdischen Gemeinden kritisierte die Kulturstiftung des Bundes die Wiedereinladung der Young Fathers, Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) ging auf Distanz zu ihrer Intendantin – das Land ist wichtigster Geldgeber der Ruhrtriennale und Gesellschafter der Kultur Ruhr, die das Festivals ausrichtet.

Es folgte ein bemerkenswerter Auftritt von Carp im Kulturausschuss des Landes, bei dem sie sich rechtfertigte und die Zusammenarbeit mit weiteren BDS-nahen Künstlern für die kommenden Jahre ankündigte. Sie halte Carps „Positionierung im Kulturausschuss für nicht vereinbar mit den Grundwerten, für die das Land Nordrhein-Westfalen steht“, sagte Pfeiffer-Poensgen. Das saß.

Die FDP forderte den Rauswurf der Intendantin, spätestens nach der Spielzeit. Die Israelische Botschaft in Berlin kritisierte eine Podiumsdiskussion mit BDS-nahen Teilnehmern bei der Ruhrtriennale und schlug eine Einladung aus. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung schaltete sich ein und nannte Carps Krisenmanagement „desaströs“. Schließlich sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) seinen Besuch bei der Ruhrtriennale ab. Das alles, bevor das erste Stück gegeben wurde.

Nun ist die Ruhrtriennale seit einem Monat vorbei, Carp freute sich in der Rückschau über „künstlerische Erfolge“. Mit 27.000 verkauften Tickets und 80 Prozent Auslastung stimmte auch die Bilanz der Spielzeit. Es blieb bloß die Frage, ob ihre mit „Zwischenzeit“ betitelte erste Saison nicht auch ihre einzige werden sollte. Der Kultur-Ruhr-Aufsichtsrat unter Vorsitz von Ministerin Pfeiffer-Poensgen hat darauf nun Antwort gegeben: Man plane auch für die kommenden zwei Jahre mit Carp. Mit Jürgen Reitzler wird die Intendanz erweitert.

Reitzler war zuletzt künstlerischer Betriebsdirektor am Berliner Ensemble; durch seine Berufung in die Intendanz soll nun „eine bessere Vorbereitung“ der kommenden Spielzeiten gewährleistet werden, heißt es. Reitzler soll Carp in den „künstlerischen Produktionsprozessen“ unterstützen.

Zwar hat Carp mit Chef-Regisseur Christoph Marthaler bereits einen langjährigen künstlerischen Intimus, den sie auch mit ins Ruhrgebiet brachte; mit Reitzler kommt ein Berater hinzu. Ein Aufpasser, heißt es aus dem Umfeld des Festivals.

Statt Carp zu entlassen, haben sich Pfeiffer-Poensgen und ihr Rat, zu dem auch der frührere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gehört, für eine salomonische Lösung entschieden. Andernfalls hätte gedroht, dass ihnen die Ruhrtriennale 2019 um die Ohren fliegt. Denn Marthaler wäre sicher mit Carp abgegangen, gebuchte Künstler hätten sich möglicherweise solidarisiert. Und auf die Schnelle einen neuen Intendanten zu finden, wäre gleichfalls schwer geworden. Die Ruhrtriennale hätte das weiter beschädigt. Andererseits: Auch Carp scheint unberechenbar.

„Frau Carp als Intendantin der Ruhrtriennale zu halten, ist Ergebnis einer ausführlichen Erörterung und Abwägung ihres Verhaltens in der Kontroverse um die BDS-nahe Band Young Fathers“, sagte Pfeiffer-Poensgen. „Dabei konnte ich mich davon überzeugen, dass Frau Carp die Bedeutung des Themas nunmehr stärker im Blick hat und antisemitische Aktionen und Gruppierungen im Rahmen der Ruhrtriennale keine Plattform finden.“ Zudem habe die Intendantin zugesagt, den Beschluss des Landtags zur BDS-Bewegung zu beachten und umzusetzen. Was das bedeutet, ist indes noch offen: Ob etwa dem BDS-Anhänger und Choreographen Alain Platel, mit dem Carp für 2020 eine Zusammenarbeit angekündigt hatte, abgesagt wird? Das Kulturministerium verwies in dieser Frage auf die Ruhrtriennale. Eine Festival-Sprecherin sagte, für 2020 gebe es noch keine Verträge. Den Landtagsbeschluss „zum Umgang mit der BDS-Bewegung werde ich bei meiner Programmplanung berücksichtigen“, sagte Carp auf Anfrage unserer Redaktion.

„Dass explizit eine Zusicherung eingeholt wird, Landtagsbeschlüsse einzuhalten, zeigt, wie belastet das Vertrauensverhältnis ist“, sagte Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der FDP, obgleich er für die Entscheidung der Kultur Ruhr Verständnis habe.

Von einer „weisen Entscheiddung“ im Sinne der Zukunft der Ruhrtriennale sprach Michael Vesper, früherer NRW-Kulturminister, der das Festival 2002 mitbegründete. Ministerpräsident Armin Laschet hingegen wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Ob er die Ruhrtriennale nächstes Jahr besuchen wird? Das könnte man zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht sagen, hieß es aus der Staatskanzlei.

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