Ausstellung in Frankfurt Die schrecklich Liebende

In einem der schönsten Museen Frankfurts – dem Liebighaus am Mainufer – ist eine großartige Schau zu sehen: über Medea. Leihgaben kamen aus London, Rom, Neapel und Paris.

 Eine dramatische Szene des Mythos: Das Wandgemälde aus Pompeji, 62-79 n. Chr., zeigt Medea, kurz bevor sie ihre beiden Söhne aus Rache an ihren untreuen Gemahl mit dem Schwert töten wird.

Eine dramatische Szene des Mythos: Das Wandgemälde aus Pompeji, 62-79 n. Chr., zeigt Medea, kurz bevor sie ihre beiden Söhne aus Rache an ihren untreuen Gemahl mit dem Schwert töten wird.

Foto: Museum Neapel/Museum

Das Frankfurter Mainufer ist derart üppig mit hochkarätigen Museen bestückt, dass man an dieser einstigen Industriellen-Villa glatt vorbeilaufen könnte. Dabei ist sie vielleicht eins der schönsten Häuser gegenüber der alles beherrschenden Skyline der Metropole – und mit seiner aktuellen Schau auch eins der attraktivsten: Es geht um Medea, die Zauberhafte und Liebende, die Machthungrige, Betrogene und furchterregend Hassende, die am Ende ihre Kinder aus Rache am untreuen Gatten mit dem Schwert töten wird.

Was für ein großer Mythos, der alles vereint, was heute einen Bestseller ausmachen würde und auch deshalb unvergessen ist: Abenteuer, Liebe, Macht, Verrat und Mord – von allem ist alles überreich vorhanden. Der antike Dichter Euripides hatte dafür ein gutes Näschen, als er Medea zum Tragödienstoff machte, mit dem wir immer noch nicht fertig sind.

In aller Kürze: Es beginnt mit einem Mann, mit Jason, dem Königssohn und Thronanwärter, der vom Kontrahenten auf abenteuerliche Reise geschickt wird mit der wohl begründeten Hoffnung, dass dieser Mann als Lebender nicht mehr zurückkehren wird. Zumal es sein Auftrag das, das Goldene Vlies mitzubringen. Aber wie es Helden manchmal zu eigen ist: Sie meistern auch das Unmögliche. Jason und seine Gefährten – die Argonauten – erreichen das sagenumwobene, legendär goldreiche Kolchis (wobei die Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite hilfreich zur Seite stehen). Doch das Vlies erobert Jason nur dank der Hilfe der kolchischen Königstochter, dank Medea. Die Flucht führt die beiden nun Verliebten nach Korinth, das ist der Anfang vom Ende: Jason verlässt Medea wegen der Königstochter dort. Und nun gibt es kein Halten mehr für die Verratene. Erst schickt sie ihrer Widersacherin ein Brautgewand, das die Trägerin in Flammen aufgehen lässt. Schließlich tötet sie ihre eigenen Kinder mit dem Schwert. Nichts soll mehr bleiben, was von der einst großen Liebe zeugte.

Im Liebighaus lässt man den Mythos sich selbst erzählen: mit großen Wandreliefs, Darstellungen auf Vasen und atemberaubenden Goldschmuck aus Georgien, dem Land, in dem Kolchis gelegen haben soll. Das hört sich leichter an als es getan ist. Doch Frankfurt hat dafür einzigartige Leihgaben aus Neapel herbeigeschafft, aus dem Louvre in Paris, den Vatikanischen Museen in Rom und dem British Museum in London. Was für ein unglaubliches Überlieferungs- und Kulturgut sich da auf vergleichbar kleinem Raum vor dem Betrachter ausbreitet!

Und was für ein unglaublicher Mythos, der Fragen an unsere Existenz richtet, unsere Leidenschaft, unsere Vergehen, und der darum so viele Künstler auch nach Euripides beschäftigt hat. Christa Wolf hat versucht, die Stimmen der Beteiligten einzufangen, Lars von Trier hat ebenso wie Pasolini einen großen Filmstoff im Mythos entdeckt, und die Psychiatrie kennt das „Medea-Syndrom“. Und dann steht man vor dem Goldschmuck aus Georgien dieser Zeit – fein gearbeitete Ohrringe und Armreifen und Haarschmuck –, den Gemälden auf Vasen und Wandreliefs, den großen, neu erforschten Bronzestatuen der erst 1885 gefundenen Faustkämpfer. Das alles sind Zeugen, die zu uns sprechen. Diese Ausstellung verlässt kein Besucher unverändert. Allein die Frage, was eigentlich das Goldene Vlies ist und sein könnte, regt die Phantasie nachhaltig an. All die dargestellten Figuren werden zu einer einzigartigen Bildergeschichte. Sie nicht zu sehen, wäre ein Versäumnis.

Und noch ein Tipp am Rande: Das alte Café im Liebighaus mit seinem malerischen Innenhof ist mehr als nur ein Bistro.

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