Oper Elvira kommt der Bräutigam abhanden

Düsseldorf · Tausendsassa Rolando Villazón inszeniert an der Rheinoper Vincenzo Bellinis Belcanto-Oper „I Puritani“ im dekorativen Gothic-Look.

 Adela Zaharia (Elvira) mit dem Chor der Deutschen Oper am Rhein in „I Puritani“.   Foto: H. Jörg Michel

Adela Zaharia (Elvira) mit dem Chor der Deutschen Oper am Rhein in „I Puritani“. Foto: H. Jörg Michel

Foto: Michel/Hans Jörg Michel

In den Opern des 19.Jahrhunderts verfallen merkwürdig oft Frauen dem Wahnsinn. Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ ist das berühmteste Beispiel. Aber auch Vincenzo Bellini hegte großes Interesse für Damen, die entweder den Falschen heiraten sollen oder den Richtigen nicht kriegen und darüber verhaltensauffällig werden.

Wie unter anderem jene Elvira aus „I Puritani“, der auf dem Weg zum Traualtar der Bräutigam abhandenkommt, worüber sie wahnsinnig wird, was sich drei lange Akte hinzieht. In Wahrheit ist er ihr aber nicht untreu, sondern sieht sich in der Pflicht, eine Königin zu retten, was Elvira aber nicht weiß.

Das Ganze spielt im 17. Jahrhundert in England, als der Puritaner Oliver Cromwell gegen den katholischen König antrat und eine Liebe zwischen einer Protestantin – Elvira – und einem Katholiken – ihr Bräutigam Lord Arturo Talbot – mindestens so unmöglich war wie die zwischen Romeo und Julia.

Vincenzo Bellinis „I Puritani“ erzählt diese Geschichte nun ziemlich umständlich: Die Charaktere sind grob gezeichnet, die Handlung stagniert, und der Chor ist zwar auf der Bühne allgegenwärtig, bleibt aber bloße Staffage. Mit anderen Worten: „I Puritani“ ist szenisch alles andere als ein Meisterwerk und also eigentlich prädestiniert für eine konzertante Aufführung.

Doch nun macht sich Rolando Villazón mit „I Puritani“ an seine zweite Regiearbeit an der Rheinoper. Zu „I Puritani“ ist ihm nun aber leider fast gar nichts eingefallen. Dieter Richter hat ihm einen düsteren, hoch aufragenden Raum gebaut, der ein Zwitter ist zwischen Kirchenschiff und Parlament. Susanne Hubrich steckt das Personal in Kostüme mit Spurenelementen aus der Cromwell-Zeit und Bezügen zu einer zeitlosen Gegenwart. Das unterstreicht, dass Villazón im Programmheft zu Protokoll gibt, er wolle keinen Geschichtsunterricht erteilen. Ohne politische Bezüge wird das krude Geschehen aber vollends unverständlich, zumal Villazón auch keine psychologische Hilfestellung gibt.

Warum Elvira also stundenlang mit flatternden Armen von rechts nach links und wieder zurück im Wahn über die Bühne taumelt, erschließt sich nicht. Ansonsten rettet Villazón sich über die Zeit mit unmotivierten Gängen und dem Gestenvokabular aus dem Opern-Museum. Da wird am Souffleurkasten gebarmt und die Hände gerungen, da rollen die Augen wie zu Stummfilmzeiten. Ein bisschen Grusel muss dann auch noch sein, wenn etwa ein fahrbarer Pranger elegant wie ein Rollkoffer hereinfährt oder eine Art Mini-Bar, in der man Maschinengewehre präsentiert wie auf einer Messe für Militaria. Auch gibt es Theaterblut auf Statisten-Rücken. Das alles aber kümmert nicht, und so zieht man bald vor, die Augen zu schließen.

Das lohnt über weite Strecken, zumal mit Antonio Fogliani am Pult der Duisburger Philharmoniker ein ausgewiesener Belcanto-Experte am Werk ist und die Zügel straff in der Hand hält. Fogliani setzt auf flotte Tempi und navigiert souverän durch die heiklen Ensembles und Chöre. Adela Zaharia meistert die mörderische Partie der Elvira mit silbrig leuchtendem, biegsamem Sopran. Die Koloraturen funkeln, den Spitzentönen wünschte man sich noch etwas mehr Weite, aber das mag sich sicher noch setzen. Ioan Hotea als Talbot besitzt einen weich timbrierten, leichtgängigen Tenor, der in der Höhenlage interessante Mischklänge hören lässt, aber oben eine Spur zu wenig Kern aufweist, was er aber mit viel Geschmack der Phrasierung wettmacht. Den stilistisch und in Sachen Bühnenpräsenz stärksten Eindruck hinterlässt Bogdan Taloş als Sir Giorgio mit herrlich ruhigem Bass-Legato, scharfer Diktion und natürlicher Autorität.

Ganz am Schluss fällt Rolando Villazón dann doch noch etwas ein: Wenn laut Bellini Arturos Flucht vor dem Altar sich als Heldentat eines Königstreuen herausstellt und das Paar sich doch noch findet, glaubt Villazón das nicht und lässt als neues Paar Talbot mit Enrichetta di Francia (Sarah Ferede mit kurzem, starkem Auftritt) zusammenkommen.

Großer Applaus für alle Beteiligten, Bravi für die Sänger und den papageienbunt aufmarschierenden Regisseur.

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