Festival „Theater der Welt“ Penda Diouf gibt der Wut eine Stimme

Düsseldorf · Die Dramatikerin und Schauspielerin mit senegalesisch-ivorischen Wurzeln hat das Stück „Pistes“ geschrieben, das jetzt im Düsseldorfer Schauspielhaus aufgeführt worden ist.

 Titelbild zu „Pistes“ von Penda Diouf.

Titelbild zu „Pistes“ von Penda Diouf.

Foto: Justin Reznick

Das Festival „Theater der Welt“ feiert die Vielfalt künstlerischer Positionen. Die 350 Menschen, die sie noch bis zum 4. Juli am Düsseldorfer Schauspielhaus vertreten, stammen von fünf Kontinenten, was allein schon allerhand ist. Es kommen internationale Produktionen auf die Bühne, jede für sich eine Überraschung, denn mit dem Kontext, in dem sie entstanden sind, ist das Publikum in der Regel nicht vertraut und darf sich im besten Sinne wundern, wie eindringlich und nah interkulturelles Theater zu sein vermag. Ein Festival-Highlight ist nicht nur in diesem Zusammenhang das Stück „Pistes“ („Fährten“), das jetzt im Großen Haus aufgeführt wurde. Geschrieben hat es Penda Diouf, eine Dramatikerin und Schauspielerin mit senegalesisch-ivorischen Wurzeln, die in Frankreich lebt. Diouf ist durch Namibia gereist, Verbrechern und Helden auf der Spur. Sie hat erlebt, wie sich die große Geschichte mit ihrer persönlichen verankert und dies in einem starken Text niedergeschrieben.

Auf der Bühne gibt es mit Nanyadji Kagara bloß eine Schauspielerin. Ihr Monolog jedoch kommt als Inszenierung mit großer Besetzung daher, so kraftvoll und changierend ist ihr Ausdruck, so packend ihre Reportage, so kunstvoll das Geflecht aus Poesie, harten Fakten und Kampfgeist. „Wann hat diese Reise begonnen?“ fragt sie. Vielleicht, als sie in der Grundschule zum ersten Mal mit dem unwürdigen Blackfacing konfrontiert wird? Oder als sie in der Französischprüfung zunächst erklären soll, warum sie Zöpfe auf dem Kopf trägt, obwohl es doch darum gar nicht geht? Vielleicht hat die Reise aber auch begonnen, als sie, das einst so schmale Mädchen, anderen sagen soll, warum ihr Körper nun so kräftig ist? „Ja, wisst ihr es denn nicht? Wisst Ihr nicht, woher das kommt?“ ruft Kagara. Um die Sklaverei zu überleben, die Demütigungen und Verletzungen, habe man stark werden müssen.

Ganz sicher hat die Reise jedoch auch einen Anfang in den Gräueltaten, welche die deutsche Kolonialarmee ab 1904 an den Herero und Nama im sogenannten Deutsch-Südwestafrika verübt hat. „Das Leben in der Wüste hat nicht mehr denselben Geschmack. Sie haben die Gräber geschändet und die Schädel der Ermordeten gestohlen. Sie haben ihre Menschlichkeit auf dem Schiff gelassen, denn sie waren sicher, hier in der Wüste bräuchten sie sie nicht.“

Penda Diouf, 1981 geboren, leitet Sprachwerkstätten in Südfrankreich, schreibt Libretti für Opern und ist Direktorin der Bibliothek in der berüchtigten Stadt St. Denis, die zum Banlieue von Paris zählt. Vor einigen Jahren hat sie das Format „Jeunes Textes en Liberté“ gegründet, das Autoren fördert, das sich für eine größere Vielfalt von Erzählungen und Aufführungen auf der Bühne einsetzt. „Aus Wut“, heißt es im Vorwort, seien 2015 junge Texte in und über die Freiheit entstanden. Dies war die Geburtsstunde von „Jeunes Textes en Liberté“.

Die Wut hat auch in „Pistes“ eine Stimme. Sie mahnt zur Erinnerung an die Blessuren. „Ich mag Wunden“, sagt Kagara. „Weil sie viel über uns sagen.“ Am Ende der fast zweistündigen Vorstellung zündet sie Kerzen an und lässt Sand auf den Boden rieseln. Jede Kerze steht für eine Stadt in Namibia und ihre Toten. „Ich weiß nicht, wann die Reise begonnen hat, aber ich weiß, dass sie noch lange nicht zu Ende ist.“ Das Publikum verneigt sich vor der Leistung von Autorin, Schauspielerin und Regisseur Aristide Tarnagda mit stehenden Ovationen.

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